Seit 74 Jahren ist Oskar Hamacher Roter Funk. Was er daran liebt, was er von Frauen in den Corps hält, wie seine Pläne fürs kommende Jahr sind.
Von Kamelle, Ühlepooz und ElefantenZum 70. Mal im Rosenmontagszug – der dienstälteste Rote Funk erzählt
Weit vor acht Uhr wird Oskar Hamacher am Rosenmontag seine Uniform anziehen. Rot und weiß liegt sie bereit in seiner Wohnung am Dom, die gerade eine Mischung aus Umkleide, Büro und Zuhause ist. Die Uniform ist nicht einfach anzulegen, aber wenn jedes Einzelteil sitzt, sieht jeder: Oskar Hamacher ist Roter Funk. Am 12. Februar ist er zum 70. Mal aktiver Teilnehmer im Kölner Rosenmontagszug.
„Das erste Mal in der Session ist immer am langwierigsten, da muss ich erst alle Teile zusammenstellen“, erklärt Oskar Hamacher. Früher hat seine Frau Hedi ihn beim Anziehen („Ich hab’ ja hinten keine Augen“) und überhaupt im Karneval unterstützt. 2021 ist sie gestorben, 66 Jahre waren sie verheiratet. Mit Hedi lebte er in einigen Veedeln, mit Hedi bereiste er die ganze Welt, mit Hedi gab er den Karnevalsgedanken an Kinder und den Enkel weiter - obwohl sie nicht so karnevalsbegeistert war wie er.
Wenn Oskar Hamacher am Montag seinen Platz auf dem Ühlepooz-Wagen einnimmt, wird er nicht nur von Roten Funken umringt sein, neben ihm wird auch seine Tochter Caroline Hamacher-Linnenberg stehen, und ihr ist anzusehen, wie sehr sie sich darauf freut.
Alles zum Thema Rote Funken
- Erster Wahlkampf seit dem 2. Weltkrieg Rote Funken wählen Dirk Wissmann zum neuen Präsidenten
- Klassik und kölsche Tön Rote Funken laden zum Frühlingsball in die Kölner Flora
- Mit Bildergalerie Wiesdorfer Jecke trecke durch die Stadt – Rheinkadetten mit Kostümgag
- Auszeichnung für Kasalla Strahlender Sonnenschein und Party beim Funken-Biwak auf dem Kölner Neumarkt
- Verdienstorden in Gold Herbert Hendrichs aus Bad Münstereifel ist Ehrensenator in New York
- „Cathedral of Handball“ Rote Funken empfangen Nationalteam in Köln – Lanxess-Arena bereit für Handballer
- Handball in der Lanxess-Arena DHB-Team ist heiß auf EM-Hauptrunde in Köln
Als Jugendfunk ist Oskar Hamacher 1948 das erst Mal mitgegangen, „auf regennasser Straße“. Einen offiziellen Rosenmontagszug gab es nach dem Krieg noch nicht wieder, doch das Jahr lag den Funken am Herzen: „125 Jahre Rote Funken, es war das Jubiläumsjahr“, erklärt Hamacher. „In der vergangenen Session waren es 200 Jahre Rote Funken - und ich war fast die Hälfte mit dabei.“
Zoch-lose Jahre gab es: als wegen des Golfkriegs, der Corona-Pandemie und wegen Russlands Angriff auf die Ukraine abgesagt wurde oder werden musste. Einmal war Oskar auch mit Hedi auf Kreuzfahrt, Hamacher schaut ungläubig, wenn er das erzählt.
Hamacher zeigt auf seinem Smartphone ein Foto von weinroten Aktenordnern in einem Regal, „mein Archiv mit mehr als 50 Bänden“. Fotos, Aufzeichnungen, Artikel, Hamacher hat gesammelt, sortiert, beschriftet. Um seine Erinnerungen zurückzuholen, braucht der Kölner aber keinen Blick in die Chronik: Die Bilder, die Geräusche, den Geschmack von Karneval, Namen und Zahlen, alles hat der 90-Jährige im Kopf.
Rosenmontagszug in Köln: Kaum Kamelle, aber ein Zirkuselefant marschierte mit
„Ich war 15 Jahre alt und sehr aufgeregt“, erinnert er sich an das erste Mal. Mitglied der Roten Funken durfte man ab 18 sein, doch die Zeit als Jugendfunk, denen er seit 1946 angehörte, konnte er sich anrechnen lassen. „Pief“ lautet Hamachers Spitzname, nach dem Tabakhandel, den sein Vater betrieb. Eberhard Hamacher war Präsident der Roten Funken, und da er nicht Mitglied der NSDAP gewesen war, gestattete ihm die britische Militärregierung, die Gesellschaft zu einem kleinen Umzug zusammenzurufen. „Es gab viel weniger Rote Funken als heute“, sagt Oskar Hamacher. Viele Mitglieder waren nicht aus dem Krieg zurückgekehrt.
Ein Jahr vor dem ersten offiziellen Zug, der 1949 als „erweiterte Kappenfahrt“ stattfinden konnte, zogen die Funken vom Rathaus am Kaiser-Wilhelm-Ring los. „Meine Uniform war zusammengeliehen“, erzählt Hamacher. Kamelle gab es kaum, dafür aber einen Zirkus-Elefanten, der mit durch Köln marschierte. Tausende jubelten am Straßenrand. Von da an war Hamacher fast jedes Mal dabei. Und stieg die interne Karriereleiter der Funken hoch, bis er zum „Gineral“ ernannt wurde.
Wenn am Montag Perücke, Dreispitz und Stiefel sitzen, wird sich Oskar Hamacher aufmachen zum Gürzenich, „zu Fuß, wenn es die Witterung zulässt“. Von seiner Wohnung ist es nicht zu weit, der 90-Jährige ist fit. Zuerst wollen die Funken der „Oberbürgermeisterin die Reverenz erweisen“. Als „Agrippina Courage“ ist Henriette Reker Mitglied der Funken, da jeder Oberbürgermeister laut Satzung automatisch zum aktiven Corps gehört. Reker ist damit das einzige weibliche Mitglied der Roten Funken. Jenseits von ihr ist Hamacher streng: Frauen sollten keine aktiven Corpsmitglieder werden können.
„Früher war es das Schlimmste für mich, ein Mädchen zu sein, weil ich nicht bei den Roten Funken mitmachen konnte“, sagt Hamachers Tochter Caroline. Ihr gefällt, dass es nun viele weibliche Gesellschaften gibt, Mitglied würde sie woanders nicht werden. Dass die Funken eine Männerriege bleiben, ist für sie heute in Ordnung. Um dennoch mitmischen zu können, ist Hamacher-Linnenberg den „Funkefründe“, dem Unterstützerkreis der Roten Funken, beigetreten. „Ein weibliches Dreigestirn wäre aber mal angebracht“, sagt sie – ihr Vater schaut entsetzt.
Während der am Montag seine Uniform anzieht, wird Caroline sich für den Tag auf dem Ühlepooz-Wagen in eine Funken-Marketenderin verwandeln. Nach den ersten Zügen zu Fuß nahm Oskar Hamacher auch zwei Mal zu Pferd teil. Für ihn ist klar: „Päder gehören dazu“. Er selbst aber habe sich auf dem Rücken der Pferde nicht besonders wohlgefühlt, hielt sich lieber fest, als Kamelle zu werfen.
Kölner Karneval: Enkel Oscar war auch schon Bauer im Kinderdreigestirn
1960 wurde Hamacher als Bauer Teil des Dreigestirns, gemeinsam mit Prinz Peter Neufert und Jungfrau Josef Schneider. „Am Straßenrand stand Hedi mit Caroline im Funkenmariechen-Kostüm, und sie winkten mir zu“, erzählt Hamacher, sichtlich glücklich ob der Erinnerung. 2007 war Enkel Oscar Bauer im Kinderdreigestirn. Kreise schließen sich.
Eine Kritik äußert Hamacher aber doch: In seinen Anfangszeiten sei alles weniger kommerziell gewesen, „eine Nummer kleiner“, sagt Hamacher. Das Dreigestirn sei im Käfer Cabrio unterwegs gewesen, es gab weniger Auftritte. Aber Hamacher blickt lieber auf die Dinge, die er liebt im Karneval – wie den Ühlepooz-Wagen und die Ulrepforte.
Hamacher hat viel Zeit und Herzblut in den Förderverein für die Heimat der Roten Funken gesteckt, er ist Gründungsmitglied des „Vereins der Freunde und Förderer der Ühlepooz“ und rief das Nikolaus-Essen ins Leben, um Spenden zu sammeln. Mit dem Bezug der Ulrepforte als Hauptquartier hatten sich die Roten Funken verpflichtet, das Bauwerk instand zu setzten. Der Stolz, als Roter Funke auch ein wichtiger Teil der Kölner Stadtgesellschaft zu sein, ist Hamacher anzumerken. Fragt man ihn, warum ein junger Mensch heute Roter Funk werden sollte, sagt er aber: „Wegen der Kameradschaft.“
„Vielleicht ist es in diesem Jahr mein letztes Mal“, sagt Oskar Hamacher nachdenklich, schwenkt aber schnell wieder um. Er hat noch viel vor: 2025 steht das Jubiläum zur 75-jährigen Mitgliedschaft bei den Roten Funken an. Das will gefeiert werden.