Wie geht es weiter mit dem Karneval im Univiertel? Wenige Tage nach dem 11.11. diskutieren Wirte aus dem Kwartier Latäng, welche Alternative es geben kann. Dabei wird auch ein Festival im Grüngürtel zur Debatte gestellt.
Festival im Grüngürtel?Wirte streiten über Karnevals-Alternative zur Zülpicher Straße
Festival am Grüngürtel oder bloß raus aus dem Univiertel? Die Nachbeben des 11.11. sind in Köln noch stark spürbar, allen voran die Frage, wie man die zehntausenden, meist jugendlichen Feiernden auf der Zülpicher Straße steuern kann. Nach zwei Jahren Corona-Pause war das Kwartier Latäng am 11.11. so voll wie wohl nie zuvor. Ein neues Sicherheitskonzept, das lediglich einen Eingang zur Zülpicher Straße auf Höhe des Zülpicher Walls vorsah, sollte den Andrang regulieren. Zu größeren Zwischenfällen kam es nicht. Zufriedenheit aus Sicht der Anwohnerinnen und Anwohner und der Gastronomen vor Ort sieht aber anders aus. Die Vorstellungen, wie auf den 11.11. nun zu reagieren ist, gehen dabei weit auseinander.
Entlastung Zülpicher Viertel: Offener Brief an Henriette Reker
Zentraler Punkt der Diskussion ist, welches Alternativangebot den meist jugendlichen Besucherinnen und Besuchern geboten werden kann, um den Druck von der Zülpicher Straße zu nehmen. „Das Schutz-Ziel, Leib und Leben der Feiernden zu sichern, wurde nur durch viel Glück erreicht. Es ist ein reiner Zufall, dass wir hier keine Schwerverletzten und Toten zu beklagen haben, aber dieses Glück ist nicht auf Dauer zu erwarten.“ So steht es im Entwurf eines Offenen Briefes an Oberbürgermeisterin Henriette Reker, verfasst von Wirt Markus Vogt für das Bündnis Innenstadt.
Der Entwurf liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Dem Offenen Brief hatten sich bis zum späten Montagabend auch Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, die Bürgergemeinschaft Rathenauplatz sowie weitere Bürgervereine verschiedener Innenstadtviertel angeschlossen.
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„Wir müssen abrüsten. Der Zustrom muss dringend weniger werden, nicht mehr“, sagt Vogt im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Stadt hat es im Vorfeld des 11.11. ausgesessen, statt gemeinsam mit uns eine passende Alternative zu planen. Kurz vorher wird dann ein Sicherheitskonzept präsentiert, das im Prinzip genauso aussieht wie immer – mit leichten Abwandlungen.“
Bühne an den Ringen als Alternative zur Zülpicher Straße
Dass sich für eine andere Feier weder ein Ort noch ein Veranstalter gefunden hätte, wie die Stadt behauptet, dementiert Vogt. „Gemeinsam mit dem Festkomitee und der Bezirksvertretung Innenstadt haben wir das Areal zwischen Friesenplatz und Rudolfplatz vorgeschlagen.“ Laut Stadtdirektorin Andrea Blome habe sich aber kein privater Veranstalter gefunden, der ein solches Konzept umsetzen wollte.
Markus Vogt führt das darauf zurück, dass die Stadt – im Gegensatz zu vorherigen Absprachen – eine Bezuschussung eines solchen Konzepts auf einmal ausgeschlossen hatte. „Dabei hat sie das bei der Bühne an der Unimensa, die das Festkomitee damals veranstaltet hat, auch getan“, so Vogt.
Wirtinnen schlagen Festival am Grüngürtel vor
Während Vogt alles darauf setzt, einen Teil der Feiernden aus dem Kwartier Latäng herauszulotsen, sprechen sich andere Gastronominnen für eine Lösung vor Ort aus. „Die Leute fernzuhalten, wird nicht funktionieren“, sagt Claudia Wecker, Betreiberin des Studentenclubs „Das Ding“. „Das ist wie einem FC-Fan vor dem Stadion zu sagen, um die Ecke findet ein Volleyballturnier statt.“ Man müsse der Realität ins Auge sehen, dass die Jugendlichen so oder so ins Viertel kommen würden.
„Wo sollen sie denn auch hin? Man hat den Kindern jetzt drei Jahre lang erzählt, es ist sicherer, draußen zu feiern. Sie sind in der Pandemie 16 oder 17 geworden. Es ist ein Unding, die Jugendlichen zu dämonisieren und für das Chaos vor Ort verantwortlich zu machen.“
Dem schließt sich Maureen Wolf von der Gaststätte „Oma Kleinmann“ an. „Unsere Kreuzung ist seit vielen Jahren im Auge des Orkans. Ich bekomme unsere Gäste durch den Andrang aufs Viertel gar nicht mehr zu uns ins Lokal. Die jungen Leute sind aber überhaupt nicht das Problem. Über 90 Prozent sind ganz normal, es sind zehn Prozent, die gewaltbereit und drogenaffin sind. Das Problem ist die Masse. Wir haben immer wieder gesagt, es werden dieses Jahr so viele wie nie zuvor.“
"Das sind normale Jugendliche, keine Sauftouristen"
Wecker, Wolf und einige andere Wirte schlagen daher vor, eine Art Festival im Bereich der Mensa, Uniwiese oder am Aachener Weiher zu veranstalten. „Da müssen Profis ran. Logistik, Fachwissen, Finanzierung. Wir haben diese gut liegende Fläche, und das in einer Großstadt. Es gibt ja auch Möglichkeiten, die Wiese zu schützen. Es ist doch klar, dass in den nächsten Jahren noch mehr Leute kommen werden. Wohlgemerkt normale Jugendliche, keine asozialen Sauftouristen“, so Wecker.
„Es muss etwas Großes geben“, sagt auch Maureen Wolf. „Und wenn man in Rio anruft und fragt, wie sie dort die Menschenmassen organisieren.“ Wecker und Wolf stellen sich eine Veranstaltungsfläche für Minderjährige vor, ohne harten Alkohol, mit Einlasskontrollen und einem kleinen Eintrittsgeld. „Man kann Menschen von außerhalb nicht verbieten zu kommen“, sagt Wolf. „Auch so etwas wie ein Alkoholverkaufsverbot ist rechtlich kaum möglich. Wir müssen uns jetzt zusammensetzen und vielleicht auch mal mehrere Tage am Stück diskutieren, wie es weitergehen kann“, sagt Maureen Wolf.
Markus Vogt hält die Festival-Idee hingegen für „blanken Unsinn“. „Das ist das letzte, was wir brauchen“, sagt er. „Dann kommen demnächst nicht mehr 100.000, sondern 200.000 Leute.“ Mit den sogenannten „Entlastungsflächen“ im Bereich der Uniwiesen sorge die Stadt schon jetzt für einen Festival-Charakter. „Da gibt es einen DJ, Boxen, eine Theke. Da habe ich schon schlechter ausgestattete offizielle Festivals gesehen.“ Statt diesen Hotspot noch weiter zu verschärfen, müsse man ihn „umtopfen“, so Vogt, zum Beispiel an die Ringe. Dort findet mit dem „Gamescom City Festival“ im Sommer jährlich auch eine Open-Air-Veranstaltung für tausende Besucher statt. Er fordert, dass die Stadt beim Land darauf hinwirkt, dass ein Alkoholverkaufsverbot umgesetzt werden kann.
Viel Zeit, sich ein neues Konzept für den Straßenkarneval zu überlegen, bleibt indes nicht. Weiberfastnacht ist in 14 Wochen. Am 1. Dezember will sich die Bezirksvertretung Innennstadt in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema beschäftigen.