Köln – Die Corona-Pandemie trifft die Studierenden hart – und bringt einige von ihnen in finanzielle Notlagen. 40 Prozent der Hochschüler haben einer Umfrage zufolge durch die Corona-Krise einen Job verloren, berichtet das Redaktions-Netzwerk-Deutschland (RND). Jeder Dritte gab an, aufgrund der aktuellen finanziellen Situation sehr große Sorgen zu haben.
Da schien die Idee gut: Seit Juni 2020 kann der Bund die Studierenden unter bestimmten Voraussetzungen über die regionalen Studierendenwerke durch einen Zuschuss mit bis zu 500 Euro im Monat fördern. Das Geld muss nicht zurückgezahlt werden. In NRW wurden bis zum 14. Juni etwa 140.000 Anträge gestellt, teilte das nordrhein-westfälische Wissenschafts-Ministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Davon seien 83.500 Anfragen bewilligt und rund 55.000 abgelehnt worden – 500 seien noch in der „Nachbesserung“. In der Summe seien bisher rund 37 Millionen Euro ausgezahlt worden.
Ein Teil des Geldes, 5,16 Millionen Euro, ist bei Kölner Hochschülern angekommen. Beim Studierendenwerk wurden bis zum 14. Juni insgesamt 11.937 Anträge bewilligt, 7682 Anträge seien abgelehnt worden, teilte die Kölner Einrichtung mit. Im Durchschnitt seien die Geförderten mit 432 Euro unterstützt wurden.
„Die Landesregierung ist sich der schwierigen Situation der Studierenden bewusst, die durch die Corona-Pandemie in eine finanzielle Notlage geraten sind“, kommentiere das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium die Frage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ob weitere Hilfsangebote nötig seien. „Akut unterstützungsbedürftige Studierende“ könnten sich auch an Sozial- und Hilfsfonds der Hochschulen wenden. Die Universität Köln beispielsweise hatte 2020 einen Notfallfonds aufgelegt, der 600 Studierende mit 465.000 Euro unterstützte. Durch den Erlass der Corona-Hochschulverordnung habe die Landesregierung zudem sichergestellt, dass die Bafög-Höchstbezugsdauer verlängert wird, so das Ministerium. Die bundeseinheitlichen Überbrückungshilfe sein ein „erfolgreiches Programm“, was schon „die hohe Zahl der gestellten Anträge und die bislang ausgezahlten Mittel“ zeigen würden.
„Ich habe meinen Job verloren“
„Ich habe in einem Café in der Südstadt gearbeitet, aber im November meinen Job verloren. Lange dachte ich, ich bekäme ihn zurück, es ist aber nichts passiert. Die Überbrückungshilfe habe ich nicht beantragt, weil es mir zu kompliziert war. Stattdessen bin ich zu meinen Eltern nach Gummersbach zurückgezogen und habe mir einen neuen Job gesucht – in einer Versicherung. Viele haben das so gemacht, weil der Aufwand, die Hilfen zu beantragen ebenso hoch war, wie sich eine neue Arbeit zu suchen. Man wusste auch einfach nicht, wie viel Geld zu welchem Zeitpunkt bewilligt wird.“
Lisanne Loehs (24), BWL, 1. Semester
Die hohe Zahl der Anträge? Wer genau hinschaut, der entdeckt, dass die Zuschüsse nur bei wenigen Studierenden ankommen. Denn die Gelder müssen monatlich immer wieder neu beantragt werden, was die hohen Zahlen erklärt. Im Mai dieses Jahres beispielsweise wurden jedoch lediglich 658 von 90.000 Kölner Studierenden gefördert, das sind weniger als ein Prozent. Im Höchstfall, im Juni 2020, waren es 1792 Studierende – also knapp zwei Prozent.
„Absolute Katastrophe”
„Der Umgang mit den Studierenden ist eine absolute Katastrophe“, sagte der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Universität Köln, Eugen Esman. Bundesbildungsministern Anja Karliczek (CDU) und ihre NRW-Kollegin Isabel Pfeiffer-Poensgen (FDP) hätten beim Management der Corona-Krise mit Blick auf die Hochschüler völlig versagt. Obwohl sich viele Studierende in einer „prekären sozialen Situation“ befänden, hätten Land und Bund nicht ausreichend gehandelt. Die maximale Förderung der Überbrückungshilfe von 500 Euro reiche für eine Großstadt wie Köln nicht aus. Zudem sei die Bürokratie hoch. Nachgewiesen werden müsse zum Beispiel, dass man erst durch die Pandemie in eine Notlage geraten sei und sich um mindestens neue Jobs bemüht habe. Zudem dürfe der Studierende nicht mehr als 500 Euro auf dem Konto haben.
„Der Aufwand war sehr hoch“
„Persönlich hatte ich Glück und musste die Überbrückungshilfen nicht beantragen, weil ich Tutorien an der Uni gebe und in der Pandemie im Gesundheitsamt gearbeitet habe. Von Kommilitonen weiß ich aber, dass viele die Überbrückungshilfen nicht beantragt haben, weil der Aufwand sehr hoch war. Unter anderem musste man belegen, dass man weniger als 500 Euro auf dem Konto hat. Außerdem muss man die Hilfen jeden Monat neu beantragen. Von einem Studenten weiß ich, dass er kein Geld erhalten hat, weil er nicht belegen konnte, dass er sich um einen neuen Job gekümmert hat.“
Jonas Günther (25), Medizin, 10. Fachsemester
Nur elf Prozent der Studierenden erhalten Bafög
Das „Landesasten-Treffen“, die Vertretung der Studierenden in NRW, sieht das ähnlich. „Die Überbrückungshilfen waren schon bei ihrer Ankündigung vor einem Jahr absolut unzureichend“, bilanziert der Verband. Fatal sei, dass Studierende von den sozialen Sicherungsnetzen nicht aufgefangen würden. 93 Prozent der Studierenden lernen in Vollzeit und hätten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder sonstige Sicherungen. 68 Prozent hatten vor Beginn der Pandemie in Deutschland einen Nebenjob, in Köln sogar 79 Prozent. Trotz Vollzeitstudium sind 86 Prozent davon auf dieses Einkommen angewiesen gewesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Ohne adäquate Hilfe stehen sie vor dem Nichts.“ Wie der Asta der Uni Köln fordert der Verband, das Bafög auszuweiten. Derzeit erhielten nur elf Prozent der Studierenden Bafög, der Höchstsatz von 861 Euro sei unzureichend, sagt Lastenasten-Sprecher Tobias Zorn.
Alternativen zur Überbrückunghilfe
Zu den Überbrückungshilfen des Bundes für Studierende gibt es Alternativen:
Die Darlehenskasse der Studierendenwerke (Daka), vergibt für Studierende in NRW zinslose Darlehen bis zu einer Höhe von 12.000 Euro. Diese werden in Monatsraten von bis zu 1000 Euro ausgezahlt. Gefördert werden deutsche Staatsbürger, die bedürftig sind. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.daka-darlehen.de.
Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau können Studierende Darlehen bis zu 650 Euro beantragen. Bei einem Erst- oder Zweitstudium erfolgt die Förderung bis zu 14 Semester lang, bei einer Promotion sechs Semester. Die Höchstgrenze für den Gesamtbetrag liegt somit bei 54.600 Euro. Dieser Zinssatz ist variabel und wird immer im April und Oktober für jeweils ein halbes Jahr festgelegt. Derzeit liegt er aber bei 0 Prozent. Weitere Infos unter www.kfw.de.
Seit April 2020 gibt es die Möglichkeit bei der Sozialberatung des Kölner Studierendenwerks ein Darlehen aus dem Corona-Sonderfonds zu beantragen. Dieses wird einmalig in einer maximalen Höhe von 800 Euro zinsfrei ausgezahlt. Die Voraussetzungen sind unter anderem der Nachweis eines pandemiebedingten Einkommenswegfalls, Unterhaltskürzung oder Ausreisehemmnisses. Die Rückzahlung beginnt sechs Monate nach Auszahlung in 50-Euro-Raten. Bisher wurden 132 dieser Darlehen in Anspruch genommen, insbesondere von internationale Studierenden, die wenig Unterstützung von der Familie, keinen Anspruch auf Bafög und die Ihre Jobs im Lockdown verloren haben. Weiter Infos unter www.kstw.de. (ris)
Das sieht man beim Deutschen Studentenwerk ähnlich: Viele Anträge seien abgelehnt worden, weil sich die Studierenden zwar in einer finanziellen Notlage befunden hätten, die aber schon vor der Pandemie bestanden habe, so der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. Daher habe die Überbrückungshilfe hier nicht greifen können. Das eigentliche Problem sei, dass die Studienfinanzierung eines Teils der Studierenden in der unteren Mittelschicht prekär sei. Die Eltern seien nicht in der Lage, den Unterhalt zu leisten, der den Studierenden zustehe. „Für diese Studierenden brauchen wir dringend eine strukturelle Reform der staatlichen Studienfinanzierung, des Bafög.“