„Tag des guten Lebens“Ehrenfelder füllen autofreie Straßen mit Musik und Debatten
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Köln-Ehrenfeld – 150.000 Besucher, 280 Aktionen und ein autofreier Stadtteil – der „Tag des guten Lebens“ machte die Straßen Ehrenfeld für die Anwohner einen Tag lang zur Fußgängerzone. Initiativen, Nachbarschaftsgruppen und Einzelpersonen organisierten auf den Straßen zwischen Ehrenfeldgürtel, Helmholtzstraße, der Äußeren Kanalstraße und der Subbelrather Straße einen bunten Mix aus Angeboten, bei denen die Besucher unter anderem über die Themen Klimaschutz, Integration und Formen der Mobilität ins Gespräch kommen und sich informieren konnten. Im Zentrum stand dabei, ganz im Zeichen der aktuellen öffentlichen Debatten, der Klimaschutz.
Vorbereitungen seit April
Die Organisation der Großveranstaltung hat die Bürgerinitiative Agora Köln bereits im April begonnen. Das Ziel ist klar: „Es geht darum, den Klimaschutz und auch Themen wie Demokratiebeteiligung und alternative Mobilität innerhalb des Veedels stärker zu diskutieren und neue Impulse zu setzen“, so Martin Herrndorf, Kopf des Organisations-Teams von Agora Köln. „Wir wollen dazu beitragen, uns in diesen Bereichen in Köln insgesamt zu verbessern. Mit den Nachbarschaften schauen wir vor Ort im Rahmen des Festes, wie diese Entwicklung gestaltet werden kann.“
Wichtig ist den Organisatoren, dass die Impulse von den Bürgern und Veedelbewohnern selbst ausgehen. Denn hier liege die Basis, um Veränderungen anzuschieben und neue Konzepte zu entwickeln, die auch dem jeweiligen Stadtteil gerecht werden, so Herrndorf. Schlüssel ist dabei die Art des Dialogs: „Die Leute begegnen sich bei so einem Fest ganz anders, kommen neu ins Gespräch“, so Herrndorf. „Dabei treffen sich die Menschen generationenübergreifend – das fängt bei den Kleinsten an und geht bis zu den Ältesten. Beim „Tag des guten Lebens“ kommen alle ins Gespräch und sensibilisieren sich für neue Konzepte – in diesem Fall vor allem für grüne Themen.“
So wie am Stand von Monika Kruse-Köhn. Sie baute am Alpenerplatz mit den kleinsten Besuchern Nistkästen und Insektenhotels aus Konservendosen und Bambusstöcken. Die konnten sie nicht nur direkt vor Ort bemalen und mit Wollgarn verzieren, sondern auch mit nach Hause nehmen oder zur Verzierung des Platzes dort aufhängen. „Das fördert nicht nur die kreative Ader bei den Kleinen, sondern macht sie auch früh sensibel für Umweltthemen“, so Kruse-Köhn, die selbst in der Nähe des Platzes wohnt.
„Außerdem macht es ihnen wahnsinnig Spaß und sie freuen sich, den Insekten ein neues Zuhause zu bauen.“ Eingebettet war der Stand auf in die Bemühungen der „Interessengemeinschaft Alpenerplatz“, die mit Veranstaltungen und Aktionen den Ort lebenswerter gestalten wollen. Vom „Tag des guten Lebens zeigt sich Kruse-Köhn begeistert: „Die Idee des Festtags finden wir toll. Für uns war das auch ein großer Erfolg, viele Kinder haben mitgemacht und neue Insektenhotels zieren jetzt den Alpenerplatz.“Ebenso vom grünen Gedanken getragen ist das Projekt „Wanderbaumallee“, an dem sich unter anderem Ulrich Hasenkamp beteiligt.
Gemeinsam mit knapp zehn weiteren Mitstreitern, die sich erst im August zusammengetan haben, baut Hasenkamp Bäume auf Rädern zur Verschönerung der Kölner Straßen. „Viele der Straßenzüge sind zubetoniert oder so schmal, dass dort keine Bäume gepflanzt werden können“, so der 70-Jährige. „Das lässt sie leblos und trist wirken. Daran wollten wir etwas ändern.“ Also ließ sich die kleine Gruppe aus Ehrenfeld von ähnlichen Projekten in Stuttgart und München inspirieren und unterstützen. Dabei werden kleine Bäume in fahrbare Holzkästen gesetzt, die ohne Mühe von einer Person – ähnlich wie eine Schubkarre – bewegt werden können. Zusammengeschraubt werden sie vom ehrenamtlichen Team um Hasenkamp, nur die Bretter schneidet ein Tischler im Vorfeld zurecht.
„Nimmt man mehrere von diesen mobilen Baumkästen, kann man eine Straße vorübergehend zur Baumallee umwandeln“, so Hasenkamp. „Das freut nicht nur das Auge, sondern ist auch gut für die Umwelt – jeder Baum wandelt das schädliche Kohlendioxid um.“ Bisher haben Hasenkamp und Co. vier mobile Bäume für die Straßen Kölns zusammengebaut. „Optimal wären für eine Allee natürlich 12 Baumkästen auf Rädern, das ist unser Ziel.“ Dazu will die Gruppe in Kürze ein Crowdfunding-Projekt anstoßen, um die Kosten eines Baums von rund 550 Euro decken zu können. „Aber auch Spender und Vereine oder Initiativen können uns gerne unterstützen“, so Hasenkamp.
Die große Anzahl an Ideen und Konzepten begeisterte nicht zuletzt auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die die Veranstaltung im Rahmen eines Rundgangs wahrnahm und mit etlichen Standbetreibern ins Gespräch kam. Neben dem vielseitigen thematischen Angebot sah sie aber vor allem den Dialogcharakter der Menschen aus Ehrenfeld ganz Köln positiv: „Die Leute sprechen miteinander und tauschen sich aus. Das tut der Veedelkultur und Köln insgesamt gut“, so Reker. 80.000 Euro hat die Stadt Köln für die Finanzierung des diesjährigen „Tags des guten Lebens“ zur Verfügung gestellt. Bis 2023 wurde die Förderung bereits verlängert. Erste Planungen für den nächsten Veranstaltungsort laufen daher bereits: „Mit Mülheim sind wir in guten Gesprächen“, so Organisator Herrndorf von Agora Kölm. „Bisher entwickeln sie sich sehr positiv.“