Schaffen es die Fraktionen, sich bis zur Wahl 2025 zu einer Entscheidung über den möglichen Bau eines Ost-West-Tunnels durchzuringen?
KVB-AusbauNächste Verzögerung droht bei Entscheidung über Kölner Ost-West-Tunnel
Bei der Entscheidung über den möglichen Bau eines Ost-West-Tunnels bahnt sich eine deutliche Verzögerung an. Mehrere Ratsfraktionen spielen mit dem Gedanken, die Entscheidung erst nach der Kommunalwahl 2025 zu fällen. Die Frage, ob die Bahn-Kapazitäten auf der Ost-West-Achse zwischen Heumarkt und Moltkestraße mit einem Tunnel oder mit einem oberirdischen Netzausbau erhöht werden sollen, wird im Stadtrat seit Jahren kontrovers diskutiert. Bereits in der vergangenen Wahlperiode sollte die Entscheidung eigentlich gefällt werden.
Damals einigten sich Grüne und CDU auf einen Kompromiss: Beide Varianten werden von der Verwaltung im Detail geplant, anschließend fällt der Stadtrat eine Entscheidung. Die CDU will den Tunnel – genau wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) – um so gut wie jeden Preis. Die Grünen haben sich aus klimapolitischen Gründen nach einer parteiinternen Debatte klar gegen den Tunnelbau ausgesprochen. In der Bündnisvereinbarung zwischen Grünen, CDU und Volt ist klargestellt, dass Grüne und CDU in der Tunnel-Frage unterschiedliche Wege gehen werden. Doch es gelingt beiden nicht, eine Mehrheit zu organisieren.
Ost-West-Tunnel in Köln: Wie ist die Position der Ratsmitglieder?
Klar für den Tunnel sprechen sich CDU und FDP aus. Die SPD ist weiterhin nicht ganz entschlossen, die Tendenz unter den Sozialdemokraten ist aber wohl: Der Tunnel soll kommen. Bei den Grünen hofft manch einer, dass Lukas Lorenz, der neue verkehrspolitische Sprecher der SPD, die Meinung seiner Fraktion in Richtung der oberirdischen Variante verschieben wird. Lorenz sagt, er spreche mit allen demokratischen Fraktionen.
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Aber er sagt auch: „Aufwändige Umbaumaßnahmen ohne eine spürbare Kapazitätserweiterung machen wenig Sinn.“ Eine persönliche Tendenz gegen den Tunnel? Womöglich. Die AfD-Fraktion teilte auf Anfrage mit, sie habe eine „vorläufige Meinung“, verriet aber nicht, in welche Richtung. Eine Tendenz für den Tunnel scheint denkbar. Die vier Fraktionen würden eine Mehrheit bilden, hinzu käme die Stimme von Oberbürgermeisterin Reker – allerdings wollen CDU, SPD und FDP die Entscheidung nicht von der AfD abhängig machen.
Grüne und Linke gegen den Tunnel
Auf der anderen Seite stehen neben den Grünen die Linksfraktion, die Fraktion „Die Fraktion“ und die Einzelmandatsträger Thor Zimmermann und Ngoc-Anh Gabriel von der Klimaliste. Die Volt-Fraktion hat sich noch nicht offiziell positioniert, weil sie vor der Entscheidung in der Partei beraten will. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ tendieren die Volt-Ratsmitglieder aber klar zur oberirdischen Variante. Keine Mehrheit also, aber auch keine kleine Minderheit.
Eine Entscheidung, bei der es auf jede Stimme ankommt, ist bei vielen Politikerinnen und Politikern unbeliebt: Man werde als Stadtrat auf Grundlage der Entscheidung für oder gegen den Tunnel viele weitere verkehrspolitische Entscheidungen fällen müssen, heißt es. Ebenso wenig will aber jemand von seiner Position abrücken: Grüne und CDU bewegen sich nicht, die SPD macht es sich – wie bereits vor der vergangenen Wahl – dazwischen gemütlich und nutzt damit ihren machtpolitischen Einfluss.
Wie soll eine Entscheidung zustandekommen?
Der offizielle Ablauf ist eindeutig: Die Parteien warten aktuell darauf, dass Verkehrsdezernent Ascan Egerer beide Varianten vorstellt, die Fraktionen stimmen abschließend im Stadtrat ab. Die Variante mit einer Mehrheit wird von der Stadt gebaut. Egerer hatte die Vorstellung eigentlich für das Jahr 2023 versprochen, für das im vergangenen Jahr auch noch die Entscheidung geplant war. Inzwischen ist aber klar, dass Egerer beide Varianten erst im Frühjahr 2024 vorstellen wird.
Die Verzögerung wurde von der Stadt nicht als solche benannt, in den offiziellen Mitteilungen tauchte schlicht das neue Datum auf. Die Entscheidung fällt also erst danach. Im September 2025 wählt Köln einen neuen Stadtrat, im Jahr zuvor läuft der Wahlkampf. Ob sich die Fraktionen unmittelbar vor dem Wahlkampf wirklich zu einer Entscheidung durchringen werden? Ohne, dass eine klare Mehrheit in eine Richtung absehbar ist? Viele Beteiligte haben starke Zweifel.
Wie könnte eine Entscheidung erzwungen werden?
Im Hintergrund werden zwei Möglichkeiten immer wieder diskutiert. Einzelne Ratsmitglieder sprachen zuletzt von der Idee, eine Mehrheit für eine freiwillige Selbstverpflichtung zu schaffen. Das hieße: Die Stadt führt eine Bürgerbefragung zum Thema durch. Die Fraktionen, die der Selbstverpflichtung zustimmen, stimmen so, wie die Befragung ausgeht. Viele andere halten die Idee allerdings für wenig hilfreich. Der Rat sei demokratisch gewählt und scheitere an seinem Auftrag, wenn er eine fachpolitische Entscheidung auf diese Art treffe.
Ähnliches ist aus Kreisen der Stadtspitze zu vernehmen. Eine Bürgerbefragung scheint sehr unwahrscheinlich. Option zwei: Die Grünen überzeugen die SPD nach der Prüfung beider Varianten von der oberirdischen Option. Denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich. Option drei: CDU und FDP nutzen aktiv die Stimmen der AfD-Fraktion, um den Tunnel durchzubekommen.
Das erscheint auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die mögliche Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene nicht denkbar. Bliebe eine letzte, etwas wahrscheinlichere Möglichkeit: eine geheime Abstimmung. In dieser würde eine Mehrheit für eine Variante sicher zustande kommen. Auch daran darf allerdings gezweifelt werden: Wer die Gegenseite zum Zeitpunkt der Entscheidung im Vorteil sieht, würde eine geheime Abstimmung wohl verhindern.
Welche Folgen hätte eine Verschiebung?
Das Thema würde im nächsten Kommunalwahlkampf stattfinden, diesen womöglich sogar dominieren. Doch die Glaubwürdigkeit der Ratsfraktionen stünde infrage: Wird die eigene Stimme bei der Wahl wirklich zu einer Stimme für oder gegen den Tunnel – oder suchen sich die Ratsmitglieder erneut einen bequemeren Weg und verschieben das Thema weiter?
Eine sichere Antwort auf diese Frage wird niemand geben können. Die längst geplante gründliche Umgestaltung und Aufwertung des Neumarkts würde damit auch in weite Ferne rücken. Um sich die Förderungen für beide Varianten offenzuhalten, muss die Stadt den Neumarkt verkehrlich im aktuellen Zustand belassen. „Vorgezogene Maßnahmen in größerem Umfang sind am Neumarkt nicht möglich. Jegliche Bewertung der Ost-West-Achse wird davon negativ beeinflusst“, stellte Egerer hierzu zuletzt im Verkehrsausschuss klar: „Die Non-plus-ultra-Lösung ist hier nicht machbar.“
Eine weitere, schwerwiegende Folge: Der Ausbau der Kapazitäten auf der Ost-West-Achse verzögert sich erneut. Und mit ihm auch die Verkehrswende. Die Bahnen in der Innenstadt blieben auf absehbare Zeit so voll, wie sie es heute sind.