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„Unsauber“Ex-Richter attackiert Staatsanwälte in Fall um vergifteten Arzt

Lesezeit 3 Minuten
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Die Angeklagte mit den Verteidigerin Jürgen Graf und Jens Schiminowski (r.) im Landgericht.

Köln – Das Urteil im Fall um den vergifteten Arzt aus Köln ist noch nicht gesprochen, doch die Planungen für eine mögliche Neuauflage des spektakulären Prozesses laufen schon. Die Verteidigung spricht bereits von einer Revision zum Bundesgerichtshof Karlsruhe – und will dafür womöglich zweifelhaftes Verhalten der Staatsanwaltschaft nutzen. Der ehemalige Richter Jens Schiminowski übte harte Kritik.

Staatsanwältin mit Ermittlungsführer der Polizei verheiratet

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Der Kölner Anwalt Jens Schiminowski ist ehemaliger Richter am Kölner Landgericht. 

Schiminowski vertritt die angeklagte Immobilienmaklerin als einer von drei Verteidigern und ist als ehemaliger Richter des Kölner Landgerichts („Oppenheim-Verfahren“) und früherer wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesgerichtshofs mittlerweile ein ausgewiesener Experte rund um Revisionen. Im „Insulin-Prozess“ tritt er für den wahrscheinlichen Fall einer Verurteilung auf. Und gab nun bereits eine erste Kostprobe ab.

Der BGH könne es nicht gerne sehen, dass mit Oberstaatsanwältin Margarete Heymann die Ehefrau des Ermittlungsführers der Kölner Polizei am Verfahren beteiligt sei. Mit Objektivität habe das nichts zu tun. Einem Ablehnungsgesuch kam Richter Peter Koerfers aber nicht nach. „In Anbetracht der Mitwirkung“, sagte Koerfers – dabei hatte Heymann vielen Verhandlungstagen beigewohnt.

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Staatsanwalt habe Angeklagte unter Druck gesetzt

In seinem Plädoyer griff Schiminowski auch den Kölner Oberstaatsanwalt Bastian Blaut an. Der habe die Angeklagte zu Prozessbeginn unter Druck gesetzt, indem er mit möglichen Strafhöhen jongliert habe. Der Beschuldigten hatte Blaut gedroht, ihre Kinder für lange Zeit nicht aufwachsen zu sehen. Bei einem Geständnis hingegen könnte sie womöglich in sieben Jahren wieder in Freiheit sein.

Oberstaatsanwalt Blaut habe ein Verständnisgespräch eingeleitet, obwohl er auf das Ergebnis grundsätzlich keinen Einfluss habe. Schiminowski deutete damit an, Blaut habe sich als Richter aufgespielt. Der BGH könne ein solch „unsauberes“ Vorgehen bemängeln. Blauts „scharfer Monolog“ sei geeignet dazu gewesen, Schöffen zu beeinflussen und damit die Angeklagte zu benachteiligen.

Wirbel um Video, das den geschädigten Arzt zeigt

So ruhig und sachlich Schiminowski plädiert hatte, so emotional war der Schlussvortrag vom Oberstaatsanwalt. Blaut hatte etwa der Presse vorgeworfen, in ungeheuerlicher Weise den bewusst falschen Vorwurf erhoben zu haben, die Staatsanwaltschaft wolle Beweismittel zurückhalten. Die Rede war von zwei aktuellen Videos, die den geschädigten Arzt und dessen Zustand zeigten.

Dabei war es Blaut selbst, der sich einem Antrag der Verteidigung auf Sichtung der Videos nicht angeschlossen hatte. Aufgrund von Persönlichkeitsrechten und, weil ein Gutachter den Senior ohnehin später noch besucht habe. Das Video werde somit nicht benötigt. Richter Koerfers ließ die Aufnahmen aber zu – sie seien von „nicht unerheblicher Bedeutung“ für die Entscheidung.

Kölner Angeklagte sagt: „Ich bin keine Mörderin“

Zuletzt hatte die Angeklagte einen Mordversuch an ihrem Schwiegervater abermals abgestritten. Sie soll dem angesehenen Mediziner aus dem Kölner Westen eine hohe Menge an Insulin verbreicht, den Senior so zum Pflegefall gemacht haben. „Ich bin keine Mörderin“, sagte die zweifache Mutter. Sie trage Verantwortung für ihre Familie. Wenn sie etwas getan hätte, dann „hätte ich das zugegeben.“

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Das mit Spannung erwartete Urteil soll am Donnerstag fallen. Die Staatsanwaltschaft hat lebenslang Gefängnis gefordert, die Verteidigung einen Freispruch – die Anträge könnten nicht weiter auseinander liegen. Der Bundesgerichtshof dürfte also in jedem Fall eingeschaltet werden. Kippt das Urteil womöglich wegen simplen Formfehlern, dann wäre das peinlich, sagen Prozessbeobachter.