Köln – Ist Mike M. am 21. Dezember 2018 im Rheinenergie-Stadion deshalb so brutal auf einen anderen FC-Fan losgegangen, weil er sich von ihm bedroht und an eine blutige Attacke erinnert fühlte, deren Opfer er selber vor etwa 15 Jahren geworden ist? Die Frage spielt eine wichtige Rolle in dem Prozess gegen den früheren Teilnehmer der TV-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“, der am Dienstag fortgesetzt wurde. Dem 34-Jährigen wird versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt.
An jenem Tag verließ er gegen Ende des Zweitligaspiels des 1. FC Köln gegen den VfL Bochum mit Begleitung die Tribüne und stieß auf dem Weg zum Ausgang mit einem 26-jährigen Mann zusammen. Er schlug ihn zu Boden und trat das bewusstlos gewordene Opfer auf den Kopf. Sicherheitsleute und Fans sollen ihn davon abgehalten haben, noch einmal zuzutreten. Ein Ersthelfer verhinderte, dass der 26-Jährige an seiner eigenen Zunge erstickte.
Am zweiten Verhandlungstag hatte Mike M. gesagt, er sei von dem anderen „aggressiv angerempelt“ worden und habe Schlimmeres befürchtet. Nie wieder habe er in eine Situation wie im Januar 2006 geraten wollen; damals sei er auf der Straße von einer Gruppe Männer mit Baseballschlägern zusammengedroschen worden, nachdem er vergeblich versucht habe, vor ihnen davonzulaufen.
Köln: Angeklagter FC-Fan erzählt nicht die ganze Wahrheit
Inzwischen hat die 5. Große Strafkammer die entsprechenden Akten angefordert. Der Vorsitzende Richter Peter Koerfers hielt Mike M. vor, deren Inhalt passe nicht recht zu dessen Darstellung des Geschehens, bei dem es um den Diebstahl von Schmuck gegangen sein soll. So ließen die Akten darauf schließen, dass es eine weitere, dem Angriff vorangegangene Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen gegeben habe.
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Auffällig sei auch, dass sich die Gruppierung, zu der Mike M. gehörte, nicht an der Aufklärung des Falls beteiligt habe. Der Angeklagte, der wiederholt geltend machte, er könne sich an vieles nicht erinnern, erklärte, die Täter hätten sich bei ihm entschuldigt und er habe sie im Sinne der Vergebung, zu der ihn seine „sehr gläubige“ Mutter immer angehalten habe, schonen wollen. Dazu passt allerdings nicht, dass Mike M. ausweislich der Akten zu dem Fall Strafantrag gestellt hatte – ein Umstand, den er nun bestritt. Sein Verteidiger hielt fest: „Mein Mandant wurde blutüberströmt gefunden. Das ist für mich der entscheidende Punkt.“ Zahlreiche Zeugen bestätigten am Dienstag den Tritt gegen den Kopf. Der Verteidiger und der Anwalt der Nebenklage erklärten, sie hätte sich inzwischen auf einen Täter-Opfer-Ausgleich geeinigt.