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Schlimmstes Jahr war 2015Jochen Ott geht nach 18 Jahren als Parteichef der Kölner SPD

Lesezeit 4 Minuten
Jochen Ott und Christiane Jäger SPD Köln

Nach 18 Jahren an der Spitze der SPD hat Jochen ott das Steuer an Christiane Jäger übergeben.

Köln – Jochen Ott stand 18 Jahre lang an der Spitze der Kölner SPD – gerade einmal 26 Jahre alt war er damals. Beim Rückblick auf diese Zeit stellt er fest, dass die Schere zwischen armen und reichen Stadtteilen aus seiner Sicht zugenommen hat. „Die Herausforderungen sind seit 2001 nicht kleiner, sondern größer geworden“, sagt Ott. Er habe stets dagegen gekämpft, dass die ohnehin Starken noch stärker werden. „Die Stadt fliegt uns auseinander, wenn die gesellschaftliche Mitte nicht mehr erkennt, was am unteren Ende passiert“, so Ott. Das bestärke zudem den Rechtspopulismus.

Jochen Ott verkündet auf einer Pressekonferenz 2002 den Rücktritt des damaligen Fraktionschefs Norbert Rüther.

Eine Analyse dieser Art ist typisch für Ott: Er macht sich regelmäßig Gedanken um gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und das Thema soziale Gerechtigkeit in allen möglichen Politikfeldern. Ott übt stets deutliche Kritik an von ihm erkannten Missständen und vertritt seinen Standpunkt vehement. Gleichzeitig stand und steht er aber ebenso oft selbst in der Kritik, sei es für die Arbeit der ehemaligen rot-grünen Landesregierung als auch für die des rot-grünen Bündnisses im Kölner Stadtrat. Aus Sicht des scheidenden SPD-Chefs müsse Politik es schaffen, für eigene Überzeugungen auch dann einzustehen, wenn es zur eigenen Abwahl führe. Anderenfalls mache sie sich überflüssig.

Martin Börschel und Jochen Ott ergänzten sich gut

„Vielleicht ist meine Sprache manchmal etwas deftig“, sagt Ott. Politische Auseinandersetzungen führe er allerdings nie auf einer persönlichen Ebene, sondern auf einer sachlichen. Weggefährten bezeichnen Ott oft als sehr emotionalen Menschen, der bei aller Leidenschaft manchmal allzu impulsiv reagiert. „Emotionalität wird in der Regel als positiv bewertet, aber im negativen Sinne kann es den einen oder anderen auch überwältigen“, sagt er selbstkritisch.

Alles zum Thema Jochen Ott

Ott und sein langjähriger Freund und Mitstreiter, der ehemaliger SPD-Fraktionschef Martin Börschel, ergänzten sich auch deshalb so gut, weil der eine das Feld der Emotionalität bespielte und der andere das der Rationalität. Beide führten auch untereinander politische Auseinandersetzungen, die sich aber hinter den Kulissen abspielten, um nach außen geschlossen aufzutreten. Die persönliche Freundschaft habe das immer überstanden, versichern beide.

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Auch bei ihren größten Erfolgen und Niederlagen sind sich Ott und Börschel weitgehend einig. Beide nennen ihren Beitrag dazu, den von CDU und FDP geplanten Verkauf der Wohnungsgesellschaften GAG und Grubo zu verhindern, als entscheidenden Moment. Gegen jede Wahrscheinlichkeit sei es direkt zum Anfang der gemeinsamen Zeit an Spitze von Partei und Fraktion gelungen, das zu vereiteln. Als Niederlage empfinden beide, dass sie den Neubau des Schauspielhauses nicht durchsetzen konnten, was im Desaster um die Kostenexplosion bei der Bühnensanierung gemündet habe.

Rückhalt suchte Jochen Ott bei seiner Familie

Seinen Rückhalt hat Ott bei seiner Familie gesucht. Seine Frau lernte er kennen, als die Kölner SPD sie aus Hamburg holte und zu ihrer Geschäftsführerin machte. Den Job gab sie allerdings auf, nachdem beide ein Paar wurden. Beide wollten keine Angriffsfläche für Vorwürfe in Richtung einer Vetternwirtschaft bieten. „Der Job des Parteichefs geht zu Lasten des Privatlebens, und ohne meine Familie wäre das nicht gegangen“, sagt Ott. Das schlimmste Jahr sei 2015 gewesen, als er erfolglos für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte. Insgesamt sei er nicht frustriert, wenn er auf die vergangenen 18 Jahre zurückblicke, weil die SPD viel erreicht und verhindert habe.

Ott bleibt der Politik als Landtagsabgeordneter erhalten, hat am Samstag aber – „freiwillig“, wie er betont – den Parteivorsitz abgegeben. Der Kölner SPD macht er Mut. Die Partei verfüge über „richtig gute Leute“ und müsse diese Kraft nun beim Neustart „auf die Straße bekommen“. Auch vor 18 Jahren, als Börschel und er die damals nach einem Spenden-Skandal extrem geschwächte SPD übernahmen, sei die Partei „erstaunlich schnell wieder da gewesen“.

Jäger erst seit 2012 in der SPD

Otts Nachfolgerin ist Christiane Jäger. Die 55-Jährige arbeitet als Abteilungsleiterin im Amt für Stadtentwicklung, war vorher stellvertretende Büroleiterin beim ehemaligen Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) und Fachreferentin beim ehemaligen Wirtschaftsdezernenten Norbert Walter-Borjans (SPD).

In die SPD trat Jäger erst 2012 ein, weil sie aktiv für eine stabile Landesregierung mit Beteiligung ihrer Partei kämpfen wollte. „Sozialdemokratische Werte haben mich aber auch vorher geprägt“, sagt sie. Der Posten der Kölner Parteichefin sei 2012 „fern ihrer Träume gewesen“. Sie habe jetzt aber das Gefühl, dass es passe und freue sich auf die Möglichkeit, Akzente zu setzen.