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Nach Unfall am Neumarkt in KölnKVB-Fahrerin droht Verfahren vor Gericht

Lesezeit 3 Minuten
KVB-Unfall Neumarkt 1

Zusammenstoß zweier Straßenbahnen am Neumarkt im November 2020.

Köln – Der folgenschwere Straßenbahnunfall am Neumarkt im November vorigen Jahres wird womöglich bald vor Gericht verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung in mehreren Fällen gegen eine 43 Jahre alte KVB-Fahrerin erhoben. „Ihr wird in der Anklage zur Last gelegt, dass sie den Unfall hätte vermeiden können, wenn sie die für den Verkehr erforderliche Sorgfalt angewandt hätte“, sagt Maurits Steinebach, Sprecher des Amtsgerichts. Konkret heißt das: Die Frau soll das Unglück nach Überzeugung der Ermittler durch mehrere Fahrfehler verursacht haben.

Die falsche Linienkennung eingegeben

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen Polizei und Staatsanwaltschaft Hinweise darauf gefunden haben, dass die Straßenbahnfahrerin vor Antritt ihrer Fahrt am 2. November mit der Linie 7 eine falsche Linienkennung ihrer Strecke eingegeben haben soll – mit der mutmaßlichen Folge, dass eine Weiche falsch gestellt gewesen sein könnte.

Mit der richtigen Kennung wäre die Bahn wohl vom Neumarkt geradeaus zum Rudolfplatz weitergefahren. Stattdessen hatte der Zug jedoch an jenem Montag gegen 8.15 Uhr einen falschen Kurs genommen. In Höhe Mauritiussteinweg bog die Linie 7 nach links ab und stieß auf der Kreuzung mit einem entgegen kommenden Zug der Linie 1 zusammen.

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Der Aufprall war so heftig, dass in angrenzenden Häusern die Wände wackelten, berichteten Anwohner damals. Das Bild der beiden völlig deformierten Fahrerkabinen, die steil in die Luft ragten, erinnerte einen Augenzeugen an „zwei kämpfende Schafböcke, die frontal aufeinander zugelaufen sind“. Laut Anklage wurden 29 Menschen verletzt, darunter der Fahrer der anderen Bahn sowie die 43-Jährige selbst. Sie hatte anfangs sogar in Lebensgefahr geschwebt. In den übrigen Fällen handelte es sich überwiegend um leichte Verletzungen.

Hat die Fahrerin ein Signal übersehen?

Die KVB will sich derzeit mit Blick auf das laufende Verfahren nicht zu dem konkreten Geschehen und zur möglichen Unfallursache äußern. Grundsätzlich aber müssten die Fahrerinnen und Fahrer vor ihrem Fahrtbeginn die betreffende Linien- und Kursnummer in das so genannte IBIS-Gerät eingeben, ein Steuerungsgerät, erläutert KVB-Sprecher Matthias Pesch.

„Diese Eingabe sorgt dafür, dass, wenn die Bahn über im Boden eingelassene Meldeempfänger fährt, die folgenden Weichen und Signale dem Kurs entsprechend gestellt beziehungsweise gelegt werden.“ Eine falsche Linieneingabe müsste den Fahrerinnen und Fahrern eigentlich auffallen, weil alle Strecken zusätzlich mit Signalen und Ampeln gesichert sind. Hat die 43-Jährige am Mauritiussteinweg ein Signal übersehen, das ihr das Abbiegen nach Links untersagte?

Um 6.50 Uhr hatte die Frau an jenem Morgen ihren Dienst begonnen und den Zug der Linie 7 zunächst von der Abstellanlage am Stadion in Müngersdorf nach Zündorf gefahren. Von dort ging es mit Fahrgästen in Richtung Innenstadt, wo sich dann kurz hinter dem Neumarkt der Unfall ereignete.

Bahn war mutmaßlich zu schnell unterwegs

Ein Gutachter soll festgestellt haben, dass die beschuldigte KVB-Fahrerin an der Unglücksstelle außerdem angeblich zu schnell gefahren ist und – selbst wenn sie bewusst nach links hätte abbiegen wollen – ohnehin zunächst die Linie 1 hätte passieren lassen müssen. Inzwischen ist die 43-Jährige von den Unfallfolgen genesen und auch wieder als Fahrerin bei der KVB im Einsatz.

Gerichtssprecher Maurits Steinebach betonte, die Anklage sei noch nicht zugelassen. Das Gericht prüft nun, ob aufgrund der Ermittlungsergebnisse ein hinreichender Tatverdacht gegen die 43-Jährige vorliegt, erst dann käme es zum Prozess. Denkbar ist auch, dass das Gericht die Anklage ablehnt oder nur modifiziert zulässt. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt für die 43-Jährige die Unschuldsvermutung. Ihr Anwalt wollte sich am Mittwoch auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen gegen seine Mandantin äußern.