Der Verteidiger spricht davon, der Angeklagte habe sich „verführen lassen“. Auch eine Freundin des Mannes ist mit angeklagt.
Prozess am Kölner LandgerichtAngeklagter verursacht mit Corona-Betrug wohl 19 Millionen Euro Schaden
Mit betrügerisch abgerechneten Corona-Tests soll ein 38-jähriger Mann einen Gesamtschaden von rund 19 Millionen Euro verursacht haben. Am Montag hat vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen ihn begonnen. Mitangeklagt ist eine 47 Jahre alte Freundin von ihm. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, sie habe als Betreiberin eines Testzentrums in Kerpen mit einem gleichgelagerten Abrechnungsbetrug einen Schaden von mehr als 800.000 Euro angerichtet.
Es ist eine von den Verhandlungen, um denen es um mutmaßliche Straftaten aus der Zeit geht, in der die Behörden möglichst unbürokratisch handelten, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Spätestens im März 2021 soll der Hauptangeklagte den Entschluss gefasst haben, als Geschäftsführer von zwei Gesellschaften ein Netz von Corona-Testzentren aufzubauen, um auf illegale Weise das schnelle Geld zu machen. Nach und nach entstanden über ein Dutzend Zentren in Köln und Euskirchen, dem Rhein-Erft-Kreis und Rhein-Kreis Neuss.
Angeklagtem wird Veruntreuung in 54 Fällen vorgeworfen
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNR) zusätzlich zu den tatsächlich erbrachten Leistungen in Wirklichkeit nicht durchgeführte Tests, angebliche ärztliche Schulungen und die vermeintliche Ausstellung von Genesenen-Zertifikaten geltend gemacht sowie Testungen fehlerhaft abgerechnet wurden; 35 Fälle listet die Anklage auf, einige davon als Versuche des Betrugs.
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Außerdem wird dem 38-Jährigen Veruntreuung in 54 Fällen zur Last gelegt: Von den Summen, die in das Vermögen der Gesellschaften flossen, soll er auf unterschiedlichen Wegen mehr als sechs Millionen Euro für sich selber abgezweigt haben. Fast 1,5 Millionen Euro habe er sich als „Privatdarlehen“ ausgezahlt. Davon habe er sich etwa Immobilien und Luxusuhren gekauft. Treffen die Vorwürfe zu, floss weiteres Geld ab, indem die Gesellschaften Scheinrechnungen von Drittfirmen beglichen.
Überdies soll der Angeklagte sich von den Einnahmen zur privaten Nutzung Solaranlagen, eine Einbauküche und eine Einbruchmeldeanlage angeschafft haben. Des Weiteren wird ihm zur Last gelegt, Urkunden gefälscht, im Geschäftsverkehr zu Unrecht einen Doktortitel geführt und Steuern hinterzogen zu haben. Als Tatzeitraum nennt die Anklage die Spanne zwischen März 2021 und Mai 2023.
Die Arbeit sei dem Betreiber der Teststellen über den Kopf gewachsen
Anwalt Ulrich Sommer, der den 38-Jährigen zusammen mit Denise Gerull vertritt, wies in einer verlesenen Einlassung den Vorwurf zurück, sein Mandant habe im März 2021 die Idee gehabt, „betrügerisch tätig“ zu werden. In einer Zeit, in der die Geschäfte einer 2017 gegründeten Gesellschaft wegen der Corona-Krise schlecht liefen, habe er, animiert von „Anfragen“, die Chance erkannt, mit dem Betrieb von Corona-Testzentren Geld zu verdienen.
Das erste Zentrum habe er noch unter Kontrolle gehabt. Mit der Eröffnung weiter Teststellen sei ihm die Arbeit über den Kopf gewachsen, sodass er dazu übergegangen sei, sie „quasi durch Subunternehmen“ führen zu lassen, im Vertrauen auf korrekte Abrechnung. Nie habe er gewusst, dass die ihm übermittelten, überhöhten Testzahlen „irreal“ sein könnten; dass es sich so verhielt, sei ihm erst durch die Einsicht in die Ermittlungsakten klar geworden.
Untersuchungshaft sei eine „Tortur“ für den Angeklagten
Allerdings habe er irgendwann mitbekommen, dass ein Zentrum in Euskirchen betrügerisch Tests meldete, die angeblich unter ärztlicher Mithilfe stattgefunden hatten. Da diese von der KVNR „problemlos vergütet“ worden seien, habe er sich „verführen lassen“, die Masche auf die anderen Testzentren, in denen ebenfalls kein Arzt tätig war, auszudehnen. Sein Mandant wisse, dass er sich mit den Zentren „übernommen“ habe und aus der Form ihrer Führung strafrechtliche Konsequenzen folgten müssten, sagte Sommer. Die gesundheitlichen Probleme des 38-Jährigen hätten sich verschärft, die Untersuchungshaft sei für ihn eine „Tortur“.
Zur Rolle der Mitangeklagten heißt es in der Einlassung, sie habe ihm „einen Gefallen“ tun wollen; er habe ihr Handy benutzt und mit ihrem Namen unterschrieben. Ihr Verteidiger Sebastian Brill warf der Staatsanwaltschaft vor, schlecht ermittelt und alles Entlastende „ignoriert“ zu haben. Seine „gutgläubige Mandantin“ habe auf die „Expertise“ ihres Freundes vertraut. Für den Prozess vor der 12. Großen Strafkammer sind 20 Verhandlungstage angesetzt.