AboAbonnieren

Anwälte greifen in TrickkisteMutmaßlicher Komplize soll Thomas Drach entlasten – „Ritt auf der Rasierklinge“

Lesezeit 3 Minuten
Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach mit seinem Verteidiger Andreas Kerkhof im Gerichtssaal des Landgerichts Köln.

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach mit seinem Verteidiger Andreas Kerkhof im Gerichtssaal des Landgerichts Köln.

Erst Mitangeklagter, nun Zeuge: Der Niederländer Eugen W. sorgt im Prozess um Thomas Drach für eine spannende Konstellation.

Kurz vor Schluss scheinen die Verteidiger im Mammut-Verfahren um Thomas Drach noch einmal tief in die Trickkiste greifen zu wollen. Obwohl er zu den Vorwürfen in seinem eigenen Prozess bisher immer geschwiegen hat, will der Mitangeklagte Eugen W. nun im Parallel-Verfahren offenbar als Zeuge aussagen – und Drach entlasten. Ungefährlich erscheint das für den 53-Jährigen nicht.

Drach-Verteidiger wollen Mitangeklagten als Zeugen

Die juristisch äußerst spannende Konstellation ist nur deshalb möglich, weil es mittlerweile zwei Verfahren gibt. Eugen W. wurde vom Hauptverfahren gegen Drach abgetrennt, da der Niederländer zuletzt gesundheitsbedingt immer wieder ausgefallen war. Auch dadurch hatte sich der aufwändige Hochsicherheitsprozess, den jedes Mal dutzende Polizisten bewachen, immer wieder verzögert.

Gegen den gesundheitlich angeschlagenen Eugen W. wird gesondert verhandelt, daher kann er als Zeuge aussagen.

Gegen den gesundheitlich angeschlagenen Eugen W. wird gesondert verhandelt, daher kann er als Zeuge aussagen.

Drachs Verteidiger hatten vergangene Woche einen Beweisantrag gestellt: Eugen W. solle als Zeuge aussagen und bekunden, dass Drach zu den tatrelevanten Zeiten in Holland gewesen sei. Somit könne Drach die verhandelten Überfälle auf Geldboten am Flughafen Köln/Bonn und in Limburg an der Lahn nicht begangen haben. Auch wolle W. erklären, dass er Drach kein Fluchtauto für einen Überfall in Frankfurt am Main zur Verfügung gestellt habe.

Kölner Anwalt spricht von „Ritt auf der Rasierklinge“

„Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge“, so bewertet der bekannte Kölner Strafverteidiger Sebastian Schölzel den Vorgang. Eugen W. tausche dann die Rollen und habe auf einmal ganz andere Pflichten. „Als Angeklagter darf man lügen, als Zeuge nicht“, erklärt Schölzel. W. könne aber natürlich zu solchen Fragen schweigen, mit deren Beantwortung er sich selbst oder Angehörige belasten könnte.

Da W. als Mittäter und Gehilfe Drachs angeklagt ist, sei es mehr als schwierig, die eigene Rolle bei den Tatvorwürfen in der Zeugenaussage außen vor zu lassen. Laut Schölzel bestünde daher grundsätzlich die Gefahr, sich womöglich unbewusst selbst ans Messer zu liefern. Sollte die Staatsanwaltschaft zudem bewusste Lügen in der Aussage sehen, dann käme zum Raub noch ein Verfahren wegen Falschaussage dazu.

Thomas Drach kommt ebenfalls als Zeuge in Betracht

Dass der Vorsitzende Richter Jörg Bern den Angeklagten Eugen W. tatsächlich als Zeuge hören will, deutete sich am Montag an. Bern wollte von W. wissen, ob dieser bereit zu einer Aussage wäre, so habe er den Beweisantrag verstanden. Eine Antwort gab es nicht, da W.s Stamm-Anwalt Wolfgang Heer nicht zugegen war. Die Frage soll am Freitag abschließend geklärt werden.

Im Verfahren gegen Eugen W. käme im Umkehrschluss nun auch Thomas Drach als Zeuge in Betracht. Einen entsprechenden Antrag gibt es allerdings noch nicht. Im Gegensatz zum Mitangeklagten hatte sich Drach im Prozess immer wieder zu Wort gemeldet. Zuletzt hatte er von einer Verschwörung gesprochen und gesagt, dass man nichts gegen ihn in der Hand habe.