Gedenkfeier auf der KeupstraßeSahin bittet um Entschuldigung und plädiert für Denkmal
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Köln – Fünfzehn Jahre nach dem Nagelbomben-Attentat auf der Keupstraße ringt Meral Sahin um Fassung. Auf der Bühne des Schauspiels Köln im ehemaligen Carlswerk hört sie die Schilderungen von Opfern, die am 9. Juni 2004 bei dem Anschlag der rechtsextremen Terrorgruppe NSU verletzt wurden. Einige kritisieren Sahin dafür, dass die Stimmen der Opfer nicht ausreichend gehört würden. Die elegant gekleidete Sprecherin der Interessengemeinschaft Keupstraße entschuldigt sich, um im selben Atemzug für das geplante Denkmal direkt am Anfang der Keupstraße zu werben. „Du wirst dort ein Teil sein, deine Stimme wird man hören“, wendet sich Sahin an eines der Opfer.
Am Sonntag haben mehrere Hundert Menschen der Opfer des Angriffes auf der Keupstraße, die als Herz des türkischen Geschäftslebens gilt, gedacht. Nach einer Schweigeminute um 15.56 Uhr erinnerte Meral Sahin an die Situation der Geschäftsleute entlang der Straße, die nach dem Anschlag im Visier der Ermittler standen. Erst 2011, als die NSU-Terroristen sich zu der Tat bekannten, ließen auch die Behörden von ihren Milieu-Theorien ab.
Scho-Antwerpes: Spaltung durch Rassismus nicht zulassen
Zu einem Podiumsgespräch über den 2018 zu Ende gegangenen NSU-Prozess waren neben Sahin auch Vertreter der Nebenklage nach Mülheim gekommen. Alle machten ihrem Ärger und der Frustration über das umfangreichste Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte Luft. Eine einzige Enttäuschung sei der Prozess gewesen, sagte etwa Seda Basay-Yildiz, die nicht mehr mit einer vollständigen Aufklärung rechnet. Zwar seien mit Beate Zschäpe und einigen Gehilfen mehrere Täter verurteilt worden, doch das ganze Ausmaß des Terror-Netzwerks bleibe weiterhin verborgen.
Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes wandte sich an alle Kölner und rief sie dazu auf, eine Spaltung der Stadtgesellschaft durch Rassismus und Ausgrenzung nicht zuzulassen. Sie erinnerte auch die Flugblätter, die einige Tage vor der Gedenkfeier rund um die Keupstraße verteilt worden waren. Darauf waren Hakenkreuze und Gewaltaufrufe zu sehen, zu den möglichen Hintergründen ist laut Polizei bislang nichts bekannt.
Außerdem sprach sich Scho-Antwerpes ausdrücklich für den Bau des geplanten Denkmals aus, das auf einem nahegelegenen Eckgrundstück entstehen soll. Seit Jahren herrscht Streit darüber, ob auf dem Gebiet eines privaten Investors gebaut werden kann. In einem offenen Brief wenden sich nun verschiedene Kulturschaffende an die Stadt und fordern „ein verantwortungsvolles Zeichen“. Ulf Aminde, der das Denkmal entworfen hat, sagte, man sei fassungslos über die Verzögerungstaktik und den „Kniefall“ vor den Investoren. Noch vor wenigen Tagen hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärt, dass es nach wie vor keine Klarheit über die Zukunft des Gedenkortes gibt.