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Autofahrerin erschlagenProzess-Neustart in Köln – Staatsanwalt wehrt sich gegen „Stimmungsmache “

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November 2020: Eine aus der Lärmschutzwand herabfallende Betonplatte traf den VW Polo und tötete die Insassin.

November 2020: Eine aus der Lärmschutzwand herabfallende Betonplatte traf den VW Polo und tötete die Insassin.

Abermals beteuerte der hauptbeschuldigte Bauingenieur im Landgericht seine Unschuld.

Alles auf Anfang hieß es am Montag beim Strafprozess um die herabgestürzte Betonplatte auf der Bundesautobahn 3 bei Dellbrück und den Tod einer 66-jährigen Autofahrerin. Grund war eine fehlerhafte Schöffenauswahl beim ersten Durchgang. Angeklagt sind drei studierte Bauingenieure, die in ihrem Job durch „fortgesetztes Nichtstun“ in Bezug auf eine falsch montierte Lärmschutzwand einen möglichen Tod von Autofahrerin billigend in Kauf genommen oder fahrlässig versucht haben sollen.

Köln: Vorwurf des Totschlags durch Unterlassen gegen Ingenieur

Der schwerste Vorwurf, der des Totschlags durch Unterlassen, richtet sich gegen einen damaligen Bereichsleiter der Firma, die vor fast 20 Jahren mit dem achtspurigen Ausbau der A3 zwischen den Anschlussstellen Dellbück und Köln-Ost beauftragt worden war. Dazu gehörte auch die Errichtung von 200 Schallschutzplatten. Bei sieben dieser jeweils sechs Tonnen schweren Betonwände soll es zu Problemen bei der Montage gekommen sein. Was dann kam, war laut Anklageschrift Pfusch am Bau.

Laut Oberstaatsanwalt René Seppi seien nicht geeignete Haltewinkel verbaut und „eigenmächtige Schweißerarbeiten“ getätigt worden. Danach habe kein ausreichender Korrosionsschutz bestanden. Viele Jahre später, am 13. November 2020, kam es zur Katastrophe. Als die 66-Jährige auf dem Weg zu ihrer Mutter mit ihrem VW Polo auf der A3 unterwegs war, löste sich eine der 2,50 mal 5,30 Meter großen Betonplatten. Die Frau wurde in ihrem Auto erschlagen und starb noch vor Ort.

Köln: Angeklagter soll statisches Gutachten ignoriert haben

Dem heute 62-jährigen früheren Bereichsleiter der Baufirma wirft die Staatsanwaltschaft vor, ein statisches Gutachten ignoriert zu haben, das bereits früh auf eine fehlende Tragfähigkeit der improvisierten Konstruktion hingewiesen hatte. Nachbesserungen seien unterblieben. Der Angeklagte habe daher mit einem Unglück rechnen müssen. Zwei früheren Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßenbau.NRW wird fahrlässige Tötung vorgeworfen, da sie sich nach einer vorläufigen Abnahme nicht weiter gekümmert hätten.

In einem Eröffnungsstatement wies Verteidigerin Kerstin Stirner den Vorwurf des Totschlags gegen ihren Mandanten abermals vehement zurück. Als Bereichsleiter sei der Angeklagte in mehrere Bauprojekte parallel involviert, aber gerade nicht voll eingebunden gewesen. Zuständig für die Montage vor Ort und die Berechnungen der Statik sei der Bauleiter gewesen. Der sei aber bereits verstorben. Man könne stattdessen doch nicht einfach den Bereichsleiter anklagen, so die Anwältin.

Kölner Oberstaatsanwalt spricht von Stimmungsmache

Der Vorwurf des bewussten Inkaufnehmens von Todesopfern sei schon deshalb abwegig, da der Ingenieur „ja sogar regelmäßig selbst an der Stelle vorbeigefahren ist“, erklärte die Verteidigerin. Und der Mandant sei nicht lebensmüde. Stirner betonte, dass das Unglück ohnehin geschehen wäre, da die an der Wand verarbeiteten und laut Gutachten nicht monierten Hammerkopfschrauben nachgegeben hätten. Dem Staatsanwalt warf die Juristin vor, nicht ausweichend ermittelt zu haben.

Oberstaatsanwalt Seppi entgegnete, dass die Hauptverhandlung dazu da sei, den Sachverhalt vollends aufzuklären, es seien ja schließlich 26 Hauptverhandlungstage angesetzt. „Und wenn sich am Ende des Tages herausstellen sollte, dass es ein tragisches Unglück war, dann war das eben so“, sagte Seppi. Dem Eröffnungsstatement der Verteidigerin wollte Seppi indes nichts abgewinnen. Dies sei „Stimmungsmache“ gewesen, denn immerhin habe auch das Landgericht den hinreichenden Tatverdacht bejaht und das Hauptverfahren entsprechend eröffnet. Der Prozess wird fortgesetzt.