Die Zahlen steigen, die Viruslast im Abwasser auch. Wird die Corona-Lage in Köln noch einmal bedrohlich? Ein Überblick.
Kommt die nächste Winter-Welle?So steht es um die Verbreitung des Coronavirus in Köln
Die Zahl der Corona-Viren im Kölner Abwasser steigt wieder an. Das belegen neue Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Anfang Oktober. Auch die Zahl der wöchentlichen positiven PCR-Tests hat sich zuletzt binnen drei Wochen in Köln etwa verdoppelt.
Es sind Trends, die ebenso wie die häufiger werdenden Masken im Nahverkehr an die Corona-Winter der vergangenen Jahre erinnern, obwohl das Thema im Sommer doch eigentlich schon abgeschrieben war. Saisonbedingt rollt mit der Winterzeit nun aber zumindest die nächste Krankheitswelle auf Köln zu. Wie verhält es sich mit dem Coronavirus in diesem Jahr?
135 positive PCR-Tests vermeldet die Stadt für die Woche vom 16. bis zum 22. Oktober. Der Wert ist in den vergangenen Wochen erkennbar angestiegen, ist aber noch weit entfernt von pandemischen Zuständen. Das liegt auch daran, dass Corona-Tests, die in die Statistiken der Behörden einfließen, inzwischen sehr selten sind. Selbsttests werden nicht erfasst. Die Stadt Köln geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Etwas mehr Aufschluss über die Entwicklung der Lage geben also Daten zur Viruslast im Abwasser, gemessen werden diese im Klärwerk Köln-Stammheim. Anfang Oktober sind diese laut RKI, an das die Daten über Gesundheitsamt und Bundesumweltamt übermittelt werden, wieder steigend. Das heißt: Der Wert ist um mindestens 15 Prozent gestiegen. Gefallen sind die Zahlen seit Monaten nicht.
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Corona in Köln: „Wir nehmen in den Praxen wahr, dass die Zahlen steigen“
Den Eindruck einer zunehmenden Zahl an Infektionen teilt auch Jan Schirmer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Köln. „Wir nehmen in den Praxen wahr, dass die Zahlen steigen. Die aktuell dominante Variante ist zwar nicht sehr aggressiv, für Risikopatienten ist sie aber dennoch eine Gefahr.“ Auch für die kommenden Wochen prognostiziert er einen deutlichen Anstieg. Patienten über 60 Jahren rät er daher, wie vom RKI empfohlen, sich impfen zu lassen – wenn die letzte Impfung mehr als ein Jahr zurückliegt. Gerade sei dafür der richtige Zeitpunkt, „denn jetzt sind wir noch vor der großen Welle“, so Schirmer.
Während Corona in den Praxen wieder präsenter ist, ist die Lage in den Kölner Krankenhäusern „derzeit entspannt“, sagt unter anderem Jürgen Lutz, Ärztlicher Direktor des St. Vinzenz-Hospitals in Nippes. Als Aufnahmegrund für die Intensivstation sei das Virus in seinem Haus aktuell eine Rarität. Ärzte aus weiteren kirchlichen Krankenhäusern des Cellitinnen-Verbundes bestätigen diesen Eindruck.
Kölner Uniklinik meldet null Covid-Intensivpatienten
Damit ist Köln deutschlandweit keineswegs eine Ausnahme. Auf den Intensivstationen werden laut der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) aktuell 601 Patienten mit Corona-Infektion behandelt, zwei Drittel davon aufgrund von Covid-19. „Zum Vergleich: In der Spitze der Pandemiewellen waren es etwa 6000“, betont Christian Karagiannidis, DIVI-Präsident und Lungenarzt am städtischen Klinikum in Merheim. Der Trend der vergangenen Wochen – steigende Infektionen und zugleich wenig schwer erkrankte Patienten – spreche für eine breite Bevölkerungsimmunität. In der Uniklinik liegt einem Sprecher zufolge aktuell kein einziger Covid-Intensivpatient.
Die bewährten Hygieneregeln zum Schutz vor Corona-Infektionen spielen trotzdem auch in diesem Herbst in den Krankenhäusern eine wichtige Rolle. Schutzmaßnahmen können entsprechend der Infektionszahlen und des Patientenaufkommens schnell reaktiviert werden. „Jedoch wird kein Patient ohne zwingenden Grund isoliert“, sagt Jürgen Lutz.
Insgesamt stellen sich die Kölner Krankenhäuser auf einen kontrollierbaren Verlauf der Corona-Krankheitswelle ein. Ein exponentielles Wachstum, das die Häuser noch in den vergangenen Jahren an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht hatte, sei nicht feststellbar. Dennoch gelte in allen Häusern „erhöhte Wachsamkeit“, sagt etwa Lothar Burghaus, Ärztlicher Direktor am Heilig Geist-Krankenhaus in Longerich. Pläne für ein unvorhergesehenes Ausbruchsgeschehen liegen vor, auch wenn niemand damit rechne.
„Das Hauptproblem“, sagt Karagiannidis, „wird in diesem Winter nicht Corona sein, sondern die Influenza werden.“ Doch ob Covid- oder Grippeschutz, um unnötige Ausbreitungen von Infektionen zu verhindern, sei auch in diesen Wintermonaten die Maske das Mittel der Wahl. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, sieht das auch so: „Grundsätzlich gehe ich aber eher von einer starken Grippe-Welle als von einer starken Corona-Welle aus.“ Aber: „Die besondere Gefahr durch Covid-19 besteht weiterhin darin, dass das Immunsystem durch eine Infektion beschädigt werden kann.“ In den städtischen Kliniken gebe es für Mitarbeitende außerdem freien Zugang zu Impfungen – sowohl gegen Influenza als auch gegen Covid-19. Diese „bieten vor allem in den ersten drei Monaten einen guten, wenn auch nicht perfekten Infektionsschutz“, so Karagiannidis.
Ebenso wie das gesellschaftliche Bewusstsein ist in den vergangenen Jahren auch der wissenschaftliche Blick auf Erkältungsviren geschärft worden. Das Gesundheitsamt setzt die Studie „Cologne Corona Surveillance“ (Cocos), die während der Pandemie Hinweise zur Corona-Dunkelziffer und zur Akzeptanz von Infektionsschutzmaßnahmen geliefert hat, gemeinsam mit der Uniklinik fort. Unter dem neuen Namen „Cologne Cohort Study“ (Kölner Kohorten-Studie) etablieren die Forscher ein dauerhaftes Gesundheits-Monitoring, um aktuelle Trends auch bei anderen Infektionskrankheiten frühzeitig zu erkennen. Wöchentlich bekommen die Teilnehmer einen kurzen Fragebogen zu ihrem Erkältungsstatus, sodass Infektionstrends in Köln künftig früher und präziser erkannt werden können.
Dass dem Coronavirus in diesem Winter eine ähnliche Bedeutung zukommt wie in den vergangenen Jahren, scheint kaum vorstellbar. „Wir gehen weiter von einem stabilen Verlauf aus und sehen keinen Anhalt für ein Nachlassen der breiten Bevölkerungsimmunität“, so Christian Karagiannidis. Mit Blick auf Risikogruppen sei aber weiterhin Vorsicht geboten: „Eine Ausnahme bilden immunsupprimierte und hochaltrige Patienten, die auch jetzt noch ein erhöhtes Risiko haben, schwerer zu erkranken.“