Köln – Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist mit ihrem Vorschlag gescheitert, den Rat wegen der Corona-Krise pausieren zu lassen. Die Stadtchefin wollte sämtliche Befugnisse der höchsten politischen Vertretung Kölns dem wesentlich kleineren Hauptausschuss übertragen lassen. Mit ihrer Absicht, die sie mit dem Infektionsschutz begründete, ist die parteilose Oberbürgermeisterin auf eine breite Ablehnung gestoßen; bei ihren Unterstützern von CDU und Grünen ebenso wie bei ihren politischen Gegnern.
„Wir erleben derzeit eine Gesundheitskrise, keine Demokratiekrise“, sagte SPD-Fraktionschef Christian Joisten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es kann nicht sein, dass Oberbürgermeisterin Reker den erklärten Willen aller demokratischen Fraktionen im Stadtrat ignoriert und der Politik ihre grundlegenden Rechte nehmen will.“
Möglichkeit für einen befristeten Machtverzicht
Die Möglichkeit für einen befristeten Machtverzicht hat das Land Nordrhein-Westfalen im vorigen Monat durch eine Änderung der Gemeindeordnung geschaffen. Demnach kann ein Stadtrat ihm obliegende Entscheidungen aus der Hand geben, wenn der Landtag „eine epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ feststellt. Eben das ist für den Zeitraum bis zum 14. Juni der Fall. Für das Delegieren der Aufgaben an den Hauptausschuss bedarf es einer Zweidrittelmehrheit des Rates.
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Reker wollte die für diesen Donnerstag geplante Sitzung des Rates ausfallen lassen und stattdessen eine Sitzung des Hauptausschusses einberufen. Die Fraktionen teilten ihr jedoch mit, sie seien nicht einverstanden mit dem Verfahren.
Schutz vor Ansteckungen in Corona-Krise
Dem Stadtrat gehören einschließlich der Oberbürgermeisterin 91 Politikerinnen und Politiker aus sechs Fraktionen sowie mehreren kleineren Gruppierungen an. Um einen Beschluss zu fällen, müssen mindestes 46 Ratsmitglieder anwesend sein. Eine solche Anzahl lasse sich im Ratsaal nicht unterbringen, wenn die zum Schutz vor Ansteckungen geforderten Mindestabstände von 1,5 Metern eingehalten werden sollen, so Reker. Sie halte es deshalb für sinnvoll, den mit 13 stimmberechtigten Vertretern der SPD, der CDU, der Grünen, der Linken und der FDP sowie ihr selber besetzten Hauptausschuss entscheiden zu lassen. Vertreter kleinerer Gruppierungen sollten zumindest Rederecht erhalten.
Wie weit soll der Staat in einer Krise wie dieser politische Abläufe einschränken? Ist Rekers Wunsch berechtigt? Nein, findet der überwiegende Teil der Mandatsträger im Rathaus. „Der Stadtrat als das wichtigste Organ der Demokratie vor Ort“ sollte unbedingt tagen“, betont CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz – wenn dabei die Hygiene- und Abstandsregeln ohne zu großen Aufwand einzuhalten sind“. Damit demonstriere man, „dass Demokratie in dieser schwierigen Zeit gelebt wird und funktioniert“.
Maßnahmen des Krisenstabes kritisch begleiten
Grünen-Fraktionschefin Brigitta von Bülow äußert sich ähnlich: „Uns geht es darum, dass wir als Ratsmitglieder insgesamt unserer Verantwortung als Mandatsträger nachkommen. Wir wollen die Maßnahmen des Krisenstabes kritisch begleiten und dabei auch eigene Akzente zu setzen“. Das betreffe beispielsweise „Fragen des weiteren Krisenmanagements und des Erhalts von Strukturen“.
Reker und Stadtdirektor Stephan Keller (CDU) als Chef des Krisenstabes hätten bereits mehrfach versucht, „den Rat in seiner Arbeit in der Coronazeit einzuschränken“, kritisiert der Fraktionssprecher der Linken, Jörg Detjen. Die FDP, so deren Fraktionsvorsitzender Ralph Sterck, habe sich im vorigen März „unter viel schwierigeren Bedingungen für die Durchführung der Ratssitzung in verkleinerter Stärke“ eingesetzt.
Zustimmung findet Reker bei den Freien Wählern
Damals tagte das Gremium im Gürzenich. „Dahinter wollen wir in der aktuellen Lockerungsphase nicht zurückstecken.“ Thor Zimmermann von der Ratsgruppe Gut führt das gleiche Argument an: „Draußen können wir endlich wieder einen Kaffee zusammen trinken, und drinnen im Saal soll sich der Rat nicht mehr treffen?“
Zustimmung findet Reker bei den Freien Wählern. Deren einziger Mandatsträger Walter Wortmann: „Wir reden über Entscheidungen in Krisenzeiten, und da würde der Hauptausschuss nach dem Prinzip der Notwendigkeit und Dringlichkeit entscheiden.“ Er hätte sich jedenfalls über das mit der Änderung verbundene Teilnahme- und Rederecht der Gruppen und Einzelmandatsträger im Hauptausschuss gefreut.