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Aufstehen für die Demokratie„Es reicht nicht nur zu sagen: Nazis sind scheiße“ – wie Kölner sich engagieren

Lesezeit 9 Minuten
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Was haben Sie zuletzt für die Demokratie getan? Menschen aus Köln und der Region antworten auf diese Frage.

Wir fragen tolle Menschen in Köln und Region: Was haben Sie zuletzt für die Demokratie getan? Als kleine Inspiration für alle, die auch aktiv werden möchten.

Was mache ich eigentlich für die Demokratie, für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft? Eine interessante Frage, die jeder und jede sich gut selbst stellen kann. Wir haben sie prominenten Menschen aus Köln gestellt – und das sind ihre Antworten.

Juri Rother singt bei Planschemalöör.

Juri Rother singt bei Planschemalöör.

Juri Rother, Sänger der Kölner Band Planschemalöör

Was hast du zuletzt ganz konkret für die Demokratie getan?

Ich habe mir für den Urlaub zwei Bücher mitgenommen. Ein Buch zur reinen Unterhaltung und ein Buch für den durchgepeitschten After-Karnevalskopf, und zwar „Die Gesellschaft der anderen“ von Naika Foroutan. Und ein Blickwinkel darin ist, dass die Demokratie den Rassismus bekämpfen muss durch die Aufhebung bestehender Ungleichheiten zwischen sozialen Gruppen. Es reicht nicht nur zu sagen: Nazis sind scheiße. Das ist voll schade, weil es so schön einfach wäre.

Wie engagierst du dich gegen Rechtsextremismus?

Ich fange bei mir selbst an und versuche mich im Austausch mit anderen Menschen zu sensibilisieren. Ich möchte nicht in meiner progressiven Filterblase schwimmen, sondern versuche, die Lücke zu Menschen mit konservativen Denkansätzen zu schließen, um sich gemeinsam vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Der 20-jährige Juri wäre wohl deutlich radikaler in seinen Ansichten gewesen, aber inzwischen mache ich mich lieber auf die Suche nach dem, was uns verbindet und nicht nach dem, was uns trennt. Ein guter Ort dafür sind unsere Konzerte. Wir beobachten, dass unser Publikum immer diverser wird und das freut uns voll!

Was bedeutet Vielfalt für dich?

Vielfalt ist für mich primär eine Chance, über meinen eigenen Tellerrand zu schauen. Neue Dinge von und über Andere zu lernen und als Folge dessen über mich selbst. Vielfalt ist die Chance auf Fortschritt und ich glaube, Fortschritt ist immer etwas Tolles.


Henning Krautmacher.

Henning Krautmacher.

Henning Krautmacher, Sänger und Ex-Höhner-Frontmann

Was haben Sie zuletzt konkret für die Demokratie getan?

In Interviews, Podcasts oder Pressegesprächen, die ich - trotz meines Abschieds von der Livemusik-Bühne - in den zurückliegenden Monaten bedient habe, war der erkennbare Rechtsruck in Deutschland oft ein Thema. Mein öffentlicher Appell lautet: Wachsam bleiben, damit wir ein freiheitlich, demokratisches Land in einem geeinten Europa bleiben. Die AfD verfolgt dieses Ziel nicht. Remigration ist für mich - zu Recht - Unwort des Jahres, wenn nicht des Jahrhunderts.

Warum ist es gerade jetzt wichtiger denn je, Stellung zu beziehen?

Die AG-Arsch huh, Zäng usenander, hat sich vor mehr als drei Jahrzehnten gegründet um einer rechtsextremen Minderheit den Nährboden zu nehmen. Zur damaligen Zeit haben sich solche rechtsextremen Gruppierungen oft nur wenige Jahre am Leben halten können. Leider ist es im Falle der AfD nicht so. Das bedeutet für mich, dass wir definitiv zu lange gewartet haben, bevor es zu Massenprotesten gegen die rechtsextreme Entwicklung gekommen ist. Jetzt ist größte Eile geboten, den Arsch hoch zu kriegen und seine Stimme gegen rechte Ideologien zu erheben.

Was sollte jede und jeder von uns tun?

Die aktuellen Massenproteste allein genügen nicht, um dafür zu sorgen, dass bei den kommenden Wahlen das Kreuzchen der Wähler, ausschließlich den demokratischen Parteien gilt. Wir müssen auch wieder „klein denken“. Rassistischen Sprüchen und/oder Naziparolen und Symbolen, denen man im persönlichen, engeren Umfeld begegnet, muss man unmittelbar entgegentreten. Es ist ein großes Maß an Überzeugungsarbeit erforderlich, um unsere nächsten Mitmenschen davon zu überzeugen, dass wir eine durch und durch demokratische Welt anstreben müssen. Unser aller Zukunft wird es nur im globalen Miteinander geben.



Schauspielerin Annette Frier.

Schauspielerin Annette Frier.

Annette Frier, Kölner Schauspielerin

Was haben Sie zuletzt ganz konkret für die Demokratie getan?

Pffffff….. das geht ja grad erst los, mit Demos etc, dass uns das klar wird ….dass sie nicht selbstverständlich ist, die Lebensbegleiterin Demokratie. Von großen Taten gibt es also nichts zu berichten, aber ich bin wenigstens aufgewacht aus meinem Dornröschenschlaf , soviel kann ich berichten!

Wie engagieren Sie sich gegen Rechtsextremismus?

Dialog suchen. Unangenehmen Gesprächen nicht aus dem Weg gehen! Auf die Straße gehen! Mich verbinden mit der großen Mehrheit.

Was bedeutet für Sie Vielfalt?

Vielfalt ist die Überschrift der Welt, in der ich leben möchte.


Ines Westernströer, Schauspielerin

Ines Westernströer, Schauspielerin

Ines Westernströer, Schauspielerin

Was haben Sie zuletzt ganz konkret für die Demokratie getan?

Puh schwierige Frage ...

Ich gehe wählen, ich lese Zeitung, ich informiere mich, ich suche den Austausch mit anderen Menschen.

Wie engagieren Sie sich gegen Rechtsextremismus?

Ich war mit Freunden bei den beiden großen Demos in Köln gegen die AFD. Mich hat berührt, wie viele Menschen da zusammengekommen sind und wie laut und präsent die vermeintliche ‚schweigende Mehrheit’ plötzlich war.

Ich hoffe sehr, dass das auch bei den kommenden Wahlen seine Wirkung zeigt.

Was bedeutet für Sie Vielfalt?

Für mich bedeutet Vielfalt ein Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Religionen und Geschlechtsidentitäten. Ein Zusammenleben, in dem keiner ausgeschlossen, herabgesetzt, benachteiligt oder angegriffen wird.


Stephan Grünewald, Leiter des Rheingold Instituts.

Stephan Grünewald, Leiter des Rheingold Instituts.

Stephan Grünewald, Rheingold-Institut

Was haben Sie zuletzt ganz konkret für die Demokratie getan?

Wir haben beim „rheingold“-Institut im Januar spontan eine Eigenstudie erstellt zu den Motiven, aus denen heraus die Menschen in Massen gegen den Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße gehen. Wir haben nach den Chancen, aber auch den Gefahren gefragt und sind mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen – als Beitrag zur Diskussion und Meinungsbildung. In meinen Stellungnahmen, gerade auch in meinen Kolumnen für den „Kölner Stadt-Anzeiger“, rufe ich zum Ausbruch aus der Entzweiungslogik auf und setze mich dafür ein, dass die Gesellschaft im Gespräch bleibt. Ein wichtiger Beitrag dazu wäre meines Erachtens ein soziales Pflichtjahr, das die Menschen zumindest eine Zeitlang aus ihren Blasen und Silos herausholen und ihnen zeigen würde: Es gibt auch noch andere Lebenswelten als die eigenen, und man kann sie miteinander in Verbindung bringen.

Wie engagieren Sie sich gegen Rechtsextremismus?

Ich bin Ende Januar mit meiner Frau zur großen Demonstration auf der Deutzer Werft gegangen, um ein Zeichen zu setzen.

Was bedeutet für Sie Vielfalt?

In Carl Zuckmayers Drama „Des Teufels General“ gibt es eine Stelle, die zu meinen Lieblingstexten gehört. Da wird bei der Beschreibung des rheinischen Adels davon erzählt, wer hier alles am Rhein gelebt, gesoffen und Kinder gezeugt hat. Ein bisschen die literarische Version des kölschen „Stammbaums“ von den Bläck Fööss. Die gemeinsame Quintessenz: Vielfalt ist, wenn es gelingt, die unterschiedlichsten Lebensstränge – Ethnien, Kulturen, Weltanschauungen – miteinander zu vertäuen. Das gelingt durch gemeinsame Aufgaben und gemeinsame Gestaltung von Wirklichkeit.


Jürgen Domian

Jürgen Domian (Archivbild)

Jürgen Domian, Moderator

Jede Form von Extremismus – ob von links, rechts oder religiös motiviert – gefährdet die Demokratie


Die deutsche Schauspielerin, Autorin, Moderatorin, Produzentin und ehemalige Fußballspielerin Shary Reeves

Die deutsche Schauspielerin, Autorin, Moderatorin, Produzentin und ehemalige Fußballspielerin Shary Reeves

Shary Reeves, Moderatorin, Journalistin und Ex-Fußballerin

Ich stehe auf, weil Demokratie nur gelingt, wenn jeder begreift, dass sie bei ihm und ihr selbst beginnt. Sie gelingt nur, wenn sich jede Bürgerin und jeder Bürger daran beteiligt. Über die Landesgrenzen hinaus – denn es gibt eine Hoffnung, die uns alle verbindet. Die Hoffnung nach Frieden, Freiheit und Miteinander.


Stadtdechant Robert Kleine (Archivbild)

Stadtdechant Robert Kleine (Archivbild)

Robert Kleine, Stadtdechant in Köln

Demokratie ist für mich die beste Gesellschaftsform. Denn sie sichert Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit. Die Demokratie tritt ein für die Menschenrechte und verteidigt diese. In vielen Ländern dieser Erde ist all das nicht selbstverständlich. In Autokratien und Diktaturen gehen Menschen für das Recht auf freie Wahlen auf die Straße.

Deshalb ist es für mich, der ich dankbar in einer Demokratie leben darf, selbstverständlich, dass ich mein Wahlrecht wahrnehme und von der Kommunal- bis zur Europawahl wählen gehe! Und wenn unsere Demokratie angegriffen wird von außen oder wie im Moment auch von innen, ist für mich klar, dass ich aufstehe und auch auf Demos eintrete für die Demokratie in unserem Land und in aller Welt


Cordula Stratmann (Archivbild)

Cordula Stratmann (Archivbild)

Cordula Stratmann, Kabarettistin

Ich stehe auf für ein Land, in dem niemand einem anderen seine Daseinsberechtigung absprechen will.


Der Schauspieler Dietmar Bär (als Freddy Schenk)

Der Schauspieler Dietmar Bär

Dietmar Bär, Schauspieler

Ich stehe auf, weil ich nie die Frage hören möchte, warum habt ihr damals nichts gemacht?


Der Kölner Künstler Cornel Wachter bei einer Fotoausstellung in der Lanxessarena, Porträt vor der Arena

Cornel Wachter (Archivbild)

Cornel Wachter, Künstler

Was hast Du zuletzt ganz konkret für die Demokratie getan?

24 Stunden das, was ich die ganze Zeit tue, Kunst und soziales Engagement zur Beantwortung der Frage, „Gesellschaft oder Gemeinschaft“. Gemeinschaft ist die Antwort und für dieses Leben scheinen mir demokratische Strukturen Voraussetzung, also muss ich täglich daran arbeiten, dass dies nicht verloren gehen. „Konkret“ zum Beispiel, indem ich Prof. Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald/Mittelbau Doro, nach Köln in die Ubierschänke zum Gespräch mit dem Zigeunermusiker Markus Reinhardt, dem Ev. Pfarrer Mathias Bonhoeffer, Pfarrer Hans Mörtter, Bezirksbürgermeister Andreas Hupke und dem Publikum einlade und so ein Abend zu Bildung und Verfestigung einer klaren Haltung gegen antidemokratische Tendenzen wirken darf.

Wie engagierst du dich gegen Rechtsextremismus?

Ich habe die Dokumentation der Puppensitzung 2024 über „Jeckstream“ mit Freunden, der PSD-Band West e., der Volksbank Köln Bonn, der KG Fidele Fortuna und mit Thomas Hackenberg möglich gemacht, da diese Sitzung ein klares Ausrufezeichen gegen Rassismus, für Toleranz und Weltoffenheit setzt.

Unserem NRW-Ministerpräsidenten empfahl ich, sich diese Sitzung über www.haenneschen.tv anzuschauen und er war beeindruckt und schrieb spontan sein Grußwort an das Hänneschen-Theater anlässlich dieser großartigen Ensembleleistung und des 222. Geburtstags, den unser Kölsch Hänneschen Theater in 2024 feiert. Hendrik Wüst spricht da von „klarer Kante“, die das Theater zeigt. Schön, dass dies viele Menschen in Köln und weltweit durch vielfache Veröffentlichungen lesen konnten. Da macht sich mein Engagement gegen Rechtsextremismus bemerkbar, zeigt Wirkung.

Was bedeutet für dich Vielfalt?

Vielfalt ist immer eine Bereicherung. Ohne die griechischen Handwerker und Künstler, die sich durch Kaiserin Theophanu um 988 um St. Pantaleon in Köln angesiedelt haben, hätten wir nicht so früh „gelernt mit Messer und Gabel zu essen“, sprich die Griechen haben uns hohe Kultur mitgebracht, Bauwesen, künstlerische Ausstattung, Handel, kulinarische Bereicherungen. Letzteres haben wir noch mal auch durch die Italiener und Türken erlebt, was wären wir ohne Pizza und Döner - oft hungrig.

Wenn unser DHL-Bote Vladimir von der Elfenbeiküste uns ein Paket reicht und meine Frau und ich uns an seiner immer lebensfrohen Art erfreuen dürfen, spüren wir die Kraft der Vielfalt. Wenn ein Briefbote mit rosa gefärbtem Haar und lackierten Fingernägeln eine Sendung reicht, freuen wir uns, dass gelebte Vielfalt uns anspricht, „mir sinn all all all nur Minsche“. Und wenn eine Oberärztin mit Kopftuch mir im Krankenhaus erklärt, wie sie an mir eine Operation plant, dann sage ich mir, „Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch“.


Weitere Inhalte unseres Schwerpunkts „Aufstehen für die Demokratie“ finden Sie hier.