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Anrufen und HinhörenTelefonseelsorge in Köln ist zur Weihnachtszeit besonders gefragt

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Annelie Bracke leitet die katholische Telefonseelsorge.

Köln – Es war an einem Tag im Advent, als der wohnungslose Mann bei der katholischen Telefonseelsorge Köln anrief. Man hätte sich zahlreiche Themen vorstellen können, worüber er mit Leiterin Annelie Bracke (59), die an diesem Tag Dienst hatte, hätte sprechen wollen. Armut, Einsamkeit, fehlende Familie. Aber der obdachlose Mann hatte nur einen Wunsch – an einer Christmette während der Weihnachtstage teilzunehmen.

„Er hatte Angst, dass die Menschen in der Kirche ihn ablehnen könnten“, erinnert sich Bracke. Sie ermutigte den Mann, den Gottesdienst zu besuchen. Ob er es tatsächlich gemacht hat, weiß Bracke freilich nicht. Geschichten bei der Telefonseelsorge haben oft ein offenes Ende, weil sich die Anrufer nicht zurückmelden.

„Before you commit suicide, ring me up!“

Die Telefonseelsorge geht zurück auf eine Initiative des Londoner Pfarrers Chad Varah, der 1953 auf der Beerdigung einer Frau sprach, die Suizid begangen hatte. Varah dachte sich, die Frau hätte sich vielleicht nicht das Leben genommen, hätte ihr beizeiten jemand zugehört. In einer Londoner Tageszeitung schaltete er eine Anzeige mit dem Aufruf: „Before you commit suicide, ring me up!“ – „Bevor Sie Selbstmord begehen, rufen Sie mich an!“

Die Idee machte Schule und wurde 1956 in Berlin übernommen. 1979 wurde die telefonische Seelsorge der katholischen Kirche auf Wunsch des damaligen Kardinals Joseph Höffner in Köln gegründet. Pfarrer Burkhard Boxler wurde zum Leiter ernannt, der erste Anruf ging am 4. Juni, am Pfingstmontag, ein.

13 500 Menschen rufen im Jahr bei katholischer Telefonseelsorge in Köln an

40 Jahre später hat sich die telefonische Seelsorge etabliert. 13 500 Menschen riefen im vergangenen Jahr bei Bracke und ihren drei hauptamtlichen und 70 ehrenamtlichen Helfern an – etwa 40 pro Tag. Das Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr besetzt. Die meisten Anrufer sind zwischen 40 und 70 Jahre alt, Frauen rufen häufiger an als Männer. Erstaunlich: 20 Prozent aller Anrufer legen auf – ohne etwas zu sagen. Über die Gründe kann man nur spekulieren.

Leiterin Bracke ist ausgebildete Psychologin und Theologin und seit 1992 im Seelsorge-Team. Seit dem Jahr 2000 leitet sie die Einrichtung. Beratungstelefone hatte sie bereits in der Schweiz kennengelernt, wo sie ein Jahrespraktikum bei der Organisation „Die dargebotene Hand“ absolvierte.

„Ich bestehe nur noch aus Scherben“

Bracke und ihre Mitarbeiterinnen können berührende Geschichten erzählen. Wie die von einer Frau, die Gewalt in der Familie erfahren hatte. „Etwas ist kaputt gegangen“, sagte sie, „ich bestehe nur noch aus Scherben“. Von dem Mann, der nach 30 Jahren Ehe von seiner Frau verlassen wurde und sich vor den Kopf gestoßen fühlte. Von Menschen, bei denen Suizid ein Thema ist – immerhin mehr als 800 im Jahr.

Einmal rief ein Junge an, dessen Mutter gestorben war und dessen Vater sich immer mehr zurückzog. „Das Kind fühlte sich auch vom Vater verlassen“, erinnert sich Bracke. Die Psychologin riet dem Jungen, seinem Vater einen Brief zu schreiben, in dem er seine Gefühle zum Ausdruck bringen konnte.

Telefonseelsorge in Köln: Gespräche über Hoffnung und Tod

Eine Geschichte ist in einem Band festgehalten, den die Seelsorge zum 25. Jahrestag gestaltet hat. Eines Abends, es war 22.15 Uhr, rief eine 27-Jährige bei einem Berater an. Zuerst sprach sie nicht, dann sagte sie: „Mein Arzt heute. Ich sei HIV-positiv, hat er gesagt.“ Und nach einem Moment der Stille. „Wenn ich nur wüsste, mit wem ich darüber sprechen kann. Meine Tochter ist drei. Schläft im Zimmer nebenan.“ Das Gespräch fand in den 1980er Jahren statt, als eine HIV-Ansteckung als kaum heilbar galt. Es wurde ein Gespräch über Hoffnung und Tod, an dessen Ende auch der Berater mitunter sprachlos blieb. Die Frau freute sich aber über die Hilfe: „Es tut gut, dass Sie nichts sagen und Zeit haben.“

Weihnachten ist eine besondere Herausforderung für die Helfer. Das Thema Einsamkeit steht im Mittelpunkt vieler Gespräche. Schon in der Adventszeit rufen Menschen an, die Angst davor haben, wie sie die Weihnachtstage verbringen sollen. „Manche empfinden die Einsamkeit als bedrohlicher als sonst im Jahr“, sagt Bracke. Zudem wachsen auch die Spannungen an den Festtagen, weil Menschen im Rahmen der Familie aufeinandertreffen, die sich über Monate nicht mehr gesehen und sich möglicherweise wenig zu sagen haben. Gleichzeitig seien die Erwartungen an das Fest oft so hoch, dass sie in der Realität kaum einzulösen seien.

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Bracke berichtet von der Frau, deren Mann gestorben war. Freunde hatten sie zu Weihnachten eingeladen, aber sie fühlte sich nicht in der Lage, die Einladung anzunehmen. Sie habe Angst gehabt, traurig zu werden und den Freunden das Fest zu verderben. „An Weihnachten selbst war es ihr aber wichtig, mit jemanden reden zu können“, sagt Bracke. Manchmal sei es sogar gut, wenn sich die Gesprächspartner nicht kennen würden. Dann könnten sie oft ungezwungener von ihren Problemen berichten. „Wenn wir nicht allein sind mit unseren Gefühlen geht es uns schon besser“, so Bracke.

Die Katholische Telefonseelsorge ist unter der kostenfreien Rufnummer 0800/111 02 22 zu erreichen. Träger ist der Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden in Köln. Seit November 2013 arbeitet die Katholische Telefonseelsorge Köln, neben der Evangelischen Telefonseelsorge Köln (Telefon: 0800/111 01 11) mit den Einrichtungen in Bonn/Rhein-Sieg und Oberberg zusammen.

Auf Bundesebene sind alle deutschen Telefonseelsorge-Stellen in der Katholischen Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür und der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. vereinigt. Bundesweit gibt es 105 Telefonseelsorgestellen, die etwa zwei Millionen Anrufe jährlich entgegennehmen. (ris)

telefonseelsorge-koeln.de

Die Leiterin empfindet die Gespräche nicht als vorwiegend traurig und belastend. „Es ist eher bereichernd, dass sich uns fremde Menschen am Telefon so öffnen. Es kommt auch oft vor, dass wir miteinander lachen.“ Man müsse aber eine gewisse Demut entwickeln und sich zugestehen, dass man als Seelsorgerin nicht alle Probleme lösen könne. Manchmal müsse man nach einem Gespräch auch eine Pause machen und innehalten und das Gehörte einfach verdauen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten zudem alle 14 Tage eine Supervision, in deren Rahmen sie Gespräche reflektieren können.

Jubiläum im Mai in Köln gefeiert

Ihren 40. Geburtstag hatte die Katholische Telefonseelsorge Köln im Mai in der Minoritenkirche gefeiert. Unter dem Motto „Anrufen & Hinhören“ gab es einen von Stadtdechant Robert Kleine zelebrierten Gottesdienst sowie einen Festakt im Domforum. „Ohne die Katholische Telefonseelsorge wäre das Beratungsnetzwerk in Köln, wären die Stadt und die katholische Kirche in Köln um ein wesentliches Seelsorgeangebot ärmer“, hatte Kleine bei der Feier gesagt.

Auch Kardinal Rainer Woelki lobte die Arbeit: „Worte, die von Herzen kommen, können tatsächlich die Seele berühren. Sie können helfen, die Nacht zu überstehen oder Durchhaltevermögen bis zum nächsten Termin in einer Beratungsstelle zu gewinnen.“