In der Nähe der Universitätsstraße steht das denkmalgeschütze und sanierungsbedürftige Rechtshaus der Uni Köln seit vier Jahren leer.
Verwahrlosung drohtWarum steht das „Rechtshaus“ seit Jahren leer? Das sagen Uni Köln und Stadt
Die ersten Zeichen der Verwahrlosung zeigen sich deutlich: Am sogenannten Rechtshaus an der Gottfried-Keller-Straße lehnt an einem Oktobertag eine Matratze. Das Gemäuer ist teilweise mit Graffiti übersät, vereinzelt liegt Müll auf dem Grundstück. Bauzäune verwehren den Zutritt zu dem Gebäudekomplex der Universität Köln, in dem das Institut für internationales und ausländisches Privatrecht beheimatet war. Seit 2019 steht das Rechtshaus leer, die Institute sind nach Zollstock gezogen. Weshalb ist hier jahrelang nichts passiert?
Wie zu erfahren ist, war die Universität Köln als Bauherr mit der notwendigen Sanierung des Gebäudes nicht einverstanden. Sie bevorzugt – noch immer – einen Neubau. Das Gebäude steht jedoch seit 2016 unter Denkmalschutz, ein Abriss ist daher ausgeschlossen. Die Universität hatte Klage gegen die Stadt Köln eingereicht, doch 2020 „den anschließenden Antrag vor dem Verwaltungsgericht zurückgezogen. Es gibt daher kein Verfahren, sondern beide Seiten bemühen sich um eine einvernehmliche Lösung“, wie es auf Anfrage von einem Uni-Sprecher heißt. Nun soll eine denkmalgerechte Sanierung erfolgen. Man stehe aber erst am Anfang des Prozesses, teilt eine Stadtsprecherin mit.
Uni Köln bevorzugt wirtschaftliche Lösung eines Neubaus
Die Stellungnahme der Uni liest sich wie eine Auflistung der Nachteile einer Sanierung. Laut dem Unisprecher erfüllen die Gebäude nicht mehr die „notwendigen Anforderungen an Brand- und Arbeitsschutz sowie an Barrierefreiheit“. Vor der Schließung waren Schadstoffe im Baumaterial gefunden worden. Die energetische Hülle gewährleiste zudem nur „rudimentären Wärmeschutz“. Die Fassade müsste, aus Sicht der Uni, daher vollständig erneuert beziehungsweise wiederhergestellt werden. Aber: „Eine originalgetreue Nachbildung der Fassade, welche vollständig ersetzt werden muss, ist konstruktiv nicht möglich.“
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Die Uni befürchtet, dass die Kosten unter Berücksichtigung der Denkmalschutzauflagen „deutlich die Neubaukosten eines vergleichbaren Gebäudes“ überschreiten würden. Eine Neuplanung des Gebäudes wäre laut Uni deutlich wirtschaftlicher. „Immerhin geht es hier ja auch um Steuermittel.“
Wie andere Unigebäude aus den Sechzigern und Siebzigern ist das Rechtshaus Ausdruck einer brutalistischen Bauweise. Brutalismus leitet sich aus dem französischen „brut“ (deutsch: roh) ab. Den rohen Beton empfinden viele als unästhetisch oder gar hässlich. Der Architekt des Rechtshauses Walter Ruoff (1914-1991) war Teil der Kölner Architektengruppe Werkgruppe 7 und Bauturm, die in den Siebzigern unter anderem das Hauptgebäude der Hochschule für Musik im Kunibertsviertel baute. Ruoff war auch der Architekt des Rodenkirchener Rathauses, dessen Abrissarbeiten im August begonnen haben.
Kölner Stadtkonservator: „Wichtiges Beispiel für Architektursprache der 70er Jahre“
Für Stadtkonservator Thomas Werner ist das Rechtshaus „ein äußerst qualitätvoll durch gestalteter Gebäudekomplex mit künstlerischen Ansprüchen in der architektonischen Detaillierung.“ Es sei ein „wichtiges Beispiel für die Architektursprache der 70er Jahre.“
Weshalb dieses ihm im Unterschied zum Rodenkirchener Rathaus erhaltungswürdig erscheint, begründet er so: „Zurzeit der wissenschaftlichen Aufarbeitung war die Planung für einen Neubau bereits abgeschlossen. Darüber hinaus war das Innere aufgrund seiner intensiven vierzigjährigen Nutzung mehrfach verändert worden und dementsprechend weitgehend nicht mehr im originalen Zustand erhalten. Zusätzlich gab es eine große Anzahl von baukonstruktiven Mängeln.“
Anders als die Stadtbevölkerung feiert die Architekten-Community den Brutalismus. So befasste sich eine Studiengruppe an der TH Köln im Jahre 2021 bis 2022 mit dem Status Quo. In der online einsehbaren Publikation „Das Rathaus Rodenkirchen. Ein Nachruf“ (2023) von Clara Grothkopp heißt es im Vorwort: „Die Bauten seiner Gattung sind akut bedroht von Missverständnis, Vernachlässigung und Abbruch“, wenn er auch unter Architektinnen und Architekten sowie Architekturhistorikern und -historikerinnen sowie „einer wachsenden Gruppe von begeisterten Laien eine breite Fangemeinde hat“.
Grothkopp analysiert die architektonische Konzeption und zeichnet die baugeschichtliche Entwicklung des Rathauses nach. Im Fazit betont sie: „Die unter Schutz gestellten brutalistischen Gebäude in Köln weisen möglicherweise eine höhere architektonische Qualität sowohl im Zustand ihrer Bausubstanz als auch der Konsequenz ihrer brutalistischen Gestaltung auf.“
Was diese Feststellung jedoch mit Blick auf das Rechtshaus und dessen zukünftiger Sanierung konkret heißt, ist derzeit noch völlig offen.