Kölner Stadtverwaltung unter SchockWarum wurde Kurt B. nicht vor dem Täter gewarnt?
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Köln – Der Schock über den gewaltsamen Tod ihres Kollegen Kurt B. sitzt tief bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. Vor dem Historischen Rathaus wehen Stadtfahnen mit Trauerflor, für die Beschäftigten liegen Kondolenzbücher aus. Mitarbeiter der Kämmerei stellten an ihrem Arbeitsort Kerzen auf. Der 47-jährige Außendienstler der Vollstreckungsabteilung ist am Freitag in Dünnwald von einem mutmaßlich psychisch kranken Mann erstochen worden, von dem er Geld eintreiben wollte.
Stadtweite Gedenkminute am Mittwoch
Für Mittwoch hat die Verwaltung eine stadtweite Gedenkminute für Kurt B. angekündigt. Um zwölf Uhr wollen sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Bürgermeister, der Verwaltungsvorstand und die Fraktionsspitzen im Spanischen Bau treffen. Alle Beschäftigten der Stadt seien aufgerufen, ihre Arbeit während der Gedenkminute ruhen zu lassen, sagte Stadtsprecher Alexander Vogel.
Mit den Angehörigen des Getöteten werde zurzeit über eine Gedenkfeier beraten. Möglicherweise werden sich Beschäftigte anderer nordrhein-westfälischer Städte der Gedenkaktion anschließen. Sowohl der Städtetag Nordrhein-Westfalen als auch der Städte- und Gemeindebund habe ihre Mitgliedskommunen am Montag über die in Köln geplante Schweigeminute informiert.
„Die Anteilnahme geht deutlich über Köln hinaus“, sagte Inge Schürmann vom Kölner Presseamt. So werde etwa in Bergisch Gladbacher Rathaus die Arbeit am Mittwochmittag für eine kurze Zeit ruhen.
Derweil ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft die Hintergründe der Tat. Im Mittelpunkt stehen zwei Fragen: Warum haben Kurt B. und seine Kollegin keinen Polizeibegleitschutz angefordert, bevor sie zu dem Hausbesuch aufgebrochen sind? Und warum war der 60-jährige Mieter überhaupt frei und nicht in der Psychiatrie?
Besuch ging um betreuungsrechtliche Angelegenheit
Im März war der Mann bereits auf eine städtische Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes und einen psychiatrischen Sachverständigen losgegangen, als die ihn zu Hause besucht hatten. Offenbar wollten sie den Mann untersuchen oder ihn zumindest befragen. „Es ging um eine betreuungsrechtliche Angelegenheit“, teilte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer dazu mit. Details nannte er nicht.
Schlimmere Folgen bei dem Angriff verhinderten seinerzeit zwei Polizeibeamte, die die Mediziner zuvor im Rahmen der Amtshilfe angefordert hatten. „Ihnen war wohl bewusst, dass der Besuch aufgrund der Betreuungsangelegenheit womöglich nicht reibungslos verlaufen würde“, sagte Bremer.
Nach der Attacke sei der 60-Jährige für einige Wochen in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht worden. Grundlage war das Psychisch-Kranken-Gesetz, kurz PsychKG. Danach können Menschen, die sich oder andere gefährden, für sechs Wochen auch gegen ihren Willen untergebracht werden.
Anschließend kehrte der 60-Jährige in seine Wohnung nach Dünnwald zurück. Warum, von wem und unter welchen Umständen dies seinerzeit entschieden wurde, ist nun auch Gegenstand der weiteren Ermittlungen.
Kurt B. wusste nichts über die Gefährlichkeit des Täters
Fest steht, dass Kurt B. und seine Kollegin von dem Einsatz im März und den weiteren Folgen nichts wussten. Das bestätigte Stadtsprecher Vogel auf Anfrage. „Nach derzeitiger Erkenntnislage hatte der am Freitag getötete und sehr erfahrene und besonnene Kollege keinerlei Erkenntnisse zur mutmaßlichen Gefährlichkeit des Schuldners, da dies die Aktenlage nicht hergab.“
Aber warum nicht? Hätte er davon gewusst, hätte er die Möglichkeit gehabt, die Polizei hinzuzuziehen – so sei das üblich bei „schwierigen Fällen“ wie etwa überzeugten Zahlungsverweigerern, sagte Vogel.
„In den Akten werden die Informationen zum Schuldner, zu bisherigen Vollstreckungen und Zahlungsvorgängen sowie zu den aktuell offenen Forderungen gebündelt“, erläuterte Vogel. Es werde auch notiert, ob es Hinweise auf eine besondere Gefährlichkeit gebe.
Bei dem 60-Jährigen fehlten diese. Die Stadtverwaltung arbeite derzeit an der Etablierung eines internen Meldesystems, sagte Vogel. Ziel sei eine „datenschutzkonforme Softwarelösung“.
Aus ebensolchen Datenschutzgründen haben zum Beispiel auch die Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts Köln, die ebenfalls häufig mit schwierigem, teils gefährlichem Klientel zu tun haben, keinen Zugriff etwa auf Datenbanken der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Sie müssten sich auf die eigene Erfahrung, auf Mitteilungen von Kollegen oder von Gläubigern der Schuldner verlassen, sagte ein Gerichtssprecher.
Die Beschäftigten der städtischen Vollstreckungsabteilung wollen den für einen Tag unterbrochenen Außendienst an diesem Dienstag wieder aufnehmen. Die Entscheidung bleibe jedem einzelnen überlassen, teilte das Presseamt mit. Der Einsatz erfolge in Zweierteams – auf Wunsch in Begleitung eines uniformierten Kollegen des Ordnungsdienstes.