Köln – Ein weiterer Fall von Vertuschung und Verharmlosung sexuellen Missbrauchs belastet die Führungsspitze des Erzbistums Köln schwer. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll der Täter, der heute 73 Jahre alte Ruhestandsgeistliche H.-J. F., in der Verantwortung des früheren Erzbischofs, Kardinal Joachim Meisner, und seines Generalvikars Dominik Schwaderlapp nicht mit Sanktionen belegt worden sein.
Dies aber hatte der Vatikan der Kölner Bistumsleitung nach einer von Meisner initiierten Prüfung aufgegeben. Meisner soll F. stattdessen sogar ein von diesem beantragtes Kinderbuchprojekt gestattet haben. Der Fall ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Bestandteil des Münchner Missbrauchsgutachtens, das Meisners Nachfolger, Kardinal Rainer Woelki, im Oktober unter Verschluss nehmen ließ.
Seit Jahren wird gemunkelt
Die „Bild“-Zeitung (online) berichtete am Dienstag über den Fall F. Demnach sollen erste Vorwürfe gegen den Geistlichen bereits in den 1980er Jahren laut geworden sein. Eine Anklage aus dem Jahr 1991 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sei gegen eine Geldzahlung eingestellt worden. 1997 sei F. beschuldigt worden, die Söhne einer Frau missbraucht zu haben, um die er sich kümmerte. Hier soll F. sich das Schweigen der Mutter mit 30 000 Mark erkauft haben. Im Jahr 2000 wurde er nach Bistumsangaben in den vorläufigen, 2004 in den endgültigen Ruhestand versetzt. Er blieb aber als Priester tätig. 2010 habe es dann wieder Beschwerden gegeben.
F. ist erfolgreicher Autor unter anderem einer Kinderbibel und eines Praxisbuchs für die Erstkommunionvorbereitung. Bistumsmitarbeiter bestätigten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, in Kirchenkreisen sei über die Vorwürfe gegen F. seit langem gemunkelt worden. Ein Seelsorger berichtete, er habe sich wegen seines Unbehagens, dass das Erzbistum F. als Kinderbuchautor gewähren ließ, an den früheren Personalchef Stefan Heße (heute Erzbischof von Hamburg) gewandt – ohne für ihn erkennbare Folgen.
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2018 ging Kardinal Woelki dann doch gegen F. vor, verbot ihm die öffentliche Ausübung des Priesteramts und machte es ihm zur Auflage, sich von Minderjährigen fernzuhalten. Erst im März 2019 leitete Woelki nach erneuten Vorwürfen eine kirchenrechtlich vorgeschriebene Voruntersuchung ein, deren Befund inzwischen dem Vatikan vorliegt.
Für Gutachten zum Missbrauchsskandal und die Krisenkommunikation veranschlagt das Erzbistum laut einer internen Mitteilung einen finanziellen „Mehrbedarf“ von derzeit 2,26 Millionen Euro. Eine knappe Million Euro sind demnach für das erste, wegen angeblicher Mängel und juristischer Risiken kassierte Münchner Gutachten vorgesehen. Das Ersatzgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke soll mindestens 550 000 Euro kosten. Weitere 300.000 Euro sind für die „begleitende Kommunikation“ eingeplant.
Beratungskosten in fünfstelliger Höhe
Schon heute sollen pro Arbeitstag Beratungskosten in deutlich fünfstelliger Höhe fällig werden, wie Bistumsmitarbeiter berichten. Die „Bild“-Zeitung setzt diese Summen ins Verhältnis zu den finanziellen Leistungen an die Opfer, die bei insgesamt 750.000 Euro liegen sollen.
Das Erzbistum betont, Honorare für Gutachter, PR-Firmen und Anwälte würden nicht aus der Kirchensteuer, sondern aus einem „Sondervermögen“ finanziert.