Das allgemeine Empfinden ist: Immer mehr Menschen erkranken derzeit wieder an Corona. Wir haben bei Experten nachgefragt.
Wieder mehr FälleWieso Kölner Ärzte aktuell nicht auf Corona testen
Endlich Sommer, Temperaturen von 30 Grad und trotzdem wieder mehr Corona-Fälle? Der Eindruck ist bei vielen Leuten entstanden, viele Bekannte und Kollegen sind gerade krank. Experten bestätigen, dass sich das Virus wieder verbreitet, aber auf einem sehr niedrigen Niveau.
Die Zeiten, in denen jeden Tag die Inzidenzen und Sterbefälle in unserer Zeitung aktualisiert wurden, sind vorbei. Zum Glück. Trotzdem gibt es die 7-Tage-Inzidenz der laborbestätigten Covid-19-Fälle noch. Sie liegt Robert-Koch-Institut (RKI) bei 2,7 in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen mit 3,6 und in Köln mit 4,5 leicht über dem Bundesdurchschnitt. In Köln ist also mehr als jeder vierte je 100.000 Menschen positiv. Die Tendenz steigt.
Kölner Hausärzte behandeln wieder mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen
Nur sind das im Vergleich zu 2022 verschwindend geringe Werte. Am 9. März lag in Köln der Höchststand bei 3007,6 Infektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Getestet und amtlich erfasst werden die Infizierten in Deutschland schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr konsequent. Beibehalten haben viele Praxen die Maskenpflicht bei Erkältungssymptomen. Wer potenziell positiv ist, den separieren viele medizinische Fachangestellten ohnehin von anderen Wartenden.
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Jan Schirmer ist Kölner Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung und erklärt: „Ein Test hätte keine Konsequenz.“ Die Ärztinnen und Ärzte achteten nur darauf, dass Erkrankte geimpft seien. Also ist die 7-Tage-Inzidenz weniger aussagekräftig, als sie es zu Pandemie-Hochzeiten war. Dass das Virus aber wieder leicht die Krankenzahlen steigen lasse, beobachte er dennoch.
Das städtische Gesundheitsamt teilt auf Anfrage mit, dass Corona weniger als fünf Prozent aller Atemwegsinfekten in der Bevölkerung ausmache. „Das aktuell leicht angestiegene Infektionsgeschehen wird weiterhin hauptsächlich durch Erkältungsviren wie Rhinoviren bestimmt“, teilte eine Sprecherin mit.
Der Blick auf die Kölner Hausarztpraxen bestätigt Schirmers Erfahrung. „Ja, die Fälle steigen“, beantwortet Oliver Funken unsere Frage eindeutig. In seiner Praxis habe er wieder mehr Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen. Und so spiegelten es ihm auch Kolleginnen und Kollegen, sagt Funken, der dem Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Nordrhein vorsitzt. „Das ist erwartungsgemäß nach den kälteren Tagen so.“ Hinzu komme, dass Köln Austragungsort der Fußballeuropameisterschaft ist. „Der Wanderverkehr führt zum Austausch internationaler Krankheitserreger.“
Ein weiterer Indikator für die Zunahme der Fallzahlen ist die Belegung der Intensivbetten. Laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sind in NRW 31 Covid-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung, Stand 25. Juni. Sie belegen 0,9 Prozent aller Intensivbette. Auch diese Zahl ist vergleichsweise gering, hat sich im Vergleich zu Mitte Mai aber verdoppelt.
Abwassertests zeigen gestiegene Viruslast
Dafür spricht auch die Messung der Viruslast im Abwasser der Stadt. Die Werte der Kläranlage in Stammheim lagen Ende Mai bei 133.000, schon mehr als Ende April. Das zeigt der jüngste Wochenbericht des RKI zur Abwasserüberwachung. Noch 2023 lag er zwischenzeitlich aber bei einem Spitzenwert von 1,4 Millionen. In Bonn und Düsseldorf steigt die Viruslast ebenfalls an, sogar schön länger als in Köln.
In den aktuellen Bericht des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen flossen bereits jüngere Daten ein. Demnach stieg die Viruslast in den Wochen vom 29. Mai bis 12. Juni jeweils um 20 bis 90 Prozent stark an. In die Anlage fließt das Abwasser von 4,8 Prozent der Kölnerinnen und Kölner.
Einen Anstieg zu Sommerbeginn bis zum Höhepunkt im Dezember gab es auch im vergangenen Jahr. Es scheint, als würde diese Kurve für 2024 gerade beginnen zu steigen. Funken ist trotzdem nicht beunruhigt: „Corona hat sich in der Bevölkerung eingepreist“, sagt er.
Margot Denfeld, seit April Leiterin des Kölner Gesundheitsamts, beruhigt ebenfalls: „Trotz des Anstiegs bei den Fallzahlen besteht kein Grund zur Sorge. Die Ansteckungsgefahr im Freien ist nach wie vor sehr gering.“ Auch sie weist erneut auf den Nutzen von Masken hin: „Wer Sorge hat, kann mit den aus der Pandemie bewährten AHA-Maßnahmen – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske – ein Risiko für eine Atemwegserkrankung gut reduzieren.“