Köln – Mit Leitbildern ist das so eine Sache. Aufschreiben kann man viel, aber irgendjemand muss die Ziele auch umsetzen. Die Hohe Straße und die Schildergasse brauchen dringend ein neues Konzept – wenn sie überhaupt jemals eines hatten außer Gewinnmaximierung. Und das zieht nicht mehr.
2019, also schon vor der Corona-Krise, hatte der Finanzausschuss 200.000 Euro für die Entwicklung eines Leitbilds für die Einkaufsmeilen freigegeben. Mitte 2022 soll das Konzept stehen und bis 2030 umgesetzt sein. Bei einer Impulsveranstaltung im Blaenk-Store an der Schildergasse stellte das Dortmunder Büro „Stadt und Handel“ nun nach Rundgängen und Gesprächen mit Anrainern eine erste Analyse vor.
Warenhäuser funktionieren nicht mehr
Fest stehe – und das sei durch Corona noch beschleunigt worden: Reine Handelslagen, in denen sich ein Geschäft an das andere reiht, und Warenhäuser, in denen es von allem etwas gebe, aber nichts richtig, funktionieren nicht mehr. Gefragt sei stattdessen Erlebniseinkaufen mit viel Gastronomie und Ambiente. Händler müssten sich spezialisieren und individuelle Konzepte haben.
Projektleiter Jens Nußbaum von „Stadt und Handel“ nannte als Beispiel ein Restaurant in Hamburg, in dem man alles, was man sieht, auch kaufen kann, also auch Möbel und Deko. Oder eine H&M-Filiale in Berlin, in der es Ruheecken und Lesungen gibt. Ein gutes Beispiel in Köln sei das neue Antoniterquartier mit der großen Außengastronomie an der Schildergasse. „Das ist ein echter Leuchtturm.“
Umsatz wird im Erdgeschoss gemacht
Annett Polster, Geschäftsführerin von Stadtmarketing Köln, sagte: „Das alles geht nicht ohne die Immobilienbesitzer. Sie müssen gezielt angesprochen werden, wenn sich etwas verändern soll.“ Sie weiß, wie mühsam das ist. Allein für die Finanzierung von 100 Metern Weihnachtsbeleuchtung auf der Hohe Straße führte sie monatelange Gespräche.
Frank Wenzel, Geschäftsführer der Aachener Grundvermögen, die jeweils zehn Immobilien auf der Hohe Straße und Schildergasse und sieben auf der Ehrenstraße besitzt, sieht die Branche schon auf dem richtigen Weg. Denn tatsächlich habe man inzwischen zu viel Verkaufsfläche, da vor allem der Textil- und Schuhhandel ins Internet abgewandert seien. Und: „Der Umsatz wird in den Erdgeschossen gemacht.“ Die weiteren Geschosse seien deshalb frei für andere Nutzungen.
Er nannte ein Beispiel aus Bonner City, wo nach dem Weggang von Karstadt das Erdgeschoss von einem Textilhändler übernommen wurde und darüber Kulturräume und eine Bühne mit 1000 Plätzen entstehen sollen. „Ein Mischnutzung ist mehr wert als ein Allein-Mieter, der nach ein paar Jahren aufgeben muss.“
Kein Platz für Kinder
Heidi Lex-Beck, Gebietsverantwortliche für die „dm“-Drogeriemärkte in der City, forderte, dass aber auch kurzfristig etwas geschehen müsse. „Zu uns kommen kaum Familien mit Kindern, das sehen wir an unserem Sortiment.“ Es fehle an Freiräumen, Sitz- und Spielmöglichkeiten. Eva Kayser, deren Familie drei Immobilien auf der Hohe Straße und eines auf der Schildergasse besitzt, forderte von der Stadt mehr Flexibilität bei Baugenehmigungen und kritisierte die veraltete Straßenbeleuchtung und Pflasterung der Fußgängerbereiche.
Beim Thema „Verbesserung der Aufenthaltsqualität“ gab es dann zahlreiche Wortmeldungen. Unter anderem berichtete Udo Zorn, mit Café Riese zweimal im Plangebiet vertreten, sehr emotional darüber, dass die zahlreichen Obdachlosen und Drogenabhängigen für seine Betriebe und vor allem die Gäste eine große Belastung seien. „So schlimm ist es noch nie gewesen. Es ist fahrlässig, wie die Stadt mit diesen Handelslagen umgeht.“
Brigitte Scholz, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung: „Wir nehmen aus dieser Veranstaltung mit, dass auch schnell etwas Konkretes umgesetzt werden muss.“ Wie es der Zufall will, ist unterdessen gleich neben dem Blaenk-Store ein langer Leerstand im ehemaligen Karstadt-Sports-Haus beendet worden – wenn auch nur vorübergehend. Hier eröffnet demnächst ein großer Weihnachtsladen. Immerhin für ein paar Monate eine kleine Wiederbelebung.