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Domschweizerin über ihren Beruf„Mein Kindheitstraum geht in Erfüllung“

Lesezeit 6 Minuten

Domschweizerin Hedi Michels arbeitet seit sechs Monaten in der Kathedrale.

  1. Die Domschweizer sind eine Institution in der Kölner Kathedrale.
  2. Lange Zeit war der Beruf lediglich Männern vorbehalten.
  3. Seit sechs Monaten beschäftigt das Domkapitel aber auch vier Frauen.
  4. Die 57-jährige Hedi Michels ist eine von ihnen und beschreibt den Dom als ihren Sehnsuchtsort.
  5. Ein Einblick in den Alltag und die Aufgaben der Domschweizer.

Köln – 9,30 Meter breit ist das Hauptportal an der Westseite des Doms. Am Mittelpfeiler steht die Statue von Maria, daneben der Patron des Doms, der heilige Petrus, und die Heiligen Drei Könige, deren Gebeine als Schatz im Dom verehrt werden. Ganz unten wacht Domschweizerin Hedi Michels, damit die Ruhe vor und im Dom nicht gestört wird. Doch bald schon bimmelt das erste Handy. Ein junger Mann hat es im Eingangsbereich gezückt und spricht munter in sein Smartphone, als Michels ihn erreicht. Ein freundlicher, aber bestimmter Blick, eine kleine Ermahnung und schon ist das Mobiltelefon in der Manteltasche des Besuchers verschwunden. Eine Szene von vielen, die aber den Alltag und die Aufgaben der Domschweizer ganz gut beschreibt.

Die Domschweizer sind eine Institution in der Kölner Kathedrale. Es ist nicht klar, seit wann sie für Ruhe im Gotteshaus sorgen. Überliefert sei, so der Sprecher des Domkapitels, Markus Frädrich, dass es schon im Mittelalter Menschen gegeben habe, die lärmend durch die Kirche gezogen seien oder schon einmal ihre Tiere durch das Haus trieben, um eine Abkürzung zum benachbarten Viehmarkt zu nehmen.

Schon damals habe der Dom „arme, starke Männer“ in rot-schwarzen Gewändern beschäftigt, die für Ruhe sorgten. Seit jeher war die Arbeit der Domschweizer ein Männerberuf. Erst seit einem knappen halben Jahr wird das Team der 26 Domschweizer von vier Frauen verstärkt.

Mit vier Jahren erstmals im Dom

Hedi Michels ist eine von ihnen und scheint wie für den Dom bestimmt. Die 57-Jährige kommt aus einer gläubigen, katholischen Familie im Ruhrgebiet. Schon der Urgroßvater war als Kirchenschweizer in Oberhausen tätig, der Bruder war Messdiener, die Eltern dem Palottiner-Orden verbunden. „Der Glaube gehörte zu unserem Leben wie Essen und Trinken“, sagt Michels. Im Kölner Dom war das „Ruhrpott-Kind“ erstmals mit vier Jahren. Es war ein Besuch, der Eindruck hinterließ: „Ich war wie erschlagen“, sagt sie. In der Kathedrale zu arbeiten, war seither ein Traum für Michels. Sie kam ihm schon etwas näher, als sie im Jahr 1973 mit ihrer Familie ins Rheinland zog. Ihre Eltern hatten eine Arbeit als Hausmeister im Vinzenz-Palotti-Kolleg, einem privaten katholischen Jungen-Gymnasium in Rheinbach, gefunden. In Bensberg machte sie ihre Ausbildung als Krankenschwester, in Rheinbach fand sie 1984 ihren ersten Job in der Pflege. Seit 30 Jahren ist sie zudem als Kommunionshelferin in Hospitälern im Einsatz. „Durch meinen tägliche Umgang mit den Patienten bin ich gewöhnt, sensibel und hellhörig für die Bedürfnisse der Besucher zu sein“, sagt sie.

Hedi Michels im Herzen des Doms.

Michels hatte sich mit 40 anderen Bewerberinnen auf die Stelle der Domschweizerin beworben. Als sie die Nachricht erhielt, dass sie angenommen wurde, war sie gerade zu Besuch in einem katholischen Orden in Olpe. Eine Freundin, mit der sie seit 2013 in einer WG im Kölner Stadtteil Weidenpesch lebt, rief an und überbrachte ihr die frohe Botschaft. „Ich bin im Orden auf und ab gelaufen und habe gerufen: »Ich hab’ die Stelle, ich hab’ die Stelle!«“ Für ihre neue Arbeit hat sie die Stundenzahl in ihrem Hauptberuf reduziert. Am ersten Arbeitstag erschien sie mit einer neuen roten Brille, passend zum roten-schwarzen Talar, den die Domschweizer noch heute tragen. „Mein Kindheitstraum ging in Erfüllung.“

Hans Süper und Modeste zu Besuch

Der Dom ist ein Sehnsuchtsort für Michels. „Man kann hier Gott spüren.“ Wer das nicht kann, kann Michels aber zumindest folgen, und wunderbare Momente im Gotteshaus verbringen. Sie weiß, wo unbekannte Künstler Symbole von Äpfeln in den Säulen der Kathedrale hinterlassen haben. Wo man auf den zahlreichen Fensterscheiben des Doms ein Auto sehen kann oder was es mit den Wanderfalken auf sich hat, die die Tauben verscheuchen. Wer sie fragt, dem zeigt sie auch den wuchtigen, goldfarbenen Schlüssel, mit dem sie an diesem Abend den Dom abschließen wird.

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Vor allem aber ermahnt sie Besucher, die ihren Hut nicht ziehen wollen oder mit dem Handy telefonieren. Zur Arbeit einer Domschweizerin gehört es auch, die Priester und Küster zu unterstützen, Opferstöcke zu leeren und Kerzen aufzustellen. Sie läuten die Glocken und leeren die Mülleimer. Oft haben sie einfach ein offenes Ohr für die Besucher und tragen eine hölzerne Box mit sich herum, in die die Gäste Spenden einwerfen können. 24 Stunden im Monat macht Michels das, 13,18 Euro brutto zuzüglich Aufschlägen gibt es dafür in der Stunde. Aber für Geld macht Hedi Michels die Arbeit ohnehin nicht: „Das ist kein Job, sondern eine Berufung.“ Das nimmt man ihr zweifellos ab.

Einmal bat Michels eine Besucherin, ihr Handy auszustellen. Die Frau versicherte, kein Mobiltelefon zu besitzen, aber aus ihrem Metallkoffer dröhnte zweifellos etwas sehr Lautes. Als Michels nachguckte, entpuppte sich das Störgerät als elektrische Zahnbürste, die aus einem unerfindlichen Grund begann, laute Töne von sich zu geben. Manchmal sieht Michels auch Prominente. Komiker Hans Süper hat sie im Dom getroffen und vor ein paar Tagen auch Anthony Modeste, den Stürmer des 1. FC Köln. Der sei gekommen, um seiner Mutter die Kathedrale zu zeigen.

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Hedi Michels (rechts) im Gespräch mit einem Kollegen.

Es ist nicht immer schön, im Dom zu arbeiten. Michels hat schon laute Junggesellen-Gruppen erlebt, Touristen mit vielen Kameras und Männer, die angetrunken herumpöbelten. Kollegen, die länger dabei sind als Michels, sagen, dass es seit ein paar Jahren unruhiger geworden sei. „Manche Leute benehmen sich, als wären sie im Bahnhof“, sagt einer. Smartphones seien ein Problem, aber insgesamt sei der Umgangston rüder geworden. Der Dom, ein Spiegel der Gesellschaft.

Viele Verhaltensregeln sind klar, manches ist Auslegungssache. Männer müssen die Hüte abnehmen, Frauen jedoch nicht. Indische Sikhs dürfen ihren Turban aufbehalten, jüdische Männer mit Kippa lassen die Domschweizer mitunter gewähren. Tabu sind aber Mundschutz, wie ihn manche Touristen mitbringen, oder Schleier. „Wir müssen das Gesicht der Besucher sehen können“, sagt Michels. Wer einen großen Koffer dabei hat, muss ihn durchsuchen lassen. Verboten sind außer Handys und Nahrungsmitteln zum Leidwesen der Kinder auch Luftballons. „Wenn einer von ihnen platzt, hört man das im ganzen Dom“, sagt Michels. Besucher könnten es für einen Schuss halten, es könnte eine Massenpanik geben.

Aufenthaltsraum im zweiten Stock

Wenn Hedi Michels Pause macht, fährt sie in den zweiten Stock. Hier kommt man aus dem Lift direkt in einen kleinen Aufenthaltsraum, wo man ihren Kollegen Hans Block trifft. Block ist auch schon seit vier Jahren Domschweizer und kann manche Geschichte erzählen. An seinem ersten Tag hat er eine „Klopperei“ mitangesehen, in deren Verlauf ein Betrunkener einen Domschweizer am Hals verletzt habe und schließlich die Polizei einschreiten musste. Über die weibliche Verstärkung im Team freut er sich, weil die Frauen auf manche Gäste deeskalierender einwirkten. „Bei Frauen kommen manche Besucher schneller wieder runter“, sagt Block.

Michels freut es, dass der Dom nun Frauen beschäftigt. „Die Kirche muss lebendiger werden und auf die Menschen zugehen“, sagt sie. Der Dom habe mit der Öffnung des Berufs des Domschweizers für Frauen „ein Signal in die Welt gesendet“. Die Bewegung Maria 2.0, die für Rechte für Frauen in der katholischen Kirche streitet, sieht sie aber mit gemischten Gefühlen. Die Bewegung müsse beachten, dass Katholiken in anderen Ländern nicht so liberal eingestellt seien wie in Deutschland, sagt sie vorsichtig. Der Katholizismus sei eine Weltreligion, man dürfe keine Spaltungen provozieren.