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Vier weitere FestnahmenErmittler präsentieren Ergebnisse im Kölner Drogenkrieg – „Wesentliche Protagonisten sitzen in U-Haft“

Lesezeit 4 Minuten
Tatort nach Explosion auf der Kölner Ehrenstraße

Im Sommer erschütterte eine Reihe von Geiselnahmen und Explosionen Köln und die Region (Archivbild)

Bei einer Pressekonferenz betonten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungserfolge auch die Handlungsfähigkeit des Staates unterstreichen würden. Doch einige Fragen sind noch offen.

Zwei Botschaften waren der Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Pressekonferenz zu den Ermittlungsergebnissen im Kölner Drogenkrieg sichtlich wichtig: Nachdem der Raub einer Drogenlieferung von rund 300 Kilogramm Cannabis im Sommer eine Welle der Gewalt mit Geiselnahmen und Explosionen ausgelöst hatte, betonten Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer und Kripo-Chef Michael Esser am Donnerstag: Die Bevölkerung könne erstens unbesorgt sein, weil sich zweitens der Staat und seine Behörden in diesem Ermittlungskomplex als handlungsfähig erwiesen hätten.

„Auch wenn Bürgerinnen und Bürger nicht Ziel dieser Taten waren, haben die Auseinandersetzungen im Drogenmilieu große Verunsicherung ausgelöst“, sagte Esser. „Ich hoffe deshalb sehr, dass unsere bisherigen Erfolge zu einer Beruhigung der Bevölkerung beitragen.“ Und Bremer ergänzte: „In den letzten Wochen und Monaten wurde immer wieder gesagt, dass das Vertrauen in die Behörden und den Rechtsstaat sinkt. Dieser Fall zeigt, wie handlungsfähig die Behörden sind.“

Junge Niederländer für Taten in Köln angeheuert

Esser präsentierte die jüngsten Erfolge: Gemeinsam mit niederländischen Ermittlungs- und Justizbehörden nahmen die Kölner Ermittler der „EG Fusion“ am Montag und am Dienstag drei junge Niederländer im Alter zwischen 19 und 22 Jahren in Amsterdam fest. Sie stehen im dringenden Tatverdacht, an der Geiselnahme in Rodenkirchen sowie an einer Explosion in Duisburg beteiligt gewesen zu sein. Außerdem durchsuchten die Ermittler acht Wohnungen, bei denen sie unter anderem auch sogenannte Cobra-Sprengsätze und Blitzknallsätze gefunden haben, die auch bei Explosionen in Nordrhein-Westfalen zum Einsatz kamen. Es sei eine aufwendige Zusammenarbeit gewesen, so Esser. Allerdings: „Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig die staatenübergreifende Zusammenarbeit ist.“

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Niederländische Spezialkräfte kurz vor dem Zugriff im Rahmen der Ermittlungen der „EG Fusion“.

Niederländische Spezialkräfte kurz vor dem Zugriff im Rahmen der Ermittlungen der „EG Fusion“

Am Mittwoch hat sich außerdem ein weiterer Beschuldigter den Behörden gestellt. Der 21-Jährige soll an der Lieferung und Lagerung des Cannabis in der Lagerhalle in Hürth beteiligt gewesen sein. Auch bestätigte Esser, dass am Mittwoch der 22-jährige Samir A. (Name geändert) nach Köln ausgeliefert wurde, eine Schlüsselfigur in dem Ermittlungskomplex (wir berichteten).

Immer klarer sehen die Ermittler, was den Drogenkrieg ausgelöst hat und wer hinter den Taten steckt: Im Zentrum der Ermittlungen steht ebenjener Samir A. In der Nacht auf den 23. Juni wurden dem Kalker Drogenboss rund 300 Kilogramm Cannabis aus einer Lagerhalle in Hürth gestohlen. Dahinter steckten offenbar Mitglieder seiner eigenen Bande. Mindestens zehn Mitglieder der Gruppe haben die Ermittler identifiziert, fünf davon sitzen bereit in Untersuchungshaft, so Bremer.

Diese sogenannten Blitzknallsätze sollen auch bei Explosionen in NRW zum Einsatz gekommen sein.

Diese sogenannten Blitzknallsätze sollen auch bei Explosionen in NRW zum Einsatz gekommen sein.

Es folgten Geiselnahmen in Hürth und Rodenkirchen sowie mehr als ein Dutzend Sprengstoffanschläge vor Wohnhäusern und Geschäften unter anderem in Köln, Düsseldorf und Duisburg. Damit verfolgte die Kalker Bande nach bisherigen Erkenntnissen das Ziel, Druck auszuüben, um ihre Drogen zurückzubekommen. Die niederländischen Täter dienten als Handlanger, die der Kölner Drogendealer über eine Online-Plattform einkauften, schilderte Esser.

NRW-Innenminister Reul lobt Arbeit der Kölner Ermittler

„Es handelt sich dabei um das Kriminalitätsphänomen ‚Violence as a service‘. Dabei ‚kaufen‘ sich die eigentlichen Täter die strafbare Gewalthandlung bei anderen ein“, erklärte Esser. Über Mittelsmänner werden die jungen Männer dann bezahlt.

Insgesamt laufen mittlerweile 46 Ermittlungsverfahren gegen 35 ermittelte Tatverdächtige, 19 von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft, vier weitere in Auslieferungshaft. Bei mehr als 40 Durchsuchungen haben die Ermittler rund 1300 Gegenstände sichergestellt, darunter 24 Schusswaffen. Vier Anklagen gegen Verdächtige liegen bereits beim Landgericht. Weitere werden bald folgen, so Bremer. „Der hohe Personalaufwand in diesen Ermittlungen hat sich gelohnt“, bilanziert er. „Wir können sagen, dass die wesentlichen Protagonisten im Fall der Entführungen in Untersuchungshaft sitzen.“

Kripo-Chef Michael Esser (l.) und Oberstaatsanwalt Ulricht Bremer bei der Pressekonferenz zum Kölner Drogenkrieg.

Kripo-Chef Michael Esser (l.) und Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer bei der Pressekonferenz zum Kölner Drogenkrieg

Auch Innenminister Herbert Reul (CDU ) lobte im Innenausschuss des Landtags die Arbeit der Kölner Ermittler. Man sieht: Polizisten, wenn man sie in Ruhe arbeiten lässt, brauchen Zeit. Man braucht Geduld, Akribie und Genauigkeit. Aber das kann erfolgreich sein, und das ist eine super Leistung der Kölner Polizei und aller Anderen.“

Doch längst nicht alle Fragen sind geklärt, längst nicht alle Täter festgenommen. So ist nach wie vor unklar, ob und inwieweit die beiden Explosionen in der Kölner Innenstadt mit dem Drogenkrieg zusammenhängen – auch wenn vieles danach aussieht, dass auch dort das Kriminalitätsphänomen „Violence as a service“ (deutsch: Gewalt als Dienstleistung) zum Einsatz kam. Aktuell laufen verdeckte Ermittlungen zu den Vorfällen, so Esser. Deswegen wolle er sich dazu nicht äußern. Von den mit Fotos gesuchten Tatverdächtigen fehlt allerdings noch jede Spur.

Auch, von wem genau die Kalker Drogenbande ihr Cannabis ursprünglich gekauft hat, ist noch unklar. Bisher wissen die Ermittler nur, dass es sich um ein niederländisches Kartell handeln soll. Dass es sich dabei um die sogenannte Mocro-Mafia (Slangname für marokkanischstämmige Rauschgiftbanden) handelt beziehungsweise, dass diese überhaupt etwas mit dem Ermittlungskomplex zu tun hat, „dafür gibt es bisher keinerlei Spuren“, betonte Bremer abermals.