Köln – Der neue Leiter des Gesundheitsamts Johannes Nießen drückt beim Thema offener Drogenkonsum am Neumarkt aufs Tempo. Erst kürzlich wurde bekannt, dass das seit längerem geplante Konsummobil nun kurzfristig schon am 2. Dezember seine Arbeit aufnehmen soll. Um den schnellen Start zu gewährleisten, brach die Stadt sogar überraschend ein Ausschreibungsverfahren ab, mit dem ein Betreiber für das Angebot gefunden werden sollte (der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete).
Nun hat Amtsleiter Nießen einen weiteren Vorstoß ins Spiel gebracht: „Wir prüfen derzeit, ob im Innenhof des Gesundheitsamts provisorisch ein stationärer Konsumraum mit acht Plätzen eingerichtet werden kann“, sagte Nießen, der sich am Donnerstag erstmals offiziell der Öffentlichkeit vorstellte.
Das Provisorium könnte ab Anfang 2021 das mobile Angebot mit nur vier Plätzen ablösen – so lange, bis das endgültige Domizil in der heutigen Substitutionsambulanz an der Lungengasse umgebaut ist. Das wird frühestens im Jahr 2022 der Fall sein.
Nießens Vorstoß ist ein erneuter Versuch, eine Zwischenlösung zu etablieren, um möglichst zeitnah einen größeren stationäre Drogenkonsumraum mit Beratung anbieten zu können. Ein erster Versuchsballon, damals von Gesundheitsdezernent Harald Rau, war im Sommer am Widerstand der Ratspolitiker gescheitert. Grund waren vor allem die Kosten in Höhe von 900 000 Euro. Auch der Standort an der Stadtbibliothek war umstritten.
Andere Städte seien beim Thema Drogenkonsumraum wesentlich weiter, sagte Nießen. „Hamburg hat 48 Drogenkonsumplätze, wo Süchtige sicher Heroin nehmen können. Hier gibt es nur drei.“ Er sei etwas verwundert gewesen, dass es trotz zahlreicher Standortprüfungen lange nicht gelungen sei, eine Immobilie für einen Drogenkonsumraum zu finden.
Entscheidung im tödlichen Glukose-Fall verteidigt
Anlässlich seiner offiziellen Vorstellung verteidigte Nießen erneut seine Entscheidung, die in den tödlichen Glukose-Fall verstrickte Heilig-Geist-Apotheke sowie zwei weitere Apotheken des selben Besitzers geöffnet zu lassen. Im September waren eine Schwangere und ihr Baby an multiplem Organversagen gestorben, nachdem die Frau eine vergiftete Glukose-Lösung eingenommen hatte, die in der Longericher Apotheke hergestellt worden war.
Zur Person
Johannes Nießen (62) wurde in Leverkusen-Opladen geboren und absolvierte sein Medizinstudium in Aachen und Bonn. Als Aids-Fachkraft war er zunächst in Bonn tätig, bevor er 1995 zum Gesundheitsamt nach Hamburg ging.
Als neuer Leiter des Kölner Gesundheitsamts (seit Juli) will er sich insbesondere um Kinder und Jugendliche kümmern, etwa beim Thema frühes Übergewicht. Die Impfungsraten will er auf 100 Prozent anheben. Er will die wohnortnahe Versorgung psychisch Kranker verbessern und Gesundheitsgespräche für Bürger einführen. (jac)
Das darauf folgende Krisenmanagement hatte zahlreiche Fragen aufgeworfen: Die Kölner entschieden, nur die Herstellung und den Verkauf selbst abgefüllter Medikamente zu verbieten. Wenige Tage darauf verfügte das Land dagegen zum Schutz der Bevölkerung die komplette Schließung.„Wir waren vor Ort und wir hatten Kontakt mit dem Besitzer der Apotheken“, sagte Nießen. Es sei aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig gewesen, den Verkauf vollständig zu verbieten. Mittlerweile hätten zwei Amtsapotheker bestätigt, dass der Besitzer eine neue Qualitätssicherung eingeführt hat. So sei unter anderem ein Prüfgerät angeschafft worden, mit dem jeder Inhaltsstoff vor der Verwendung nochmals identifiziert werden kann.
Noch im November soll in Abstimmung mit dem Land das Verbot für die Rezeptur deshalb aufgehoben werden.