Köln – In der Affäre um ein als Unterkunft für Flüchtlinge genutztes Hotel der CDU-Politikerin Andrea Horitzky gerät die Stadtverwaltung in Erklärungsnot. Der Vertrag mit der Dellbrücker Hoteleigentümerin wurde im Oktober 2017 unterzeichnet – zu einem Zeitpunkt, an dem die Flüchtlingszahlen längst wieder gesunken waren und die Stadt auf die teure Art der Unterbringung hätte verzichten können.
Dennoch entschied das Wohnungsamt, die Vereinbarung mit Horitzky mit einer siebenjährigen Laufzeit zu versehen. Kein anderes der rund 40 Kölner Hotels, in denen geflüchtete Menschen leben, hat einen derart langfristigen Vertrag – der dem Vernehmen nach obendrein unkündbar sein soll. Fakt ist, dass Horitzky für ihr Zehn-Zimmer-Hotel 84 Monate lang mit jeweils mehr als 32.000 Euro aus der Stadtkasse rechnen kann – insgesamt mit mehr als 2,5 Millionen Euro.
Eine weitere Frage, die die Verwaltung in dem Zusammenhang beantworten muss: Warum hat sie die Angelegenheit entschieden, ohne den Stadtrat zu informieren? Die Kölner Vergabeordnung, ein selbst auferlegtes Regelwerk, scheibt vor, dass Geschäfte im Umfang von mehr als einer Million Euro der politischen Zustimmung bedürfen.
„Es geht hier um die Verwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe. Intransparente Hinterzimmer-Politik und skrupellose Geschäftemacherei mit dem Leid geflüchteter Menschen können wir nicht akzeptieren“, sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Paetzold, am Dienstag.
Das Presseamt hält sich bedeckt
Die Verwaltung habe ihre Entscheidung „an allen politischen Gremien vorbei getroffen“. Die SPD kündigte eine Anfrage für die kommende Sitzung des Sozialausschusses an. „Wer in der Stadtverwaltung war in diese Vorgänge involviert? Wie wurde sichergestellt, dass alle Vorschriften zur Korruptionsprävention lückenlos eingehalten worden sind?“
Das Presseamt hält sich mit Antworten zurück. „Die Oberbürgermeisterin hat einen umfassenden Prüfauftrag zu den verschiedensten Aspekten und Fragestellungen hinsichtlich der Unterbringung von Geflüchteten in Hotels und Beherbergungsbetrieben erteilt“, hieß es. Ergebnisse sollen bis Ende der Woche vorliegen. „Nach Auswertung werden wir entsprechend informieren“, so Presseamtsleiter Alexander Vogel.
Hotelunterbringung teilweise sinnvoll
Sozialdezernent Harald Rau sagte in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses, die Stadt wolle auf die Hotelunterbringung nicht verzichten. Für Familien beispielsweise, die besonders schutzbedürftig seien, seien sie besser geeignet als größere Unterkünfte mit ihren unterschiedlichen Bewohnergruppen.
Horitzky gehört dem Vorstand der Kölner CDU an. Zur Landtagswahl im vorigen Mai wurde sie von ihrer Partei als Kandidatin für Mülheim benannt; sie unterlag dem Sozialdemokraten Martin Börschel. Zu den Wahlkampf-Unterstützern Horitzkys zählte Bürgermeister Hans-Werner Bartsch. Er soll sich zudem bei der Bauaufsicht für die Hotelbetreiberin eingesetzt haben. Bartsch befindet sich derzeit auf einer Asienreise und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
CDU-Mitglieder fordern Rücktritt
Was Horitzkys Geschäfte mit der Stadtverwaltung angeht, spricht man in der CDU von „Vertuschung“. Nicht sie selber als Geschäftsführerin habe ihr Haus im Herbst 2015 als Wohnstätte für Flüchtlinge angeboten, sondern eine Angestellte. Damals sei jedoch kein Mietvertrag zustande gekommen. Denn die Forderungen übertrafen die Beträge, die die Verwaltung zu zahlen bereit war. Anfangs war den Vertretern der Kommune womöglich gar nicht bewusst, mit wem sie verhandelten.
In der CDU wird nun vereinzelt der Rücktritt Horitzkys aus dem Vorstand gefordert. Parteichef Bernd Petelkau will das Thema am kommenden Montag im Vorstand besprechen. Die CDU hält es für falsch, abgesehen von akuten Notsituationen, Flüchtlinge in Hotels einzuquartieren. Die Vereinbarung zwischen der Stadt und Horitzky sei „rechtlich gesehen einwandfrei“, so Petelkau. „Wenn man ein Parteiamt hat, ist das aber immer auch eine Frage der Sensibilität.“
„Erwarten eine Erklärung“
SPD-Chef Jochen Ott forderte seinen christdemokratischen Amtskollegen zur Aufklärung auf: „Wenn die CDU angeblich aus derUnterbringung in Hotels aussteigen will, warum stellt ein CDU-Vorstandsmitglied dann genau dafür ihr Hotel zur Verfügung? Wir erwarten auch von Herrn Petelkau hierzu eine Erklärung.“
Freie-Wähler-Ratsherr Walter Wortmann kritisierte die „Abzocke zulasten der Allgemeinheit – ich schäme mich“. Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma, Ehrenvorsitzender der Kölner CDU, stellt sich die gleichen Fragen wie viele andere auch. „Für mich ist es schon etwas komisch, dass im Oktober 2017 so ein Vertrag geschlossen wird – dabei war der Höhepunkt der Flüchtlingswelle zu dem Zeitpunkt längst überschritten.“