AboAbonnieren

Schock-Werner zur Station HansaringKölner Firma reinigt „Haltestelle des Grauens“ auf Eigeninitiative

Lesezeit 3 Minuten
Der Hansaring gilt als „Haltestelle des Grauens“. Nun wird sie von einer Reinigungsfirma auf Eigeninitiative der Stadt gesäubert.

Der Hansaring gilt als „Haltestelle des Grauens“. Nun wird sie von einer Reinigungsfirma auf Eigeninitiative der Stadt gesäubert.

Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner besucht erneut die ihrer Meinung nach schlimmste Bahnhaltestelle Kölns. Was sich verändert hat.

„Wie schön wäre Wien / ohne Wiener“ sang Georg Kreisler in einem seiner bitterbösen Couplets. Wenn ich mir die Kölner Schmuddelecken anschaue, kommen mir gelegentlich fast so wüste Fantasien wie dem österreichischen Dichter, Komponisten und Sänger. Aber dann reiße ich mich zusammen und denke mir: „Noch hässlicher wäre Köln ohne die Kölner.“

Es gibt ja doch sehr, sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt, die den Begriff des „Bürgers“ ernst nehmen. Er bedeutet nicht bloß, irgendwo seinen ersten oder zweiten Wohnsitz zu haben, sondern für den eigenen Ort Verantwortung zu übernehmen – auch und gerade da, wo die öffentliche Hand zittert oder gar in der Hosentasche bleibt.

Für die Sauberkeit fühlte sich niemand zuständig

Ein solcher (Aus-)Fall – und insofern zunächst mal ein großes Ärgernis, nicht nur für mich – ist die S- und U-Bahnstation Hansaring, von mir schon mehrfach mit allerlei uncharmanten Beinamen belegt wie „die Haltestelle des Grauens“. Zuletzt hatte ich Ende August über den ekelhaften Zustand der Anlage geschrieben. Mit einem, wie ich zugebe, gewissen Unbehagen: Würden die Verantwortlichen meine von vielen Kölnerinnen und Kölnern geteilte Klage weiter notorisch ignorieren? Würde sich wieder nichts zum Besseren wenden?

Auch die Treppen werden gereinigt.

Auch die Treppen werden gereinigt.

Was die Stadt Köln und die Deutsche Bahn betrifft, muss ich fast zwei Monate später leider sagen: Genau so ist es gekommen. Niemand hat sich zuständig gefühlt. Nichts ist passiert. Aber dann erreichte mich vor ein paar Tagen eine Nachricht der Firma Merbeck Gebäudeservice aus Riehl: „Am 15.10. und 16.10. führen wir im Rahmen unserer Initiative ‚Wir machen Köln sauber‘ eine umfangreiche Reinigung am Hansaring durch.

Anlass ist der Bericht im ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ über die Zustände an dieser Haltestelle“, schrieb Marketing-Chef Marcel Kante in einer Mail. Ich war natürlich hellauf begeistert und wollte das Werk persönlich in Augenschein nehmen. Um vier Uhr früh hatten Vorarbeiter Sven Langerfeld und „seine Jungs“ am Dienstagmorgen mit dem Sandstrahlen am Zugang zur S-Bahn auf der zum Hansa-Gymnasium hin gelegenen Seite der Haltestelle begonnen. Als ich gegen 11 Uhr dort auftauchte, war der Vorher-Nachher-Effekt bereits eindrucksvoll zu sehen.

Dagegen muss man doch was unternehmen, aus Liebe zur Stadt.
Marcel Kante, Sprecher von Merbeck Gebäudeservice

Als sich die Kölner Stadtführerinnen und Stadtführer vor ziemlich genau einem Jahr darüber beschwerten, wie schlimm es in Köln aussehe, seien sie bei Merbeck ins Nachdenken gekommen, erzählte Kante bei unserem Treffen vor Ort. „Dagegen muss man doch was unternehmen, aus Liebe zur Stadt.“ Das seit 1905 in Köln ansässige Traditionsunternehmen sehe es als seine Pflicht, für mehr Sauberkeit in der Stadt zu sorgen. Ein Test im Bereich zwischen Alter Markt und Heumarkt sei „viral gegangen“: Endlich tut mal jemand 'was! Klasse! Macht weiter! So beflügelt, kam es zur monatlichen „Wir machen Köln sauber“-Aktion, für die sich die Firma immer einen anderen Schandfleck sucht und dort für ein besseres Bild sorgt. Zur Hälfte auf eigene Kosten, zur anderen Hälfte mit Beteiligung weiterer Finanziers.

„Wir machen Köln sauber“-Aktion reinigt Hansaring

Beim Hansaring ist das die „sat Gruppe“, die auf die Sanierung von Brand-, Wasser- und Elementarschäden spezialisiert ist. Die Fortsetzung der Kooperation einmal pro Quartal sei geplant. Am heutigen Mittwoch wollen die Leute von Merbeck noch mit Hochdruckreiniger an die Treppenaufgänge ran, wo es ganz erbärmlich stinkt.

Ob sich die Stadt denn auch gemeldet habe, wollte ich wissen. „Wir haben erstmal losgelegt und uns gedacht: Schauen wir mal, was passiert“, so Kante. „Denn so wie es ist, kann es nicht bleiben.“ Aber: „Noch warten wir auf eine Reaktion.“ Das ist einerseits schon wieder ein Kopfschütteln wert. Andererseits: Wenigstens gab es vonseiten der Verwaltung kein Verbot für dieses bemerkenswerte bürgerschaftliche Engagement.

Aufgezeichnet von Joachim Frank