Mit 2100 Kubikmetern Beton wird die Baugrube stabilisiert – voraussichtlich bis zum Ende des Jahres soll sie oben wieder geschlossen sein.
Kölner WaidmarktDarum wird 30 Stunden am Stück Beton in die Stadtarchiv-Grube gepumpt
Wer sich als Passant am Freitag an den Anfang der Severinstraße stellte, hätte die Stoppuhr zücken können: Alle drei bis vier Minuten fährt ein Fahrmischer von unten an die Stadtarchiv-Einsturzstelle am Waidmarkt heran. Der Beton dreht sich unaufhörlich. Teilweise reihen sich fünf Betonmischer hintereinander ein, bevor sie einzeln runter zur Einsturzstelle fahren können, um ihre Ladung abzuliefern. Über der Einsturzstelle ragen drei weiße Betonpumpen empor, die den flüssigen Beton in die Tiefe befördern. Diese „Großbetonage“, wie die KVB sie nennt, dauert insgesamt fast 30 Stunden. Aber – was passiert hier eigentlich genau?
Warum findet die Großbetonage statt?
Am 3. März 2009 stürzte in Folge der Arbeiten an der Nord-Süd-Stadtbahn das Kölner Stadtarchiv ein. Zwei junge Männer starben, eine Frau nahm sich wenige Wochen danach das Leben. Seitdem befindet sich am Waidmarkt ein riesiges Loch. Bis das geplante Gleiswechselwerk für die Nord-Süd-Bahn wie geplant unter dem Waidmarkt entstehen kann und die KVB-Bahnen dann von der Haltestelle Severinstraße weiter bis zum Heumarkt fahren können, muss die Baugrube erstmal stabilisiert und saniert werden. Dafür wird nun bereits zum zweiten Mal im Auftrag der KVB und der Arge Los Süd eine große Menge Beton in die Baugrube gepumpt.
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Was passiert bei der Großbetonage?
KVB-Sprecherin Gudrun Meyer erklärt das Prozedere vereinfacht so: „Stellen Sie sich einen hohen Karton vor. Wenn Sie von außen auf den Karton drücken, knickt er ein. Wenn Sie den Karton aber komplett füllen, passiert das nicht.“ In etwa so lässt sich das auf die Baugrube am Waidmarkt übertragen. Denn was von außen drückt, ist nicht nur die Erde, sondern auch das Grundwasser. Die Baustelle liegt nämlich größtenteils unter dem Grundwasserspiegel. Sie hat drei Etagen, die unterste wurde bereits im November im Rahmen einer ersten Großbetonage komplett verfüllt. Darüber befindet sich eine Zwischendecke, dann folgt das mittlere Stockwerk. Dieses wird nun bei der zweiten Großbetonage ausgefüllt. Über dem mittleren Stockwerk liegt eine weitere Zwischendecke, das oberste Stockwerk ist dann nach oben hin offen.
Wie viel Beton wird in die Baugrube gepumpt?
Bei der ersten Großbetonage im November waren es 1.360 Kubikmeter Beton, bei der zweiten sind es nun sogar 2.100 Kubikmeter Beton. 300 Betonmischfahrzeuge bringen das Material aus drei Betonwerken in Pulheim, Eschweiler und Hürth. Unterirdisch sind auch Taucher im Einsatz, die dafür sorgen, dass der Beton gleichmäßig verteilt wird. Sollten nach der Verfüllung noch kleine Spalten frei geblieben sein, werden diese Hohlräume noch mit Beton verpresst.
Wie lange dauert die Großbetonage?
Von Freitag 8 Uhr an bis am Samstag, um 14 Uhr, also fast 30 Stunden lang wird ununterbrochen Beton in die Grube gepumpt. Für die Arbeiten über Nacht gab es eine Sondergenehmigung. Rund 50 Arbeiter wechseln sich im Schichtsystem ab. Am Freitagmittag sagt Gudrun Meyer: „Es läuft alles nach Plan.“
Wie geht es nach der Großbetonage weiter?
Der nächste große Schritt ist, eine sogenannte „Vorsatzschale“ in die oberste, also nicht mehr im Grundwasser liegende, Ebene zu bauen. Die oberste Ebene wird dazu von innen rundherum mit einer etwa 80 Zentimeter dicken Betonschicht „verschalt“. Die Schlitzwände der Baugrubenumschließung werden dadurch stärker miteinander verbunden. Auf diese Schlitzwände werden dann noch Stahlbetonbalken aufgebracht. Auf eine Konstruktion von Stahlträgern werden anschließend Stahlbetonplatten gelegt und die Baugrube damit „abgedeckelt“.
Was heißt das?
Dass die Baugrube dann oben wieder geschlossen sein wird. Die KVB geht aktuell davon aus, dass das Ende 2024/Anfang 2025 der Fall sein wird. Es bleiben dann nur noch kleine Luken offen, durch die Material und Arbeiter in die Tiefe gelangen können. Danach finden die Arbeiten in den kommenden Jahren vor allem unter dem Deckel statt. Für die Anwohnerinnen und Anwohner geht die Lärmbelästigung daher auch deutlich zurück. Perspektivisch kann dann die Schallschutzwand oben am Waidmarkt eingerückt werden und 2025 ein drei Meter breiter Fahrradweg eingerichtet werden. Der Busverkehr wird noch nicht wieder über die Baugrube geführt werden, weil auch weiterhin Kräne oder große Anlieferungen an den Waidmarkt kommen werden.
Wie geht es dann in der Tiefe weiter?
Sobald oben der Deckel drauf ist, wird sich wieder nach unten vorgearbeitet. Der verfüllte Beton wird nach und nach wieder abgebrochen und herausgeholt und die Grube von innen stattdessen mit Stahlausscheifungen stabilisiert. Die Abbrucharbeiten müssen wieder Taucher durchführen, da die Baugrube noch immer mit Grundwasser gefüllt ist. Das kann erst abgepumpt werden, sobald die gesamte Baugrube freigeräumt ist und eine endgültige Sohle für das Bauwerk betoniert wurde. In der Tiefe liegen seit 15 Jahren auch noch Schutt und Baugeräte vom Einsturztag – darunter sogar ein Kleinbagger. In acht Jahren soll der Rohbau dann fertig sein. 23 Jahre nach dem Stadtarchiv-Einsturz.