Vor 150 Jahren wurde das Krankenhaus eröffnet. Später kamen hier berühmte Kölner zur Welt. Bis heute übt das Hospital große Strahlkraft aus.
Südstadt-KrankenhausIm Severinsklösterchen werden seit 101 Jahren die „echten Kölner“ geboren
Die kölsche Sozialisation beginnt nicht im Kinderkarneval oder beim ersten Ausflug ins Hänneschen-Theater. Wer als Kölner von Anfang an alles richtig machen will, sollte gefälligst an der Severinstraße auf die Welt kommen, so die weit verbreitete Ansicht. Hier, im fünften Stock des Krankenhauses der Augustinerinnen, wo sich die einzige Geburtsstation in der Kölner Innenstadt befindet, muss das Leben beginnen, soll es wirklich kölsch sein.
Vom Kreißsaal geht der Blick auf den Dom
1923, als die Geburtsstation in Betrieb genommen wurde, war Hans Becker der erste Säugling, der auf diese Weise „geadelt“ wurde. Er wurde später dann auch prompt Präsident der Prinzen-Garde. In diesen Tagen war auf der Geburtshilfe Oskar Pfeil anzutreffen, liebevoll getragen von seinen Eltern Christian und Debora. Oskar, vielleicht zwölf Stunden alt, dürfte etwa Kind Nummer 91.000 sein, das im „Severinsklösterchen“ das Licht der Welt erblickte. Könnten Neugeborene schon richtig sehen, hätte er vom Kreißsaal aus den Dom erkennen können.
Severinsklösterchen – so nennen die Kölner seit jeher liebevoll das Hospital in der Südstadt, das in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert. Das erste katholische Krankenhaus im Kölner Süden entwickelte sich zu einer Institution und zu einem Mythos. Schon lange gelte es unter Kölnern als besonderes Qualitätsmerkmal, innerhalb der Ringe geboren worden zu sein, sagt Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs: „Das ist eine tradierte Volksmeinung, die sich verselbstständig hat.“
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Vier Zimmerkategorien gab es früher
Aber auch die medizinische Qualität hat zum guten Ruf beigetragen. Schwestern der Ordensgemeinschaft der Cellitinnen, die nach der Regel des Heiligen Augustinus lebten, hatten 1869 an der Severinstraße 53 ein altes Patrizierhaus gekauft, um ein eigenes Mutterhaus zu gründen. 1873 wurden hier neben Pensionärinnen auch kranke Menschen aufgenommen, ein Jahr später folgte die Grundsteinlegung für eine Erweiterung.
Das Krankenhaus der Augustinerinnen entstand und hatte nach wenigen Jahren schon 120 Betten. Vier Zimmerkategorien standen zur Wahl. In der „ersten Klasse“ war dem Kranken- und Liegezimmer ein Empfangs- und Wohnraum angeschlossen. Anders als das Bürgerhospital, wo die Pflege ebenfalls von Cellitinnen übernommen worden war, galt das Krankenhaus an der Severinstraße damit auch unter wohlhabenden Patienten als salonfähig.
Die Ordensschwestern haben sich fast völlig zurückgezogen
Baulich hat sich seitdem eine Menge getan, aus alten Zeiten hat nur der so genannte Terrassenbau aus dem Jahr 1931 überlebt. Er entstand als Teil eines kompletten Neubaus. Auch die Ordensschwestern haben sich, bis auf zwei Ausnahmen, aus dem Krankenhaus-Alltag zurückgezogen.
Im Jahr 2001 ging die Trägerschaft von der Genossenschaft der Cellitinnen in die neu gegründete Stiftung der Cellitinnen über und damit in weltliche Hände. „Aber der christliche Geist ist noch heute Teil der Hauskultur“, sagt Krankenhaus-Sprecherin Eva Lippert. Neben dem Haupteingang an der Jakobstraße wacht eine Figur des Heiligen Augustinus, auf dem Gelände befindet sich ein Konvent der Ordensgemeinschaft und auch den Patienten stehen eine Kapelle sowie seelsorgerische Angebote zur Verfügung.
Natürlich ist das Severinsklösterchen auch für andere Disziplinen als die Geburtshilfe bekannt. Überregionales Renommee genießen etwa die Onkologische Chirurgie, die Kardiologie oder die Pneumologie. Doch bei den Kölnern wirklich populär ist vor allem der fünfte Stock.
Wolfgang Niedecken und Wicky Junggeburth wurden hier geboren
Die christliche Tradition des Krankenhauses und der Gründungsstandort innerhalb der 1881 niedergerissenen mittelalterlichen Stadtmauer übten noch immer eine große Strahlkraft auf werdende Eltern aus, sagt Jan Schmolling, Chefarzt der Frauenklinik. Manche von ihnen sind prominent, so mancher Säugling wird später prominent. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken oder Wicky Junggeburth, Karnevalsprinz von 1993, zählen zu den Kindern des Severinsklösterchens.
Fünf bis sechs Geburten pro Tag, also rund 2000 pro Jahr finden auf Schmollings Station statt. Alle sechs Kreißsäle, die Ambulanz und die Wochenbettstation befinden sich auf einer Ebene. Für geplante Kaiserschnitte gibt es einen Operationssaal, für die sehr selten vorkommenden Notfälle einen zweiten: „Das gibt es sonst nirgendwo in Köln“, sagt Jan Schmolling. Wichtig sei ihm neben aller medizinischer Professionalität aber auch die emotionale Zuwendung zu den Müttern und Vätern.
„Das ist ein persönliches Haus“, so der Chefarzt: „Persönliche Fürsorge und Empathie haben einen hohen Stellenwert.“ Ein neuer Ansatz in der Geburtshilfe hielt schon in den 1970er Jahren Einzug. Waren die Kreißsäle zuvor eher kalt und unpersönlich, konnten sich Gebärende dort nun wohlfühlen. Neu war auch das „Rooming in“: Die Zeiten, in denen Neugeborene getrennt von ihren Müttern versorgt wurden, gingen zu Ende.
Auch im Krieg kamen hier Kinder zur Welt
Natürlich gab es auch Durststrecken an der Severinstraße zu bewältigen. Während des Ersten Weltkriegs hatten die Ordensschwestern und das weltliche Personal bis zu 250 Soldaten gleichzeitig zu versorgen – zusätzlich zu den zivilen Patienten. Im Zweiten Weltkrieg gab es immer wieder Beschädigungen zu beklagen. Ärzte und Pflegerinnen löschten selbst Feuer und retteten Kranke vor den Flammen. Die Inneneinrichtung war nach 1945 unbrauchbar, das Gebäude jedoch noch nutzbar – ein kleines Wunder im großen Elend. Viele kleine Wunder geschahen obendrein: Die Geburtshilfe stellte auch in den Wirren des Kriegs ihren Betrieb nicht ein.
Trotz der beengten Innenstadtlage: Umbauten und Erweiterungen sind allgegenwärtig im Severinsklösterchen. Der zentral gelegene Garten bleibt dabei ein Ort der Entspannung und Ruhe. Auch hier geht es urkölsch zu. Einen der Kastanienbäume pflanzte kurz vor seinem Tod der große Willy Millowitsch.