Innenstadt – Auch nach dem vorläufigen Aus für den Bebauungsplan im Belgischen Viertel reißt die Diskussion über ein Für und Wider eines solchen Regelwerks nicht ab. Nach mehr als sechs Jahren Aufstellungs- und Beratungszeit hatte der Stadtentwicklungsausschuss kürzlich mit einer breiten Mehrheit von Grünen, CDU, SPD und Volt gegen FDP und Linke gegen die Fortführung des Planverfahrens votiert. Das hatte – grob gefasst – das Ziel, das Viertel als Wohnquartier zu stärken und einen „Wildwuchs“ von Kneipen, Bars, Clubs und Gaststätten zu verhindern, die vorhandenen Läden im Gegenzug aber auch planungsrechtlich zu sichern.
Kritiker sahen in dem Bebauungsplan ein Instrument zur weiteren Gentrifizierung des Viertels durch steigende Mieten infolge der Ausweisung als Wohngebiet und zu starren Regelungen für Gewerbe- und Gastronomiebetriebe. Die Debatte ist allerdings noch längst nicht zu Ende, wie sich vor Ort zeigt.
Bürger sehen ihr Veedel bedroht
„Es gab im bisherigen Verfahren immense Rückmeldungen von Bürgern, die ihr Veedel nun in seiner Vielfalt bedroht sehen“, unterstreicht CDU-Ratsmitglied Dirk Michel. Mit seinem Ratskollegen Florian Weber sowie Günter Leitner aus der Bezirksvertretung Innenstadt und dem CDU-Ortsverbands-Geschäftsführer Peter-Udo Stodden lud er zum Gespräch ein.
Im Gegensatz zum Entscheid der Parteifreunde im Stadtentwicklungsausschusses stehe man nach wie vor zum Bebauungsplan und werbe für einen Neuanlauf. Auch der City-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) hatte vehement für den Bebauungsplan plädiert. „Eine Planung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch, also ohne B-Plan im Hintergrund, bedeutet Feuer frei für alle Vorhaben, und zudem mehr Klage-Unsicherheit für Kultur und Gastronomie“, ergänzt Leitner. Paragraf 34 besagt, dass alles erlaubt ist, was der ortsüblichen Bebauung entspricht. Ein Plan ist dann nicht zwingend vorgeschrieben. „Ein Bebauungsplan schützt immer Schwächere – die Kunst, Kultur, kleine Gaststätten sowie die Wohnbevölkerung“, so Leitner.
Gastronomie durch die starren Regelungen eingeschränkt
Der Plan hätte die vorhandene Gastronomie und die Geschäfte gesichert, weil er Gaststätten und Einzelhandel in Teilbereichen des Viertels ausdrücklich vorgesehen hatte. Nun könne dem Veedel mangels Regulierung blühen, dass etwa Spielhallen eröffneten, die Systemgastronomie einen Siegeszug antrete oder es noch mehr Kioske gebe. Das abendliche Treiben auf dem Brüsseler Platz lasse grüßen.
Gleichzeitig seien auch bestehende, alteingesessene Adressen bedroht, weil bei Nachbarschaftsklagen jedes Mal Verwaltung und Gerichte entscheiden müssten. „Der Verzicht auf den Bebauungsplan ist ein Konjunkturprogramm für Anwaltskanzleien“, sagte der langjährige CDU-Bezirksvertreter.
Eine weitere Idee abseits des Planverfahrens sei ein gemeinsames, identitätsstiftendes Fest fürs Belgische Viertel, etwa eines mit Bezug auf die belgische Partnerstadt Lüttich, die auch Namensgeberin einer Straße im Veedel ist, schlägt Leitner im Namen der CDU vor.
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Die IG Belgisches Viertel, ein Zusammenschluss von Nachbarn, Gastwirten und Geschäftsleuten im Veedel, begrüßt hingegen den Planungsstopp. Insbesondere die Gastronomie wäre durch die starren Regelungen zu sehr eingeschnürt und bei Konzept-Veränderungen, Umbauten oder Betreiberwechseln bedroht worden. Die Schaffung von neuem Wohnraum im Viertel, etwa durch Nachverdichtung, wäre mit einem B-Plan schwierig bis unmöglich, erläuterten Paulina Rduch, Lutz Marquardt und Jakub Sztur von der IG bei einem Treffen auf der Terrasse des „Hallmackenreuther“ am Brüsseler Platz.
IG möchte das Veedel lebenswerter machen
Und um den Brüsseler Platz nachts zu beruhigen, tauge der Plan überhaupt nicht, denn die dortigen Probleme seien nicht baurechtlicher Natur, sondern nur ordnungsrechtlich, sowie im fortwährenden Gespräch mit der Nutzerschaft zu lösen. „Die Gastronomie beruhigt den Brüsseler Platz sogar, denn auf ihren Flächen läuft alles geordnet ab. Wenn wir alle Gaststätten und Clubs schließen würden, hätten wir trotzdem nächtlichen Lärm auf dem Brüsseler Platz – dann sogar erst recht“, so Marquardt.
Die Petition zum Stopp des B-Plans hatten 8000 Leute unterzeichnet, darunter 1510 aus dem Viertel. „Wir sind einfach ein Innenstadtviertel. Wo soll großstädtisches Leben stattfinden, für das Köln bekannt und beliebt ist, wenn nicht hier?“ fragt Rduch. „Wenn wir das Viertel zu einem reinen Wohngebiet beruhigen, ist niemandem geholfen.“
Ehrenfeld sowie das Gebiet zwischen Deutz und Mülheim seien warnende Beispiele. Dort sei zum Teil die Ausgeh- und Clubkultur verschwunden. Schon jetzt sei das im Belgischen Viertel ebenfalls zu beobachten. Das „Roxy“ und das „Stecken“ hätten schon geschlossen. Die Kneipe „Frieda“ hätten Nachbarn auf dem Kieker, ein weiteres prominentes Beispiel sei die Volksbühne am Rudolfplatz, das frühere Millowitsch-Theater. „Erst ist es der Kiosk, dann das Theater, und zum Schluss darf der Dom nicht mehr läuten“, skizziert die Gruppe ihre Sorgen, wohin sich Köln entwickelt. Seitens der IG wolle man beitragen, das Veedel noch lebenswerter zu machen – wozu ein Verkehrs- sowie ein Müllkonzept gehört, womit man sich gerade beschäftige.