AboAbonnieren

Lärmstreit am Brüsseler PlatzStadtrat Köln lehnt Zäune ab

Lesezeit 3 Minuten
Menschen stehen Schlange an einem Kiosk an der Brüsseler Straße.

Menschen stehen Schlange an einem Kiosk an der Brüsseler Straße.

Die Verwaltung muss für Ruhe am Brüsseler Platz sorgen. Ein Gericht hatte erste Ideen, wie das gelingen soll. So steht der Stadtrat dazu.

Im Kölner Stadtrat gibt es aktuell keine Mehrheit für eine mögliche Umzäunung der Kirche St. Michael am Brüsseler Platz. Das hat eine Abfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ergeben.

Die Idee mit dem Zaun hatte das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) im September 2022 genannt, als es die Verwaltung dazu verurteilte, den Lärm an dem Platz im Belgischen Viertel zu reduzieren, um die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen. Das Urteil ist jetzt rechtskräftig, weil das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Beschwerde der Stadt abgelehnt hat (wir berichteten). Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es?

Am Brüsseler Platz versammeln sich vor allem an warmen Sommerabenden viele kleine Gruppen rund um St. Michael. Zusammen genommen sind es schon mal Hunderte Menschen. Isoliert betrachtet sind die Kleingruppen nicht zu laut, doch als Menschenmenge schon. Das macht es rechtlich schwierig, dagegen vorzugehen. Im Jahr 2015 hatten fünf Anwohner die Stadt verklagt, sie forderten die Verwaltung auf, zwischen 22 und 6 Uhr für Nachtruhe zu sorgen. Das OVG sah das 2022 auch so. Demnach sind die Lärm-Messwerte „jenseits von Gut und Böse“ und „nicht zumutbar“.

Die Kirche St. Michael am Brüsseler Platz

Die Kirche St. Michael am Brüsseler Platz.

Hat die Stadt bisher nichts getan?

Doch. Die Stadt hat einiges ausprobiert, unter anderem versuchen Vermittler an bestimmten Tagen, die Menschen zum Verlassen des Platzes zu bewegen. OVG-Richterin Annette Kleinschnittger sagte aber: „Die bisherigen Maßnahmen der Stadt sind evident unzureichend.“

Was empfahl das Gericht?

Kleinschnittger urteilte, die Stadt müsse etwas tun, sie sagte aber nicht, was. Doch sie nannte zumindest Optionen, etwa ein zeitlich begrenztes Alkoholkonsumverbot oder ein nächtliches Verweilverbot. Und sie regte „als letztes Mittel“ sogar einen Zaun um die Kirche an.

Manfred Richter von den Grünen

Manfred Richter von den Grünen

Wie geht es jetzt weiter?

Die Stadt teilte vorige Woche zu möglichen Maßnahmen mit: „Bei der Ausgestaltung wird sich die Stadt Köln an den vom Oberverwaltungsgericht erwähnten Maßnahmen (Alkoholkonsumverbot, Verweilverbot, Teilentziehung der Widmung/Einzäunung) orientieren und diese der Politik zur Entscheidung vorlegen.“ FDP-Vizefraktionschef Volker Görzel sagte: „Ich befürchte, die Verwaltung möchte hier den ‚Schwarzen Peter‘ an die Politik weitergeben, weil sich die Verwaltung scheut, unbequeme Maßnahmen durchzusetzen.“ Die Grünen fordern noch in diesem Jahr erste Vorschläge, Vize-Fraktionschef Manfred Richter hält aber keine der drei Maßnahmen für „wirklich geeignet“.

Wie steht der Rat zu einem Zaun?

Grüne (26 von 90 Sitzen), SPD (19), Linke (6) und Volt (4) lehnen diese Möglichkeit ab. Richter bezeichnete einen Zaun als „lebensfremd“. Für die FDP (5) wäre es laut Görzel nur „letztes Mittel“, Fraktionschef Bernd Petelkau sagte für die CDU (20 Sitze), es „könnte realisierbar sein“ und sollte „am intensivsten geprüft werden“. Ergebnis: keine Mehrheit.

Was wäre mit einem Alkoholkonsumverbot?

Grüne, SPD, Linke und Volt halten das für vorstellbar oder hilfreich, sehen aber auch Probleme. Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen wies darauf hin, wie schwierig es zu kontrollieren sei. Laut des ordnungspolitischen Sprecher Gerrit Krupp kann sich die SPD „ein zeitlich und beschränktes Alkoholverbot ab 22 Uhr vorstellen“. Die Linke sieht das ähnlich. Ergebnis: Mehrheit möglich.

Michael Oerder

Michael Oerder

Was ist mit dem Verweilverbot?

Laut FDP könnte es für „Abhilfe sorgen“, sei aber nur mit massivem personellen Einsatz des Ordnungsamtes durchsetzbar. Die anderen Fraktionen lehnen es ab oder sehen ebenfalls Probleme bei der Umsetzung. Ergebnis: keine Mehrheit.

Wie ist die rechtliche Lage?

Michael Oerder, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner bei Lenz und Johlen, sah voriges Jahr hohe Hürden für ein Alkoholkonsumverbot. Oerder sagte in einem Interview über einen möglichen Zaun: „Das Gericht hat nur mögliche Beispiele genannt, von denen ich glaube, dass das Gericht sie teils auch noch nicht zu Ende gedacht hat.“

Schlagen die Fraktionen andere Ideen vor?

Ja. Die SPD erneuerte ihre Idee eines Nachtbürgermeisters, der schlichtet. Grüne, FDP und Volt thematisieren eine Reduzierung der Außengastronomie.