Das Kölner Verkehrsdezernat arbeitet an einer Nutzen-Kosten-Untersuchung. Von dieser hängt die Zukunft der Ost-West-Achse ab.
FörderfähigkeitEntscheidung über U-Bahn-Tunnel in der Kölner City hängt am seidenen Faden
Die Entscheidung darüber, ob in der Kölner Innenstadt ein neuer U-Bahn-Tunnel auf der Ost-West-Achse entstehen wird oder nicht, hängt am sprichwörtlichen seidenen Faden. Im Verkehrsdezernat sind die zuständigen Mitarbeitenden zurzeit damit beschäftigt, die sogenannte Nutzen-Kosten-Untersuchung abzuschließen. Das Ergebnis wird dem Vernehmen nach in Kürze vorliegen.
Nur wenn der Wert höher als 1,0 liegt, könnte der U-Bahn-Tunnel zwischen Heumarkt und Aachener Weiher von Bund und Land gefördert werden. 1,0 markiert dabei den denkbar niedrigsten Wert, um überhaupt eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Je weiter dieser über 1,0 liegt, desto wahrscheinlicher ist ein positiver Förderbescheid. Wie aus dem Rathaus zu hören ist, wird die Berechnung für das Projekt auf der Ost-West-Achse entweder knapp über 1,0 oder knapp darunter liegen.
Kölner Stadtrat hatte Entscheidung Anfang 2019 verschoben
Die politische Entscheidung über das Jahrhundertprojekt ist die städtebaulich wichtigste, die der Stadtrat in dieser Wahlperiode treffen soll. Seit Jahren tauschen Politik, Verwaltung, KVB und diverse Bürgerinitiativen Argumente über das Für und Wider eines U-Bahn-Tunnels aus. Anfang 2019 hatte der Stadtrat die Entscheidung nach hinten geschoben, weil keine Mehrheit zustande kam.
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Seitdem plant die Stadt Köln parallel einen Tunnelbau und eine rein oberirdische Verlängerung der Bahnsteige. Dann könnten auch dort 90 Meter lange Züge zum Einsatz kommen, um auf der beliebten Strecke mehr Fahrgäste transportieren zu können. All die Mühen und Diskussionen könnten am Ende darin gipfeln, dass erst gar keine Entscheidung getroffen werden muss. Sollte der Förderwert unter 1,0 liegen, ist der U-Bahn-Tunnel vom Tisch. Ohne Förderung kann sich die Stadt Köln das Milliardenprojekt schlichtweg nicht leisten.
Architekten wie Ulrich Coersmeier, der die U-Bahn-Station am Heumarkt entwarf und sie bereits für einen neuen U-Bahn-Tunnel vorbereitete, betont immer wieder die Bedeutung des Projekts für die Entwicklung der Kölner Innenstadt. Gäbe es oben keine Gleise mehr, könnten etwa entlang der Cäcilienstraße, Hahnenstraße und Aachener Straße breite Räume für Fußgänger, Radfahrer und die Gastronomie geschaffen werden. „Es entsteht eine innerstädtische Kraftlinie mit hoher Aufenthaltsqualität“, sagte Coersmeier in einem Gespräch mit dem „Kölner-Stadt-Anzeiger“.
Das sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) völlig anders. Statt einen Tunnel zu bauen, solle eine „grüne Promenade“ angelegt werden, forderten am Mittwoch Vertreter der Kreisgruppe Köln bei einem Pressetermin auf dem Neumarkt. „Im Sommer ist die Kölner Innenstadt eine einzige Hitzeinsel“, sagte Helmut Röscheisen vom Vorstand. Eine fuß- und radverkehrsfreundliche Ost-West-Promenade trage dazu bei, die Auswirkungen der Klimaveränderung abzumildern.
Das Konzept der Naturschutzorganisation sieht vor, die Zahl der Spuren für Autos zu verringern und die somit frei werdenden Verkehrs- in Grünflächen umzuwandeln, etwa durch die Anpflanzung von Bäumen. Zudem könnte die KVB die Schienentrasse begrünen. Vier Kilometer begrünte Einzelgleise würden einer Vegetationsfläche von einem Hektar entsprechen, rechnet der BUND unter Berufung auf Experten vor.
Der Stadt- und Verkehrsplaner Heiner Monheim, der den Kölner BUND in seinem Anliegen entschieden unterstützt, sprach von einer „Tunnelitis“, einer „grassierenden Krankheit“, die bundesweit um sich gegriffen habe. Zum Ausstoß von Kohlendioxid bei der Verbauung von Beton kämen die Nachteile hinzu, dass der Bau einer Tunnelröhre sehr lange dauere und viel Geld verschlinge. Geld, das dann für andere, klimafreundliche Verkehrsprojekte fehle.
Speziell für den „autoumtosten und unattraktiven“ Neumarkt schlägt der BUND vor, die Straßenflächen zu reduzieren, sowohl den ÖPNV als auch den motorisierten Individualverkehr allein auf der Südseite fließen zu lassen sowie Bäume und Sträucher anzupflanzen. Ferner verlangt er, das innerstädtische Stadtbahnnetz durch Ring-, Quer- und Parallelverbindungen auszubauen; dazu gehöre ein „naturverträglicher“ links- und rechtsrheinischer Ringschluss der Linie 13 und der „seit vielen Jahren überfällige“ Ausbau des S-Bahn-Rings. Die Haltestellen sollten schnell und barrierefrei, das heißt möglichst ebenerdig, zu erreichen sein.
Entscheidung im Kölner Stadtrat dürfte denkbar knapp ausfallen
Die Stadtverwaltung wird voraussichtlich im Mai eine Beschlussvorlage für die Politik einbringen. Sollte der Nutzen-Kosten-Indikator über 1,0 liegen, werden sich die Ratsmitglieder zwischen dem Bau eines U-Bahn-Tunnels und einem rein oberirdischen Ausbau entscheiden können. Die Entscheidung dürfte denkbar knapp ausfallen. Eine möglicherweise geheime Abstimmung böte Abweichlern innerhalb der jeweiligen Fraktionen die Möglichkeit, das Ergebnis entscheidend zu beeinflussen.
Während sich CDU und FDP bereits darauf festgelegt haben, für einen Tunnel zu stimmen, haben Grüne und Linke diesem schon eine ebenso klare Absage erteilt. Während die SPD früher zu den Tunnelbefürwortern zählte, ist die eigene Position inzwischen dem Vernehmen nach nicht mehr ganz so klar. Fraktionschef Christian Joisten könnte in der Frage der Ost-West-Achse am Ende zu einer entscheidenden Person werden.