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#LiegendDemo in zwölf Städten150 Menschen liegen auf dem Kölner Heumarkt – für mehr Sichtbarkeit von ME/CFS

Lesezeit 3 Minuten
Liegenddemo auf dem Heumarkt für Menschen mit ME/CFS und Long Covid.

Liegenddemo auf dem Heumarkt für Menschen mit ME/CFS und Long Covid. Martina Goyert

ME/CFS ist eine neuroimmunologische Krankheit. An der Initiative beteiligten sich Menschen in zwölf deutschen Städten.

Um 14 Uhr liegen rund 150 Menschen auf dem Kölner Heumarkt. Sie demonstrieren für mehr Sichtbarkeit, eine bessere Forschung und umfassendere Versorgung für eine Krankheit, die bisher kaum im medizinischen Fokus war, als Folge einer Corona-Erkrankung jedoch immer häufiger auftritt. Kathrin Voß ist eine von ihnen. Der Rollstuhl, die Sonnenbrille und ein Gehörschutz sind ihre täglichen Begleiter, um ihrer Reizunverträglichkeit ein bisschen entgegenzuwirken. Seit zwei Jahren leidet die Grundschullehrerin an Post-Covid, oder anders, dem Chronic Fatigue Sydrome (ME/CFS).

„Es ist, als wäre dieser ursprüngliche Virus nie ganz weg gewesen. Manchmal stand ich morgens auf und dachte, jetzt wäre es weg, aber zwei Tage später, war es wieder schlagartig schlechter“, erzählt die Betroffene über die Anfänge ihrer Erkrankung. Mit der starken körperlichen Einschränkung hat sich auch das Wesen von Kathrin Voß stark geändert. Früher habe sie sich ohne große Mühe sechs oder mehr Dinge am Tag vornehmen und schaffen können. Heute freut sich die Lehrerin, wenn sie überhaupt einer ihrer Aufgaben vollwertig nachkommen kann. Doch auch das, klappt nur mit viel Unterstützung, sagt sie: „Ohne meinen Freund, der mich begleitet, hätte ich heute gar nicht erst kommen können.“

„Man kann sein Leben verlieren, ohne zu sterben“

So wie Kathrin Voß geht es vielen, die am Samstagnachmittag auf dem Heumarkt zusammengekommen sind. Doch nur selten werden Betroffene und ihre Angehörigen in der Medizin angemessen unterstützt. „In meiner Kartei stehen zehn Diagnosen. Ich sollte schon alles haben“, berichtet eine Betroffene. ME/CFS ist eine kaum erforschte Erkrankung, gehört aber nicht auf die Liste der seltenen Krankheiten. Patienten leiden meistens unter einem hohen Grad der Behinderung und einer extrem niedrigen Lebensqualität. Bereits 2021 waren 500.000 Fälle bekannt.

Insbesondere seit der Corona-Pandemie wird allerdings von einem großen Zuwachs durch Long-Covid-Betroffene ausgegangen. ME/CFS wird in der Regel durch einen Infekt ausgelöst, kann aber auch durch Unfälle, Impfungen oder Vergiftungen hervorgerufen werden, die nicht selten von Ärzten nicht- oder fehldiagnostiziert werden. In ganz Deutschland gibt es zwei regionale Anlaufstellen, jedoch kein zugelassenes Medikament. Die bisherigen Behandlungen basieren auf dem Wissen über Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, wie beispielsweise der Ergotherapie.

Unter den Demonstrierenden in Köln befinden sich am Nachmittag vor allem Eltern und Familienmitglieder der Betroffenen. „Man kann sein Leben verlieren, ohne zu sterben“ steht auf den Schildern, die sie in die Höhe strecken. Ute Behrend ist mit Familie und Freunden ihrer Tochter Julia angereist. Diese war gerade 26 Jahre alt, als sie am Chronic-Fatigue-Syndrome erkrankte. Der wanderlustigen und freiheitsliebenden jungen Frau wurde in kürzester Zeit die Lebensfreude geraubt. Heute muss sie die meiste Zeit im Bett liegen, hat kaum Kraft, sich zu bewegen und kann nur noch etwa zwei Stunden des Tages aktiv nutzen. Mit einer großen Gruppe sind ihre Angehörigen nach Köln gekommen, um für ihre Freundin, Tochter und Nichte zu demonstrieren.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach äußert sich zur Forschungslage

Neben vielen lokalen und nationalen Redebeiträgen von unter anderem den Professoren Habets und Scheibenbogen in Berlin, äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ebenfalls zu den Missständen in der medizinischen Forschung rund um das Chronic-Fatigue-Syndrome. „Diese Krankheit muss noch viel intensiver beforscht werden, sie muss in die Öffentlichkeit. Die Menschen mit dieser Krankheit leiden stark und sie dürfen nicht diskriminiert werden“, betont er.

Um genau diesem Ziel Nachdruck zu verleihen, fanden sich am sich die Betroffenen am Samstagnachmittag auf dem Heumarkt zusammen. Kathrin Voß ist beeindruckt von dem großen Zulauf: „Es ist einfach ein gutes Gefühl hier zu sein und zu sehen, dass man nicht alleine ist. Wir teilen dieses Schicksal und machen hier wirklich aktiv etwas dagegen!“

Am 12. Mai ist der internationale ME/CFS-Tag.