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Kölner Integrationsamt„In Stadtteilen mit hohen Inzidenzen Zugang zu Menschen finden“

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Die Hochhaussiedlung in Köln-Meschenich.

  1. Hans-Jürgen Oster ist Leiter des Integrationsamts und erläutert, warum die Stadt die Impfreihenfolge in manchen Vierteln aufhebt.
  2. Denn die Corona-Pandemie betrifft Menschen in Brennpunkt-Stadtteilen mehr als andere.
  3. Zumindest einige Flüchtlinge sollen früher als angekündigt geimpft werden.

KölnHerr Oster, die Stadt will die Impfreihenfolge in Stadtteilen mit hoher Inzidenz aufheben. Ein richtiger Schritt?Bestimmte Lagen erfordern bestimmte Maßnahmen. Es ist eine gute Reaktion darauf, dass die Inzidenzwerte in manchen Stadtteilen so hoch sind. Es geht nicht um eine Bevorteilung, sondern wir planen Schwerpunktimpfungen in vulnerablen Sozialräumen, in denen es neben der hohen Inzidenz auch vielfältige andere Probleme gibt. Dort unabhängig von Alter oder Vorerkrankung am besten jeden zu impfen, nutzt der ganzen Stadt.

NRW-Umweltministerin Heinen-Esser sagte, wenn Brennpunkte bevorzugt geimpft würden, könnten das andere als ungerecht empfinden. Was sagen Sie dazu?

Es ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, dort mehr zu tun, wo mehr zu tun ist. Und gerecht ist das, was letztendlich allen nutzt. Die Corona-Impfverordnung sieht ausdrücklich eine raumbezogene Impfpriorisierung vor.

Alles zum Thema Henriette Reker

Die Inzidenzwerte lagen in den vergangenen Monaten besonders in den sozial benachteiligten Vierteln hoch. Woran liegt das?

Hans Oster

Das hat vor allem sozioökonomische Gründe. Es liegt an den Lebens- und Wohnlagen der Menschen. Beengte Wohnverhältnisse machen es schwierig, Abstandsregeln einzuhalten. Dort leben viele Menschen auf engem Raum, zum Beispiel in Meschenich in Hochhäusern. In den Wohnungen leben durchschnittlich mehr Menschen als anderswo, man muss gemeinsam Aufzüge nutzen. Diese Menschen müssen oft den öffentlichen Nahverkehr nutzen, weil sie nicht so oft über eigene Fahrzeuge verfügen. Sie haben Jobs, wo aufgrund der Betriebsabläufe die Sicherheitsabstände geringer sind als in anderen Betrieben oder Büros.

In den Vierteln leben auch viele Menschen mit Migrationshintergrund. Haben Sie den Eindruck, diese werden von der Impfkampagne so gut wie andere Kölner erreicht?

Die Kölnerinnen und Kölner, unabhängig von ihrer internationalen Geschichte, werden immer unterschiedlich gut erreicht. Neben der Sprache liegt es auch oft daran, wie ich mich informiere. Wir haben aber auch Menschen hier in der Stadt, die lange hier leben oder hier geboren wurden, die wir auch nicht gut erreichen. Wir müssen in Stadtteilen mit hohen Inzidenzwerten mehr Zugang zu den Menschen finden. Beim Testen und Impfen muss man noch mehr informieren, beim Impfen müssen wir mehr dezentrale Angebote machen. Wir müssen Vertrauen aufbauen zu den einzelnen Bevölkerungsgruppen.

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Wie soll das konkret geschehen?

In der Stadt haben wir eine Unterarbeitsgruppe des Krisenstabs eingerichtet, die sich mit Stadtteilen mit hohen Inzidenzwerten beschäftigt und unterschiedliche Konzepte entwirft. Es hängt davon ab, wie sind diese Viertel bebaut, welche Bevölkerungsgruppen wohnen dort, welche Zugänge haben wir dort als Stadt und welche müssen wir aufbauen? Flyer verteilen, auch in mehreren Sprachen ist schön, aber wir brauchen mehr. Da müssen Menschen Menschen erreichen. Wir fangen aber nicht bei null an. Wir haben in allen Stadtteilen Netzwerke von sozialen Einrichtungen, Trägern und städtischen Mitarbeitenden. Wir haben Interkulturelle Zentren, Jugend- und Bürgerzentren, Sozialarbeitende in der Gemeinwesenarbeit und den Interkulturellen Dienst. Weitere Multiplikatoren wie der Pfarrer oder Vorstände der Moscheegemeinden können eingebunden werden. Überall dort, wo Menschen Vertrauen haben hinzugehen, müssen wir hin.

Ministerpräsident Laschet hat Sonderkontingente an Impfstoff angekündigt, die in diesen Kölner Vierteln verimpft werden sollen. Setzt die Stadt auf mobile Teams oder Hausärzte?

Seitdem die Hausärzte impfen, kommt auch in diese Viertel Bewegung rein. Da gibt es Vertrauensverhältnisse, die Wege sind nah. Das ist ein Angebot, dass die Menschen gut annehmen können. Nicht alle pflegen einen intensiven Kontakt zu Hausärzten. Für die müssen wir ein niedrigschwelliges Impfangebot vor der Haustür einrichten. Wir stellen da einen Impfbus hin und finden geeignete Räumlichkeiten, da werden Ärzteteams impfen, manchmal auch Hausärzte. Der Weg ins Impfzentrum ist für manche manchmal etwas schwerer, als man denkt. Wenn wir da Wirkung erzielen wollen, müssen wir Angebote in den Stadtvierteln machen. Ich bin mit den Communities im Gespräch.

Hans-Jürgen Oster ist Leiter des Amtes für Integration, Vielfalt. Das Amt wurde im Dezember 2018 eingerichtet und untersteht direkt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Oster arbeitet seit Jahrzehnten in der Verwaltung, seit 2013 war Bürgeramtsleiter des bezirks Mülheim, seit 2016 Flüchtlingskoordinator. (ris)

Was hören Sie in den Gesprächen?

Stellen Sie sich vor, Sie sind 80 Jahre alt, gehören zur ersten Generation der Menschen, die hier zugezogen sind und direkt Arbeit aufgenommen haben. In der Regel sprechen diese Menschen nicht gut Deutsch, weil sie keine Chance hatten, entsprechende Sprachkenntnisse zu erwerben. Die haben direkt gearbeitet. Wenn man 80 Jahre alt ist, in der Mobilität eingeschränkt, im Internet nicht so zu Hause ist und Sprachprobleme hat, ist das Anmeldeverfahren schwer und der Weg ins Impfzentrum weit. Immer mit der Unsicherheit verbunden: Was finde ich da vor, komme ich da sprachlich klar? Ahnliche Probleme hatten sicher auch andere 80-Jährige, die hier geboren sind.

Herkulesstraße

Die Flüchtlingsunterkunft an der Herkulesstraße in Köln

In Flüchtlingsunterkünften wird derzeit nicht geimpft, weil nicht genug Impfstoff vorhanden ist. Warum werden Geflüchtete zurückgestellt?

Wir haben heute mit Impfungen in Unterkünften für Geflüchtete begonnen, am Wochenende sind zwei weitere Standorte dran. Wir verimpfen Restimpfdosen. Alle Geflüchteten können wir nur impfen, wenn Impfstoff da ist. Wir hatten ein Angebot vom Land, aber mit dem falschen Impfstoff. Astrazeneca kann nur an ältere Menschen verimpft werden, während die meisten Geflüchteten jünger als 60 Jahre alt sind. Wir haben beim Land Sonderkontingente für Geflüchtete angefordert. Wir impfen, wenn wir Impfstoffmengen zur Verfügung gestellt bekommen.

Aber in Gemeinschaftsunterkünften gibt es doch eine besondere Gefährdung.

Richtig ist, dass wir einige Unterkünfte haben, wo Küchen und Bäder gemeinschaftlich genutzt werden. Da gibt es höhere Risiken. Das Infektionsgeschehen in der ersten und zweiten Welle war hier nicht höher als im Allgemeinen. Die Stadt hat vorgebeugt. Die Einrichtungen wurden weniger dicht belegt, es gab besondere Hygienekonzepte. Dennoch kann man nie einen Ausbruch vermeiden. Wir würden also lieber heute als morgen hier impfen. Aber wir haben es nicht alleine in der Hand.