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Corona in Kölner VeedelnWarum Chorweiler besonders hart betroffen ist

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Wohnhäuser in Chorweiler-Mitte. Der Bezirk ist besonders stark von Corona betroffen.

Köln – Köln ist neuer Spitzenreiter – jedoch ein unrühmlicher. Unter den 14 größten deutschen Städten verzeichnet Köln aktuell mit 245,71 (Montag) die höchste Sieben-Tage-Inzidenz. Dies geht auf eine von Statista erstellte Auswertung aus Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor, in der ausschließlich Städte mir mehr als 500.000 Einwohnenden berücksichtigt wurden. Auf Platz zwei folgt Stuttgart mit einer Inzidenz von 216, auf Platz drei Dortmund mit knapp 204. Doch wie kommt es in Köln zu einem solch hohen Inzidenzwert, der die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnende in einem Sieben-Tage-Zeitraum misst? Das Kölner Gesundheitsamt hat erfasst, wie sich die Fallzahlen auf die verschiedenen Stadtteile verteilen. Wo sind viele Menschen infiziert, wo nicht? Woher kommen die Unterschiede? Und was kann man gegen die aktuell hohe Infektionslage tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Worauf beruhen die Zahlen des Gesundheitsamts?

In die Berechnung sind per Labortest nachgewiesene Corona-Fälle geflossen, die bis einschließlich 22. April registriert wurden. Angegeben werden hierbei der aktuelle Inzidenzwert, die Neuinfektionen innerhalb der vergangenen sieben Tage, die Anzahl der aktuell Infizierten sowie die Gesamtanzahl aller bisher positiv getesteten Personen – und das separat für jeden Stadtteil. Zuletzt lagen solche Daten am 16. März vor.

Welche Stadtteile sind aktuell am wenigsten betroffen?

Nur in zwei Stadtteilen liegt der Inzidenzwert bei Null, da dort keine Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen gemeldet wurden: Fühlingen und Hahnwald. Es sind Gegenden mit geringer Einwohneranzahl – beide kommen auf lediglich etwas mehr als 2000 Einwohnende. Ein Grund für das niedrige Infektionsgeschehen könnte die Tatsache sein, dass es sich um vergleichsweise wohlhabende Viertel handelt. Es gibt vermehrt Einfamilienhäuser, die Menschen haben Platz, um sich bei Bedarf isolieren zu können.

Welcher Stadtteil ist am stärksten betroffen?

Die höchsten Inzidenzen gibt es aktuell in Gremberghoven mit einem Wert von 717,1 und Libur mit einem Wert von 714,1. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass es sich um Stadtteile mit einer geringeren Einwohneranzahl handelt. Deswegen bedeuten die hohen Inzidenzwerte nicht, dass dort gleichzeitig auch die absolute Zahl der Neuinfektionen hoch ist. So sind in Gremberghoven aktuell 203 Personen von insgesamt 3084 Einwohnenden mit dem Virus infiziert, in den vergangenen sieben Tagen wurden 22 Neuinfektionen gemeldet.

In Libur sind aktuell hingegen 44 Personen von insgesamt 1116 Einwohnenden infiziert, inklusive der acht gemeldeten Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen. Die meisten bestätigten Fälle hat es bisher in Mülheim gegeben: 2169. Bei etwas mehr als 43.000 Einwohnenden macht das einen Anteil von 5,04 Prozent aus. Mit 7,5 Prozent ist Chorweiler am stärksten betroffen – von knapp 13.000 Einwohnenden waren bisher 963 Personen infiziert. Aktuell gibt es dort 102 bestätigte Corona-Fälle.

Welche Rolle spielt der soziale Hintergrund?

Klar ist, dass sich jemand in einem größeren Einfamilienhaus mit Garten besser vor dem Virus schützen kann als jemand, der mit mehreren Personen in einer kleinen Wohnung lebt. Klar ist auch, dass das Infektionsrisiko im Homeoffice geringer ist. „Wer in einer Fabrik arbeitet, kann Kontakte nicht so gut vermeiden“, sagt Professor Markus Otterbach von der TH Köln. Die Datenlage sei eher dünn, aber Studien deuteten darauf hin, dass Menschen mit niedrigerem sozialen Status stärker von der Pandemie betroffen seien.

Hier lesen Sie mehr: Warum ist das Infektionsrisiko bei Menschen mit Migrationshintergrund größer?

So infizieren sich laut Otterbach etwa Menschen mit Migrationshintergrund eher mit dem Virus, weil sie sich durchschnittlich in schlechteren sozialen Lagen befänden. Es gehe hierbei um soziale Benachteiligungen und nicht um ethnische oder religiöse Aspekte, betont Tayfun Keltek, Vorsitzender des Kölner Integrationsrats. „Die Leute leben unter prekären Umständen, wohnen in beengten Verhältnissen.“ Da sei es nachvollziehbar, wie auch bei unter Armut leidenden deutschen Familien, dass die Ansteckungsgefahr steige.

Wie geht die Stadt mit den ermittelten Fallzahlen um?

Die Erhebung der Daten soll der Stadt dazu dienen, besser planen zu können – etwa bei der Errichtung von Testzentren. „Die Sieben-Tage-Inzidenzen können sich innerhalb kurzer Zeiträume deutlich unterscheiden. Ein Stadtteil mit hoher, überdurchschnittlicher Inzidenz kann eine Woche später wieder deutlich niedriger liegen oder umgekehrt“, so ein Sprecher der Stadt. Ein ursächlicher Zusammenhang zu sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zum Verhalten von Menschen in den Stadtteilen könne aus der Darstellung der Zahlen nicht abgeleitet werden. „Sie können aber Anlass dazu geben, Untersuchungen zu den Ursachen einer längerfristigen höheren Inzidenz durchzuführen.“

Können Impfungen in Stadtteilen mit hoher Inzidenz helfen?

Davon geht jedenfalls die Stadtverwaltung aus. Vergangenen Freitag hat der Krisenstab für ein Sonderkontingent an Impfdosen für Stadtteile mit einem hohen Infektionsrisiko gestimmt. So soll in Stadtteilen mit hoher Inzidenz künftig ein erweitertes Impfangebot aufgebaut werden, „um Personen in besonderen Sozialstrukturen vorzeitig zu impfen“, hieß es vonseiten der Stadt. Wie genau das Angebot aussehen soll, ist noch unklar. Hierzu befinde sich die Stadt aktuell im Austausch mit dem Land NRW.

Das sagt die Politik

Die Parteien im Stadtrat haben die Problematik bereits auf der Agenda und ganz ähnliche Vorstellung, wie man ihr begegnen könnte. Die Ratsfraktion der Linken hat schon vergangene Woche in einer Pressekonferenz zu dem Thema Forderungen gestellt. Für Stadtteile wie Chorweiler oder Finkenberg, bei denen die Inzidenz im Vergleich zu Veedeln mit ähnlicher Bewohnerzahl aktuell sehr hoch liegt, müssten mehr Impf- und Testangebote vor Ort geschaffen werden. Zumal es dort oft nur wenige Hausärzte gibt, die neben dem Impfzentrum in der Köln-Messe in der Regel die einzige Möglichkeit sind, eine Injektion zu bekommen.

Auch müssten mehrsprachige „Anti-Corona-Scouts“ und Streetworker bei den Menschen Aufklärungsarbeit leisten, um die Impf- und Test-Bereitschaft der Bewohner zu erhöhen und ihnen wichtige Informationen wie aktuelle Corona-Beschränkungen zu erläutern. „Wir müssen den Menschen in bestimmten Stadtteilen niederschwellige, einfache Angebote machen“, sagt auch Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen. Dazu müssten die in den Veedeln vorhandenen Einrichtungen und Institutionen eingebunden werden. Die 17-seitigen Impfunterlagen, die derzeit von den Impflingen ausgefüllt werden müssten, seien für manche Bewohnerinnen und Bewohner zu kompliziert.

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Wie Martin fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten ein gesondertes Impfkontingent für benachteiligte Veedel, damit die Spritzen zum Beispiel in Impf-Mobilen, wie sie bereits zu Beginn der Pandemie in Seniorenzentren im Einsatz waren, verabreicht werden könnten. Das gelte auch für Teststellen, von denen es in den Randbereichen Kölns zu wenige gebe. „Impfen und Testen ist der Schlüssel der Pandemiebekämpfung“, sagt Joisten.

CDU-Parteichef Bernd Petelkau mahnt, die Inzidenzwerte differenziert zu betrachten: „Die genaue Analyse lässt eben keine eindeutigen Rückschlüsse auf soziale Verhältnisse oder Wohnsituationen zu. Das zeigen beispielsweise extrem hohe Werte auch in ländlichen Bereichen wie Libur oder Roggendorf/Thenhoven.“ In Veedeln mit wenigen Einwohnern reicht eine geringe Zahl an Infektionen, um die Werte schlagartig ansteigen zu lassen. „Es bleibt dabei, dass wir zur wirkungsvollen Eindämmung der Pandemie das Impftempo weiter erhöhen müssen“, sagt Petelkau. „Wenn die Hausärzte in bestimmten Stadtteilen noch Unterstützung benötigen, muss geprüft werden, ob zusätzliche Impfangebote geschaffen werden können. Darüber hinaus appellieren wir an Ordnungsamt und Polizei, die Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Regeln in allen Stadtteilen auszuweiten.“

Mobile Impfteams, mehr Testmöglichkeiten in sozial schwachen Stadtteilen und mehrsprachige Aufklärungskampagnen, das fordert auch Volker Görzel (FDP). Oft seien sprachliche Barrieren der Grund, dass Informationen ankämen. Das müsse verbessert werden. Volt erwähnen in dem Zusammenhang auch die Wirtschaft, die sich an einer „zielführenden Testinfrastruktur“ beteiligen solle. Auch müsse die Taktung des ÖPNV nach Möglichkeit erhöht werden.