In einer Sitzung mit den Kreis- und Stadtdechanten berichtete der Kölner Erzbischof im September 2022 über ein brisantes Schreiben nach Rom zu einem Missbrauchsfall. Woelki bestreitet, zu diesem Fall unter Eid falsch ausgesagt zu haben.
Kölner KardinalNeue Ungereimtheiten im Fall Woelki – Ermittlungen wegen Meineids
Die Stimmung war schlecht, richtig schlecht, als sich Kardinal Rainer Woelki im vorigen September zu einer Konferenz mit seinen Kreis- und Stadtdechanten traf. Der Erzbischof beklagte sich massiv über deren Kritik, etwa an den Plänen für sein Lieblingsprojekt, die „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT). Woelki sprach von „konfrontativem Auftreten“ seiner mittleren Führungsebene und forderte „ein anderes Miteinander“.
Auch erinnerte er die Dechanten daran, dass sie von ihm ernannt seien und die Aufgabe hätten, „den Bischof im jeweils anvertrauten Bereich präsent zu machen“. Er ließ sie wissen, dass er über Vorstöße Einzelner in Rom gegen ihn im Bilde sei, sprach von „empfundenem Unrecht“, das er nicht mehr tolerieren wolle, und stellte klar, „dass er auf diese Weise in Zukunft nicht zusammen leben und arbeiten möchte“.
Kölner Kreis- und Stadtdechanten sahen „keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit “
Was selbst im nüchternen Protokollstil nach schwerer Krise klingt, bestätigt ein Sitzungsteilnehmer. Seine Mitbrüder und er hätten sich vom Erzbischof abgekanzelt, von oben herab gemaßregelt und unter Druck gesetzt gefühlt. Sein ohnehin wackeliges Standing in der Runde habe der Erzbischof damit allerdings keineswegs verbessert – im Gegenteil. Selbst diejenigen Dechanten, die Woelki zuvor weniger kritisch gegenübergestanden hätten als etwa der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken, hätten Woelkis autoritäre Anwandlung als eine Umdrehung zu viel wahrgenommen.
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Und die Runde ließ sich nicht einschüchtern. Für seine Kollegen hielt der Wuppertaler Stadtdechant Bruno Kurth Woelki entgegen, sie fühlten sich durch Woelki in Sachen KHKT vereinnahmt. Schon dadurch sei das gemeinsame Arbeiten „massiv gestört“. Zu allem Überfluss habe Woelki den Dechanten auf einen Brief hin dann auch noch versichert, im Fall eines 2017 trotz Missbrauchsvorwürfen beförderten Priesters liege nichts vor. Doch nun sei einigen von ihnen ein Brief Woelkis an die Glaubenskongregation in Rom zugespielt worden, aus dem das Gegenteil hervorgehe: Es habe sehr wohl etwas gegen den Priester „vorgelegen“ – und zwar „sehr viel“. Das sei „keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit“.
Kleines Sittengemälde der Situation im hillijen Kölle
Woelki verstand offenbar sofort, dass die Dechanten hier die Vertrauensfrage stellten – und dass der Vorwurf der Täuschung, ja der Lüge im Raum stand. Prompt wies er dies „schärfstens“ zurück.
Die Lektüre des siebenseitigen Protokolls, das schon als kleines Sittengemälde der Situation im hillijen Kölle seinen Reiz hat, dürfte jetzt auch die Staatsanwaltschaft Köln interessieren. Über den Inhalt hatte zuerst der WDR berichtet. Die Behörde hat Ermittlungen wegen Meineid-Verdachts gegen Woelki aufgenommen. Konkret steht die Frage im Raum, ob Woelki unter Eid falsche Angaben zu seinem Kenntnisstand über den Fall des beförderten Priesters gemacht hat. Vor dem Landgericht Köln sagte Woelki unter Eid unter anderem aus, ihm habe „bis heute niemand etwas über die Vorwürfe des Herrn A. [Namensangabe geändert] berichtet“.
Allerdings sind eben diese Vorwürfe eines sexuellen, von dem Priester ausgehenden „Kontakts“ in dem persönlichen Brief erwähnt, den Woelki 2018 an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria schrieb. Das Erzbistum sieht darin keinen Widerspruch zu Woelkis Aussage vor Gericht und tritt daher dem Verdacht des Meineids entgegen. Der Erzbischof habe den Brief nach Rom zwar unterzeichnet, könne sich aber nicht erinnern, es gelesen zu haben, und gehe daher davon aus, dass er es nicht gelesen hat.
Woelki spricht von Gerüchten, „die sich bis heute nicht haben erhärten lassen“
In ihrer Konferenz mit Woelki monierten die Dechanten, da „interne und externe Aussagen“ zu dem Fall des Priesters „nicht zusammenpassen würden“, bestehe ein „Vertrauensverlust“. Woelkis Schreiben an Kardinal Ladaria sei eine „Täterbiografie“. Woelki hielt dem entgegen, es handle sich um Gerüchte, die sich „bis heute nicht haben erhärten lassen“.
Am zweiten Konferenztag – Woelkis Teilnahme war eigentlich gar nicht mehr vorgesehen – überraschte der Kardinal die Runde mit einer Unterbrechung der Tagesordnung für einen „Nachtrag“ zum Fall des beförderten Priesters. Offenbar war es dem Kardinal wichtig, nochmals zu den „am Vortag aufgekommenen Fragen“ Stellung zu nehmen: Rom habe unterdessen geantwortet und einen „weiteren Rechercheauftrag“ erteilt.
Woelki erläuterte auch den Hintergrund seines Schreibens nach Rom, mit dem der gesamte Fall der Glaubenskongregation pflichtgemäß nachgemeldet und zur Prüfung vorgelegt wurde. Zum Inhalt seines Schreibens führte Woelki aus, es seien dort „der Vollständigkeit halber“ auch die „unbewiesenen Gerüchte aufgeführt“. Unter diesen Begriff fällt auch der vom Erzbistum mehrfach dokumentierte Vorwurf des mutmaßlichen Betroffenen A., von dem Woelki nie erfahren haben will.
Weiter berichtete Woelki, dass Rom gegen den Priester einen Prozess am Kölner Kirchengericht angeordnet habe. Dieses Verfahren endete später, im Dezember 2022, mit einem Freispruch. Trotzdem darf der Geistliche nur unter Auflagen seinen Dienst versehen, fernab von Kinder- und Jugendarbeit.
Das Protokoll vom September schließt mit dem lapidaren Satz: „Der Erzbischof betont, keine falschen Angaben dazu gemacht zu haben.“
Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu dem Dokument teilte die Pressestelle des Erzbistums mit, ihr lägen „keine Informationen über den Inhalt vertraulicher Gremiensitzungen vor“.