Kölner MelatenJürgen Domian und Barbara Schock-Werner machen Kontrollbesuch
Lesezeit 5 Minuten
Für die Serie „Auf den Punkt“ besucht die ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner regelmäßig besonders markante Punkte in Köln.
Die Schandflecken ebenso wie die verborgene Schätze. Immer geht es darum, Dinge wahrzunehmen, die man hundertmal gesehen, aber selten wirklich beachtet hat
Diesmal besucht sie gemeinsam mit WDR-Moderator Jürgen Domian den Friedhof Melaten – und das bereits zum zweiten Mal. Aus einem guten Grund.
Köln – Auf Melaten tut sich was. Das meine ich, weil es ja um einen Friedhof geht, mitnichten pietätlos. Vielmehr haben die städtischen Gärtner einiges unternommen, um den wichtigsten und – wie ich finde – schönsten Kölner Friedhof auf Vordermann zu bringen. Im vorigen Jahr war ich gemeinsam mit WDR-Moderator Jürgen Domian schon einmal auf Melaten, nachdem er mich auf den radikalen Beschnitt insbesondere der auf dem Friedhof weit verbreiteten Eiben aufmerksam gemacht hatte.
Die Baumstümpfe machten wirklich einen erbarmungswürdigen Eindruck. „Barbarei am Baum“, wütete Domian damals. Die Gärtnerei und das Grünflächenamt aber versprachen: Wird wieder! Die Eiben wachsen nach, verbinden sich zu Hecken und sehen schöner aus als vorher. Sie werden es erleben!
Schon damals hatte ich mir fest vorgenommen: In ein, zwei Jahren gehen wir nachsehen. Jetzt war es so weit, und das sogar früher als geplant. Der Leiter des Grünflächenamts, Manfred Kaune, konnte es gar nicht mehr erwarten. Denn, so sagte er es uns, an Domians Kritik hätten seine Leute und er schwer geknabbert. Deshalb habe er voller Ungeduld schon zwischendurch geschaut, wie sich die Dinge entwickeln.
Das Ergebnis unseres Ortstermins gleich vorneweg: Es ist in die Richtung gegangen, die der verantwortliche Gärtnermeister Jürgen Zach prophezeit hatte. Der schlimme Anblick ganzer Parkflächen voller kahler Baumstümpfe ist durch das Nachsprießen junger Seitentriebe gemildert. Manchmal wirkt das alles noch etwas skurril, weil der Bewuchs mal üppiger, mal mickriger ist. Aber insgesamt „sieht es jetzt versöhnlicher aus“, sagt selbst der scharfe Kritiker Domian und gibt unumwunden zu, dass seit 2019 auf Melaten viel Positives passiert sei. „Das ist überhaupt nicht zu bestreiten.“
Trauer um jeden gesunden Baum, der gefällt wird
Dennoch hadert er immer noch mit der Abholzaktion an sich. „Mein Zorn entzündete sich an dem brutalen, radikalen Beschnitt und am Fällen hunderter Bäume. Außer in den Bestattungsgärten wurde ja auch nichts nachgepflanzt. Das ärgert mich besonders.“ Er trauere um jeden gesunden Baum, der „einfach so“ gefällt werde. „Wir brauchen noch viel mehr Bäume. Nicht nur auf Melaten, sondern in ganz Köln. Wir reden alle ständig über Klimaschutz, CO2-Reduzierung und Nachhaltigkeit. Lasst uns Bäume fürs Klima pflanzen!“
Ein bisschen hat er damit bei Manfred Kaune offene Türen eingerannt: Es gebe ein neues Programm für die Kölner Friedhöfe, das die Pflanzung von insgesamt 1800 Bäumen vorsieht. Es sollen vorzugsweise „Zukunftsbäume“ sein: Arten, die mit Hitze und Trockenheit gut zurechtkommen – eine Reaktion auf den Klimawandel und die Dürre der vergangenen Jahre.
Gärtner können nicht pflanzen, was sie wollen
Auf Melaten ist die Situation allerdings speziell: Da können die Gärtner nicht einfach pflanzen, was sie wollen. Vielmehr gibt ein vom Stadtrat beschlossener Plan mit dem schier unaussprechlichen Namen „Parkpflegewerk“ auf Grundlage der historischen Bepflanzung genau vor, was wo zu stehen hat. „Für Melaten ist das unsere Bibel“, sagt Kaune. „Jeder Baum ist hier eingezeichnet für die nächsten 100 Jahre, und überall, wo ein Baum vorgesehen ist, kommt auch einer hin.“ Das ist der Unterschied zwischen einem Friedhof als durchgestyltem Park und einer naturnahen Waldanlage.
Die Autoren des Parkpflegewerks haben 2015 aber auch festgehalten, was in den vergangenen Jahrzehnten auf Melaten schiefgelaufen ist: „Frei wachsende Sträucher sind fast gänzlich von den durchgewachsenen Eiben verdrängt worden. Diese Entwicklung ist das größte Problem auf Melaten. Die Taxus-Gebüsche bedrängen die Alleebäume. Hinzu kommt, dass nicht nur eine vielfältige Strauchschicht fehlt, sondern durch Wurzelkonkurrenz und Beschattung auch eine bodendeckende Krautflora kaum noch aufkommen kann. Der Friedhof ist – natürlich von den Biotopen des Altbaubestands abgesehen – ökologisch mittlerweile völlig verarmt. Die genannten Fehlentwicklungen sind jedoch reversibel“, heißt es.
Wildblumenwiese angelegt
Daran werde jetzt gearbeitet, verspricht Manfred Kaune. An zentralen Punkten wie dem Hochkreuz am Schnittpunkt zweier Hauptalleen ist das auch schon zu erkennen: Dort wurden Bodendecker wie panaschiertes Efeu und Farn gepflanzt. Im nächsten Frühjahr sollen Blumenziebeln für bunte Akzente sorgen, erklärt der stellvertretende Gartenmeister Klaus Rath.
Auch eine Wildblumenwiese haben er und seine Leute angelegt. Und selbst die ungeliebten Eiben brachten sie neu zu Ehren. Im Flurstück F11 gleich hinter der östlichen Kreuzung der beiden Hauptwege setzten die Gärtner auf 600 laufenden Metern in Art eines Heckenlabyrinths um die 1800 Eiben. Auf 1,50 Meter Höhe sollen sie die darüber aufragenden Grabmäler noch besser zur Geltung bringen.
Mahnmal für die Gefallenen des Kriegs
Am Mahnmal für die Gefallenen des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 sind die Gärtner umgekehrt vorgegangen: Nachdem Domian und ich bei unserem Rundgang auf wild wachsende Buchen und andere Pflanzen am Tonnendach und in den Steinritzen aufmerksam gemacht hatten, verging keine Woche, bis diese schädliche Vegetation beseitigt war. Lobenswert, finde ich. Zum Totengedenken Anfang November sah das Neorenaissance-Denkmal jetzt wieder so würdig aus, wie es dem Gedächtnis der Toten gebührt.
Apropos Grabmäler: Wer Melaten besucht, darf sich den berühmten Sensenmann nicht entgehen lassen. Doch leider ist die historische Skulptur des Bildhauers August Schmiemann für die Grabstätte des Kaufmanns Johann Müllemeister in wenig präsentablem Zustand. Der Sandstein ist stark verwittert und müsste dringend saniert werden.
Dem Sensenmann fehlt die Sense
Vor allem aber fehlt dem Sensenmann seit einem Diebstahl im vorigen Jahr die Sense. Darüber ärgert sich nicht nur Jürgen Domian. Das alte Grabmal mit seiner etwas gruseligen Figur des Todes sei schließlich ein Wahrzeichen des Friedhofs. „Alle Besuchergruppen machen dort halt. Die Stadt müsste sich dringend darum kümmern.“
Kann sie aber nicht ohne weiteres: Das historische Grabmonument ist im privaten Besitz eines bekannten Kölner Steinmetzen. Ich habe beschlossen, dass ich einmal Kontakt mit ihm aufnehme und ihm erkläre, was Jürgen Domian ganz treffend formuliert: „Ohne die Sense ist der Sensenmann nichts.“ Das sollte auch dem Besitzer einleuchten, und ich hoffe, er unternimmt etwas. Zumal ich aus langjährigen Erfahrungen mit der Stadt Köln eines gelernt habe: Das Wichtigste ist immer, dass jemand zuständig ist. Dann tut sich was, auch auf Melaten.