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Polizei in SorgeWarum die Jugendkriminalität in Köln zurzeit wieder steigt

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Faust symbolbild

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Köln – Mit Sorge blickt die Polizei auf die Entwicklung der Jugendkriminalität in der Stadt. „Es liegen noch keine belastbaren Zahlen vor, aber wir beobachten zurzeit wieder deutlich mehr Konflikte unter Jugendlichen und Heranwachsenden“, sagt Bernd Reuther, Erster Kriminalhauptkommissar und polizeilicher Leiter des „Haus des Jugendrechts“ – ein Projekt von Stadt, Staatsanwaltschaft und Polizei, das sich um junge Gewalt- und Intensivtäter kümmert. „Nach den Lockdowns erscheint vieles mächtiger. Wir müssen beobachten, ob das so bleibt oder ob sich das irgendwann wieder auf Vor-Corona-Niveau einpendelt.“

Konflikte bahnen sich oft auf Instagram und Tiktok an

Schon vor der Pandemie hätten viele Auseinandersetzungen unter Jugendlichen im virtuellen Raum ihren Anfang genommen, sagt Reuther. WhatsApp, Tiktok und vor allem Instagram seien der Dreh- und Angelpunkt. Aber der Corona-Effekt habe den „Druck auf dem Kessel“ noch erhöht, ergänzt Reuthers Kollege Michael Fischer: „Früher ist viel Druck in Sport oder in die Muckibude abgeflossen“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Aber weil Freizeitangebote und Fitnessstudios lange Zeit geschlossen waren, verbrachten die Jugendlichen noch mehr Zeit als früher im Netz und in den sozialen Netzwerken, wo sich auch mehr Konflikte aufgebaut hätten.

„Und das entlädt sich jetzt auf der Straße“, beobachtet Reuther. Die Zündschnur bei vielen sei kürzer geworden, die Schwelle zur Gewaltanwendung sei spürbar gesunken.

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Zudem bildeten sich neue Hotspots in der Stadt, an denen sich plötzlich vermehrt Jugendliche trafen – mangels Alternativen. „Den Höhenfelder See zum Beispiel kannte ich vor Corona nur flüchtig vom Vorbeifahren“, sagt Reuther. Doch mit dem ersten Lockdown tauchte die ehemalige Kiesgrube in der Dellbrücker Heide plötzlich auch im polizeilichen Lagebild immer häufiger auf.

„Dort sind einfach Gruppen aufeinandergetroffen, die früher keinen Kontakt zueinander hatten“, sagt Reuther. Die Folge: vermehrt Streits, Bedrohungen, Diebstähle, Körperverletzungen, Unterschlagungen, aber auch Raubüberfälle.

Viele der jungen Täter kommen aus dem Umland nach Köln

Die Spitzen der gestiegenen Aggressionsbereitschaft sind zurzeit fast wöchentlich an innerstädtischen Hotspots wie dem Aachener Weiher oder auf der Zülpicher Straße zu beobachten – auch wenn es sich bei den Beteiligten längst nicht nur um Jugendliche und Heranwachsende handelt, die Einsatzkräfte beleidigen und Flaschen auf Polizisten und Sanitäter schleudern. Zuletzt vor zwei Wochen hatte es laut Polizei rund um den Zülpicher Platz wieder zahlreiche Schlägereien, Beleidigungen, Attacken und Ruhestörungen gegeben.

Viele der Krawallmacher stammen nach Erkenntnissen der Polizei gar nicht aus Köln, sondern aus dem Umland, sie strömen vor allem an den Wochenenden hierhin.

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Klagten Polizisten, Rettungs- und Ordnungskräfte schon vor Corona über eine steigende Respektlosigkeit ihnen gegenüber, so scheint sich dieses Phänomen während der Pandemie noch verfestigt zu haben, sagt Reuther. „Polizei, die in bestimmten Situationen als Regulativ dazwischen geht, wird von vielen nicht mehr einfach so hingenommen“, sagt der erfahrene Kripomann. Und nicht nur das: „Das geht jetzt auch bei den 14-Jährigen schon los“, hat Reuther festgestellt. „Wir merken bei unseren Vernehmungen einen wachsenden Widerstand, die Jugendlichen lassen sich durch uns nicht mehr so leicht lenken.“

Insgesamt sinken die Zahlen seit Jahren

Auch wenn die Zahlen der Jugendkriminalität bundesweit und auch in Köln seit Jahren sinken, so gelte dies jedenfalls nicht für den Bereich der jungen Gewalt- und Intensivtäter unter 21 Jahren, betont Bernd Reuther. 86 sind es, die derzeit im Kölner „Haus des Jugendrechts“ engmaschig betreut werden – etwas weniger als sonst. Aber der Hauptkommissar ist überzeugt: „Das wird sich bald wieder auf die üblichen 100 bis 110 einpendeln.“