Köln – Ein großer Teil der Corona-Infektionen ist in Köln aktuell auf Kinder und Jugendliche zurückzuführen. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Elf- bis 18-Jährigen liegt laut Gesundheitsamt bei 439 (Stand Donnerstag), bei 6- bis 10-Jährigen bei 432. An vielen Schulen ergeben sich dadurch chaotische Zustände.
So berichten dieser Zeitung mehrere Eltern, dass sie nach positiven Pool-Tests erst nach mehreren Tagen vom Gesundheitsamt erfahren haben, ob sich ihre Kinder in Quarantäne begeben müssen oder nicht. Bis zu dieser Mitteilung gilt eine Vorab-Quarantäne, die bei schnellerer Kommunikation deutlich kürzer ausfallen würde.
Kölner Gesundheitsamt „an der Grenze zur Überlastung“
Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, räumt auf Nachfrage ein, dass „aktuell auch mal vier Tage vergehen“, bis es zur Absprache mit den Schulen komme. Hier wird dann geklärt, welche Kinder sich in der Nähe des Infizierten aufgehalten haben und sich in eine 14-tägige Isolation begeben müssen. Die hierfür notwendigen Informationen liegen den Schulen in der Regel schon vollständig vor – doch das Gesundheitsamt muss entscheiden. „Wir schicken nicht pauschal Gruppen in Quarantäne, sondern wir schauen, dass es möglichst wenige sind“, sagt Nießen: „Klar, so viele wie nötig – aber eben niemand darüber hinaus.“ Sein Amt sei derzeit „an der Grenze zur Überlastung“, an diesem Punkt angekommen sei es aber bislang nicht.
Um auf die hohe Belastung zu reagieren, hat der Krisenstab am Freitag beschlossen, das zuständige Team aufzustocken. So kümmern sich ab Montag 30 statt wie bisher 15 Mitarbeitende darum, mit den Schulen in Kontakt zu treten und Infektionsfälle zu verfolgen. Aktuell sind 742 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne, die positiv auf das Virus getestet wurden. Hinzu kommen 107 Lehrerinnen und Lehrer. Insgesamt sind zudem 2113 Kontaktpersonen aus Schulen und Kitas in Quarantäne – eine „sehr hohe Zahl“, so Nießen. Wie viele Kinder in einer Vorab-Isolation darauf warten, wieder in die Schule gehen zu dürfen, ist unklar.
„In den Schulen ist alles geprägt von Corona“
Für viele Eltern waren die Tage nach dem Schulstart von Ungewissheit geprägt. Einige berichten, dass sie vom Gesundheitsamt beauftragt wurden, Quarantäne-Anweisungen an Kontaktpersonen weiterzugeben. Manche haben kein Verständnis für die Vorab-Quarantäne und ignorieren sie. „Lassen wir uns doch erwischen, dann können wir klagen“, dieser Satz fiel offenbar in einer Eltern-Runde. Der Unmut ist groß. „Die Abläufe bei der Prüfung einer Quarantäne müssen schneller werden, damit Kinder, die keine direkten Kontaktpersonen sind, möglichst schnell wieder in die Schule können“, fordert André Boße, Vorstand im Förderverein einer Grundschule in Ehrenfeld.
Auch sein Kind fand sich in der Isolation wieder und verpasste mehrere Schultage, weil das Gesundheitsamt erst vier Tage nach dem positiven Pool-Test klarstellte, für wen welche Regel gilt. „Ich finde das schon ziemlich wahnsinnig“, sagt Boße. „Draußen findet das normale Leben statt, und in den Schulen ist alles geprägt von Corona. Das ist einfach eine Schieflage.“
Kölner Schülerin sollte offenbar beweisen, dass sie in Quarantäne ist
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, wollte ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ein siebenjähriges Mädchen am Telefon persönlich sprechen – um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich in Quarantäne befindet, so die Lesart der Mutter, die anonym bleiben möchte. So sei etwa folgende Frage gestellt worden, als das Kind von einem Puzzle berichtete: „Wie viele Teile hat denn dein Puzzle?“ Johannes Nießen sagt, er wisse nichts von einem solchen Vorgehen: „Wir befragen in der Regel die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte – aber nicht die Kinder selbst.“ Lediglich Jugendliche kontaktiere sein Amt in Sonderfällen und unter bestimmten Voraussetzungen. Er werde den Fall prüfen. Eine Anfrage beim NRW-Gesundheitsministerium, ob in Nordrhein-Westfalen weitere Kontrollanrufe bei Schulkindern bekannt seien, blieb unbeantwortet.
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Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, sie „appelliere an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, sich mit dem Robert-Koch-Institut zu verständigen: Es braucht Richtlinien zur Quarantänisierung von Schülerinnen und Schülern, die die Bedürfnisse nach einem geregelten Präsenzunterricht und sozialen Kontakten mehr als bisher berücksichtigen.“ Bis dahin wird es angesichts der hohen Infektionszahlen auch in Köln weiterhin zur Isolation von Kindern kommen, von denen keine Infektionsgefahr ausgeht.
Zwei Wochen Quarantäne: „Quälerei für das Kind“
„Die Wahrscheinlichkeit, dass es uns nochmal trifft, ist hoch“, sagt die Mutter, deren siebenjährige Tochter mittlerweile wieder in die Schule gehen darf. „Zwei Wochen sind wirklich Quälerei für das Kind. Sie hatte mehrere Wutanfälle. Und ich saß mitten im Sommer mit drei Kindern zuhause.“ Sie mache sich Sorgen um die Psyche ihrer Kinder. Auch André Boße hält die 14-tägige Quarantäne – wie viele medizinische Expertinnen und Experten – für „eigentlich nicht nötig“.
Johannes Nießen sagt, er habe Verständnis dafür, „dass es für Kinder und Eltern ungünstig ist, sich nicht schneller freitesten zu können“. Als Vater könne er selbst „erahnen, was für eine Belastung es sein muss, mit der Familie vier oder fünf Mal in Quarantäne zu stecken.“ Ein Szenario, das bei der aktuellen Rechtslage im Winter denkbar ist.