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Eigenkapital bald aufgebrauchtKölns städtische Kliniken geraten in Finanznot

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Das Klinikum Merheim gehört zu den städtischen Kliniken.

Köln – Die finanzielle Schieflage der städtischen Kliniken ist noch wesentlich dramatischer als bislang bekannt. In der Folge dürfte das ohnehin stark geschmolzene Eigenkapital bereits in diesem Jahr aufgebraucht sein. Die Geschäftsführung hat, so ist von Insidern zu hören, vorsorglich einen Fachanwalt für Insolvenzrecht eingeschaltet, um möglichen späteren Vorwürfen einer strafbaren Insolvenzverschleppung zu begegnen. Offiziell verlautbart die Klinikleitung: „Um Spekulationen über ein negatives Eigenkapital entgegenzutreten, wollen die Kliniken Köln externen Sachverstand einholen.“

Wie stellt sich die wirtschaftliche Situation der Kliniken dar?

Aus einem nicht öffentlichen Bericht der Geschäftsführung, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, geht hervor, dass die erwarteten Einnahmen im vergangenen Jahr deutlich unter dem Wirtschaftsplan geblieben sind. Dies haben die Kliniken in einer Erklärung am Mittwoch auch offiziell bestätigt. Der Bericht, der die Ertragslage bis November 2017 ausweist, berechnet für die Kliniken ein Minus von acht Millionen Euro – 4,1 Millionen Euro mehr als geplant.

Des weiteren untersuchen Wirtschaftsprüfer derzeit mögliche Forderungsausfälle und Wertberichtigungen, durch die dem Unternehmen wirtschaftliche Risiken von bis zu 25 Millionen Euro entstehen könnten. Dem steht eine nur noch minimale Eigenkapital-Ausstattung gegenüber.

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So sollten die Reserven Ende 2017 – so die bisherigen Berechnungen – noch 6,8 Millionen betragen. Bis Ende 2018 sollten sie auf magere 1,8 Millionen Euro schrumpfen. Doch selbst dieses dünne Polster, mit dem die Stadt bislang geplant hat, ist jetzt wohl Makulatur.

Sind die Kliniken jetzt pleite?

Das ist zumindest theoretisch möglich. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass die Stadt Köln als alleiniger Eigentümer ihren wichtigsten Gesundheitsversorger pleitegehen lässt. Hinzu kommt, dass die Kliniken auch über ein erhebliches Vermögen in Form von Gebäuden und Grundstücken verfügt. „Der Wert des Unternehmens liegt höher als der Buchwert“, betont Geschäftsführer Roman Lovenfosse-Gehrt. Verschiedene Gebäude seien auf den vielzitierten symbolischen „einen Euro“ abgeschrieben, die Grundstückspreise seit dem Erwerb stark gestiegen.

Wie hoch das Minus letztendlich ausfallen wird, steht erst fest, wenn im Frühsommer der Jahresabschluss veröffentlicht wird. Dann ist auch klar, wie es mit der Zahlungsfähigkeit bestellt ist. Eine vorläufige Bilanz wird allerdings schon im Laufe dieses Monats erwartet. In einem Gespräch mit Chefärzten, das Anfang Februar im Rathaus stattfand, soll Oberbürgermeisterin Henriette Reker bereits erklärt haben, dass das Geld wohl bereits 2018 aufgebraucht ist.

Was bedeutet das für die Patienten?

Für die Patienten ändert sich zunächst einmal nichts. Ein negatives Eigenkapital habe isoliert betrachtet keine Auswirkungen auf den Fortbestand der Kliniken, so Lovenfosse-Gehrt. Auf einem anderen Blatt steht, inwieweit sich der steigende Sanierungsdruck und der Zwang zur Ökonomisierung auf die Qualität der Pflege auswirkt.

Was sind die Ursachen für die Misere?

Die Kliniken schreiben bereits seit 2012 jedes Jahr rote Zahlen in Millionenhöhe. Grund sind unter anderem hohe Investitionen in neue Gebäude, die nicht, wie eigentlich gesetzlich vorgesehen, aus Landesmitteln ausgeglichen wurden. Die Stadt hat dem Unternehmen daher bereits einen 50-Millionen-Euro-Kredit gewährt und gleichzeitig einen rigorosen Sanierungskurs verordnet.

Diesen Plan haben die Kliniken in den vergangenen Jahren wiederholt nicht einhalten können, so auch 2017. Nach Angaben der Geschäftsführung konnten wegen des Fachkräftemangels beispielsweise im Bereich der Intensivpflege weniger Patienten behandelt werden, die Erträge blieben daher hinter den Erwartungen zurück.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen überprüft außerdem derzeit die Rechnungen, die die Kliniken bei den Kassen für ihre Leistungen eingereicht haben. Regelmäßig werde ein Teil dieser Forderungen nicht erfüllt, so die Geschäftsführung. Die Forderungsausfälle könnten sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf bis zu 19 Millionen belaufen.

Hinzu kommt, dass das Tochterunternehmen Rehanova ebenfalls Miese schreibt. Für 2017 haben die Kliniken Verpflichtungen beziehungsweise Forderungsstundungen in Höhe von insgesamt sechs Millionen zugesagt. Derzeit wird geprüft, ob der Buchwert für die Rehanova im Jahresabschluss nach unten korrigiert werden muss.

Was bedeutet das für die Stadt?

Die Stadt steht unter zusätzlichem Handlungsdruck. Sie will eine möglicherweise drohende Privatisierung der defizitären Krankenhäuser um jeden Preis vermeiden. Vor diesem Hintergrund hatte die Oberbürgermeisterin im November einen Zusammenschluss mit der landeseigenen Uniklinik vorgeschlagen. Sollte allerdings noch in diesem Jahr eine Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit eintreten, müsste kurzfristig gehandelt werden – entweder, indem die Stadt selbst frisches Geld zuschießt oder indem die Kliniken einen Insolvenzverwalter bestellen. Der könnte versuchen, die Gläubiger zu einem teilweisen Forderungsverzicht zu bewegen und so eine Sanierung einzuleiten, ohne dass der städtische Haushalt belastet wird.

Was bedeutet das für den geplanten Klinikverbund mit der Uniklinik?

Die hat kurz vor Weihnachten ein Angebot unterbreitet, die städtischen Kliniken mit mindestens 50,1 und höchstens 75 Prozent zu übernehmen. Der Entscheidungsprozess, ob überhaupt und wenn ja, unter welchen Bedingungen, ein solcher Klinikverbund zustande kommt, steht allerdings noch ganz am Anfang. Die Verwaltung will zunächst ein Rechtsgutachten in Auftrag geben, erste Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet. Sollten die Kliniken wegen einer möglichen Pleite an Wert verlieren, würde das die Verhandlungsposition der Uniklinik noch stärken. Während die Stadt unter Zeitdruck steht, kann die Uniklinik also erst einmal abwarten.