Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner kritisiert einen Mangel an Aufmerksamkeit der Stadt Köln für kulturinteressierte Touristen. Das gefährde das Image der Stadt.
Kolumne „Auf den Punkt“Hilferuf der Kölner Stadtführer
Köln und die Touristen – das ist ganz unbestritten eine innige Liaison. Ganz besonders natürlich für die Stadt, die enorm von ihren Besucherinnen und Besuchern profitiert. Eine Studie aus dem Jahr 2020, die allein auf die jährlich 460.000 Flussschifffahrtstouristen abhob, errechnete einen Umsatz für Handel und Gastronomie von 12,6 Millionen Euro. Doch die Touristen bringen nicht nur Geld in die Stadt, sie nehmen auch ihr Bild von Köln mit in alle Welt. Genau da aber hat Köln ein Problem.
Wer sich für Geschichte und Kultur der Stadt interessiert, lässt sich beides gern durch eine Stadtführung erschließen. Für die Touristen, die per Schiff am Kölner Rheinufer anlanden, ist solch eine Führung meist im Programm inbegriffen. Die vielen zertifizierten Stadtführerinnen und -führer, die in einer eigenen „Interessengemeinschaft Guides Köln“ zusammengeschlossen sind, sind wichtige Vermittler und Multiplikatoren.
Auch die Stadt betont ihre Sensibilität für Besucherinnen und Besucher, die mehr wollen als Junggesellenabschiede oder Sauftouren durch die Altstadt. „Köln als Kulturstandort wird massiv unterschätzt“, hat der Geschäftsführer von Köln Tourismus, Jürgen Amann, erst vor ein paar Tagen festgestellt. Da kann ich ihm nur Recht geben.
Alles zum Thema Barbara Schock-Werner
- Nach 400 Neueintritten Zentral-Dombau-Verein kurz vor Mitglieder-Rekord
- KVB und S-Bahn Barbara Schock-Werner besucht „Lost Place“ an Kölner Haltestelle
- 1000 Jahre Abtei Brauweiler „Ein Ort, der in unsere Zeit passt“
- Debatte über Stadtbild „Rund um den Kölner Dom sieht es einfach nur scheußlich aus“
- „Musterbeispiel expressionistischen Bauens“ Freundeskreis Bastei feiert 100. Geburtstag des Kölner Bauwerks
- Schmutzig, eklig, kaputt Welche sind Kölns übelste Haltestellen?
- Schock-Werner zur Station Hansaring Kölner Firma reinigt „Haltestelle des Grauens“ auf Eigeninitiative
Umso mehr wundert mich ein regelrechter Hilferuf, der mich von den Stadtführern erreicht: Die Arbeiten zur Neugestaltung der Historischen Mitte, klagen sie, ließen derzeit ausgerechnet das römische Erbe fast verschwinden, obwohl das Interesse daran seit der Ernennung des Niedergermanischen Limes zum Weltkulturerbe noch einmal immens gestiegen ist.
Fall Nummer eins: Das Römisch-Germanische Museum (RGM) wird saniert. Die Panorama-Scheiben, die sonst den Blick auf Highlights wie das Dionysos-Mosaik oder das Poblicius-Grabmal freigegeben haben, sind verklebt. Soll das wirklich jahrelang so bleiben? Müsste man die bedeutendsten Monumentalschätze des RGM nicht schnellstmöglich wieder von außen sichtbar machen?
Fall Nummer zwei: Nicht erst seit Schließung des Prätoriums ist auch der Zugang zum römischen Abwasserkanal gesperrt. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Die Stadtführer haben dafür wenig Verständnis und fragen, ob sie nicht doch wieder mit einem Schlüssel Zugang bekommen könnten. Das Problem eines fehlenden Notausgangs wäre mit einer Auflage für den neuen Bauherrn des Laurenz-Carrés am Südende des Roncalliplatzes leicht zu regeln. Der Abwasserkanal endet schließlich unter dem künftigen Gebäude.
Das „Ubier-Monument“ in der Nähe des Heumarkts ist für die Stadtführer auch nur mit Schlüssel zugänglich. Den müssen sie vor der Führung beim Römisch-Germanischen Museum, also jetzt in der Cäcilienstraße, abholen und anschließend dort wieder abgeben. Das ist ein aufwendiges Unterfangen, das schlecht in die Abläufe einer Gruppenführung passt.
Auch das frühchristliche Baptisterium, für das die Dombauhütte zuständig ist, bleibt Stadtführern komplett versperrt. Ursprünglich war es so geplant, dass das umgebende Schutzgitter tagsüber geöffnet sein sollte. Durch die Glastüren hätte man dann freie Sicht auf die dieses hoch spannende Zeugnis des frühen Christentums in Köln. Weil diese Türen aber nicht vernünftig verschließbar sind, müssen auch die Gitter geschlossen bleiben. Die Folge: Vom Baptisterium sieht man praktisch nichts.
Was für eine Erleichterung wäre es, wenn die geprüften und akkreditierten Stadtführer unkompliziert bei Köln Tourismus dort hinterlegte Schlüssel sowohl für das Ubier-Monument als auch für das Gitter des Baptisteriums abholen und dort auch wieder abgeben könnten!
Fall Nummer drei ist ein ganz aktuelles Ärgernis: Der Zugang zur Tiefgarage unter dem Dom – ausgerechnet gegenüber vom Köln-Tourismus-Shop – ist derzeit gesperrt. Die wohl hässlichste, schmutzigste Schranke, die man in ganz Köln auftreiben konnte, ist jetzt einer Verschalung mit Grobspannplatten gewichen. Was fehlt, ist jeglicher Hinweis, dass die sonst auf diesem Weg zugängliche römische Stadtmauer auch anders erreichbar ist, zum Beispiel über den Zugang an der Südwestecke des Doms. Da hat offensichtlich niemand mitgedacht.
Und das, scheint mir, hat System. Keiner denkt die Bedürfnisse der Stadtführer und damit der Touristen mit. Es wäre eine Riesenverbesserung, sagen die Führer, wenn es in der Stadtverwaltung eine Interessenvertretung oder wenigstens Anlaufstelle gäbe, bei der die Stadtführer auch scheinbare Banalitäten loswerden könnten wie den Hinweis auf notorisch verdreckte Stellen rund um antike Monumente. Aber sie sind mit diesem – wie ich finde berechtigten – Anliegen bislang auf taube Ohren gestoßen. Oder, wie das immer so ist in Köln, vor lauter verteilten Zuständigkeiten fühlt sich am Ende niemand verantwortlich. So macht man Leuten das Leben unnötig das Leben schwer, die das Image der Stadt aufpolieren.
Natürlich kann man sagen: Nun haben Sie sich nicht so! In fünf Jahren ist die Historische Mitte fertig und wird dann ein touristisches Glanzstück sein. Aber was ist mit den Gästen, die bis dahin nach Köln kommen? Sollen die wirklich den Eindruck bekommen, Köln sei weder touristenfreundlich noch geschichtsbewusst? Soll es so wirken, als nähme diese Stadt ihre Gäste buchstäblich nur „in Kauf“? Sie nimmt ihr Geld, findet sie aber lästig? Ich glaube ja, dass das nicht stimmt. Aber das sollte Köln dann auch beweisen – seinen Gästen und sich selbst.