Am 13. September entscheiden die Kölner darüber, wer die politischen Geschicke der Stadt in den kommenden fünf Jahren lenkt.
Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und des WDR zufolge, würde eine klare Mehrheit der Wähler Oberbürgermeisterin Henriette Reker eine weitere Amtszeit bescheren.
Bei der Ratswahl hingegen liegen CDU, SPD und Grüne in der Wählergunst zurzeit fast gleichauf.
Die Umfrageteilnehmer haben auch die ihrer Ansicht nach wichtigsten Themen der Stadt genannt – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Köln – Auf die Frage, welches Problem die Politik am vordringlichsten lösen müsste, nennen 29 Prozent der Befragten den Themenbereich Verkehr und Mobilität – der mit Abstand höchste Wert. Die Befragung fällt in eine Zeit, in der viel über Verkehr diskutiert wird. Während der Corona-Pandemie hat sich die Nutzung von Auto, Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln verschoben, vor allem zugunsten des Rads und zulasten des ÖPNV. Die Politik streitet darüber, ob die Ost-West-Bahn über- oder unterirdisch fahren soll oder wie viel Autoverkehr die Innenstadt verträgt.
Auf Platz zwei der Problemtabelle (14 Prozent) kommt das Fehlen an bezahlbarem Wohnraum und die beständig steigenden Mieten. Schul- und Kita-Platzmangel liegt auf Platz drei, jedoch mit nur sieben Prozent – angesichts der bisweilen emotional geführten Debatten ein erstaunlich niedriger Wert.
Punkte wie Sicherheit, Ausländerpolitik, der Umgang mit Corona oder Sauberkeit in der Stadt spielen bei den Befragten nur eine Nebenrolle. Das gilt auch für den Klimaschutz, der offenbar als übergeordnetes Thema gesehen wird, dessen Lösungskompetenz eher nicht bei der Stadt verortet wird. Zudem ist manches Verkehrs- auch ein Klimaproblem, etwa der schleppende Ausbau des ÖPNV in Köln.
Henriette Reker „Es freut mich, dass ich offenbar die richtigen Themen bei den Kölnerinnen und Kölnern anspreche und dass meine Arbeit der letzten fünf Jahre honoriert wird“, sagt die Oberbürgermeisterin, die bei der Wahl von CDU und Grünen unterstützt wird. Trotzdem warne sie vor dem Eindruck, dass die Wahl bereits entschieden sei, da viele Wähler sich kurzfristig entscheiden würden. Und auch bei den Parteien erlebe man, dass bis dahin „buchstäblich jede Stimme darüber entscheiden kann, wer stärkste Kraft im kommenden Rat wird.“ Die Nennung der wichtigsten Themen sei für Reker keine Überraschung. „Unser Mobilitätsverhalten verändert sich, mehr Menschen steigen um auf das Fahrrad. Dem müssen wir Rechnung tragen, indem wir mehr Tempo beim Ausbau und der Sanierung der Radinfrastruktur machen.“
Andreas Kossiski „Ich halte das Ergebnis für eine Momentaufnahme“, kommentiert Andreas Kossiski die Umfrage. Der OB-Kandidat der SPD gilt als stärkster Konkurrent Rekers, erreichte aber in der Umfrage nur 22 Prozent der Wähler. „Das ist ein Weckruf. Es spornt mich an, weiter zu kämpfen. Da ist noch mehr drin.“ Reker profitiere von ihrer Präsenz in der Stadt, die sie als Amtsinhaberin zwangsläufig habe. „Da hat man es als Herausforderer immer schwer.“ Sein Ziel sei es nach wie vor, im Rathaus „für den notwendigen Wechsel zu sorgen“. Dass die Befragten die meisten Probleme der Stadt im Bereich Verkehr sahen, bestätige einen Schwerpunkt in seinem Wahlkampf. „Mobilität ist ein wichtiges Thema in meinem Portfolio.“
Jörg Detjen „Ich werde weiter dafür kämpfen, Frau Reker in die Stichwahl zu bringen. Das wird nicht so einfach werden“, sagt der OB-Kandidat der Linken. „Dazu brauche ich noch ein paar Prozente und der SPD-Kandidat müsste deutlich zulegen.“
Das sagen die Parteien
SPD „Dieses Jahr führen wir einen besonderen Wahlkampf in besonderen Zeiten. Die Umfragewerte zeigen deutlich, dass den Wählern in Köln die Themen bezahlbares Wohnen, gerechte Bildung, Sicherheit und sozialer Zusammenhalt besonders unter den Nägeln brennen“, sagt SPD-Fraktionschef Christian Joisten. „Für uns sind die Zahlen Ansporn, bis zum 13. September weiter für ein sozial gerechtes Köln zu kämpfen und den Stillstand in der Stadt zu beenden.“
CDU CDU-Parteichef Bernd Petelkau: „Wir haben die Umfrage interessiert zur Kenntnis genommen. An unserem Wahlkampf wird sich nichts ändern, und am 13. September wird ausgezählt. Schon Helmut Kohl hat immer gesagt, wir wollen Wahlen gewinnen und nicht Umfragen. Was die Oberbürgermeisterwahl angeht, ist der Abstand zwischen Frau Reker und Herrn Kossiski erwartungsgemäß sehr groß. Wir freuen uns, dass ihre sehr gute Arbeit der letzten fünf Jahre honoriert wird.“
Grüne Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer sieht in der Umfrage eine „Bestätigung unserer Politik“, weil Verkehrsthemen in ihrem Programm eine wichtige Rolle spielen würden. Die Grünen haben in der Befragung mit 4,5 Prozent die meisten Zuwächse aller Parteien erzielt. „Dieser Trend ist eindeutig“, sagt Hammer. Dass Grüne, CDU und SPD in der Umfrage fast gleichauf liegen, eröffnet den Parteien viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Über Bündnisse wolle er zum jetzigen Zeitpunkt indes noch nicht sprechen. Mit dem Abschneiden von Henriette Reker ist Hammer erwartungsgemäß ebenfalls zufrieden – die Grünen unterstützen gemeinsam mit der CDU die parteilose Amtsinhaberin bei der Kommunalwahl. „Das zeigt, dass die Wähler ihre Arbeit in den vergangenen fünf Jahren goutiert“, interpretierte Hammer. Dass ihre Zustimmungswerte weit über denen einzelner Parteien lägen, sei ein Zeichen dafür, dass die Befragten mit der Oberbürgermeisterin „kein Lagerdenken“ verbinden würden.
Linke „Wir würden uns gegenüber der letzten Kommunalwahl deutlich steigern. Ich bin stolz, dass wir seit 1999 bei jeder Kommunalwahl wachsen, und ich hoffe, dass wir auch wieder viele Nicht-Wählerinnen und -Wähler erreichen“, sagt Linken-Fraktionschef Jörg Detjen. „Dass Verkehr und Wohnen vorne liegen werden, hatte ich vermutet. Ich glaube, dass die Themen Klima und Umweltgerechtigkeit mehr Beachtung verdienen. Wir bleiben dran.“
Das sagt Festkomitee-Chef Kuckelkorn zu Karneval
87 Prozent der Befragten haben sich dafür ausgesprochen, die Karnevalssession 2020/2021 wegen Corona komplett abzusagen. Dazu sagte der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval (FK), Christoph Kuckelkorn, dem „Kölner Stadt-Anzeiger: „Viele Menschen in NRW, gerade außerhalb der Karnevalshochburgen, setzen Karneval Feiern mit großen Partys und Gedränge gleich. Da ist der Wunsch nach einer Absage in der aktuellen Situation verständlich.“ Auch das FK wolle nicht feiern um jeden Preis, die Gesundheitsprävention sei oberstes Gebot.
Dennoch sprach sich Kuckelkorn gegen eine Generalabsage aus: „Der Karneval in Köln ist viel differenzierter zu betrachten. Hier gibt es in jedem Bereich der Stadtgesellschaft ganz unterschiedliche Karnevalstraditionen, die sicherlich einzeln auf den Prüfstand gestellt statt pauschal abgesagt werden sollten. Was spricht beispielsweise gegen ein Dreigestirn auf dem Schulhof und die Pänz feiern an den Fenstern und mit Abstand?“ Bis auf Weiteres geht man davon aus, dass die seit Wochen festgelegten Absprachetermine mit der Landesregierung wie geplant nach der Kommunalwahl, wenn auch die Auswirkungen der Reiserückkehrer eingeschätzt werden können, stattfinden werden. Erst dann will das Land Entscheidungen treffen.