Köln – Das Schöne an so einem Streik ist ja, dass Menschen miteinander reden. Die Tarifparteien, notgedrungen, aber auch andere Leute. Viele der Autos, die am Mittwochmorgen auf der Zoobrücke und der Inneren Kanalstraße, der Luxemburger und der Aachener noch länger stillstehen als sonst, sind gefüllt mit Menschen und Gesprächen.
Am Bahnhofsvorplatz und am Breslauer Platz warten die Menschen um acht Uhr vor den Taxiständen in langen Schlangen, ein älterer Herr erzählt einer jungen Frau, dass er in die Uni-Klinik wolle, zu einer Nachsorgeuntersuchung. Die Frau fragt nach, schon geht es los. Eine fröhliche Reisegruppe aus Stuttgart erkundigt sich am Ende der Reihe, wie lange es dauern werde. „30 Minuten ungefähr“ tönt es zurück. Darauf die Schwaben: „Dann gehen wir noch ein Kölsch trinken.“ So gelassen reagieren auch viele Rheinländer: Sie bilden Fahrgemeinschaften, rollen auf Inlineskates ins Büro. Oder arbeiten von zu Hause aus.
Was halten Sie vom Streik in Köln?
Leonie Wilke (19)
Marco Steinborn (34)
Kristin Nolden (26)
Margret Hetsch (69)
Auf dem Wiener Platz, dem Hans-Böckler-Platz und an der Scheidtweiler Straße stehen Angestellte von Rheinenergie und AWB, städtischen Kliniken, Kitas, Verwaltung und KVB dicht gedrängt. Es wird geduzt, geraucht, geredet, gelacht und gefroren. Die Menschen haben ein gemeinsames Ziel: sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Lohn und Gehalt.
Auch Brezeln und Kaffee einen die Menschen beim Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hat. „In den Betrieben herrscht soziale Kälte, aber für städtische Prestigeprojekte wird alles Geld genehmigt. Dass die Arbeitgeber uns in der zweiten Verhandlungsrunde nichts angeboten haben, ist schon dreist“, ruft Andreas Mathes von der Rheinenergie, seit 35 Jahren im öffentlichen Dienst, sein „ungefähr zehnter Streik“.
„Nach einer Gehaltserhöhung fragen geht schon lange nicht mehr“
Wer in die unterste Gehaltsklasse eingruppiert werde – wie Küchenkräfte des Kölner Studierendenwerks –, „dem droht Altersarmut, das darf nicht sein“, sagt Verdi-Funktionär Dirk Hansen. „Das Fachkräfteproblem sitzt auch in den Chefsesseln im öffentlichen Dienst!“ In der Streikgeldschlange stehen Renate Schell und Matthias Fecht, die im IT-Bereich der Rheinenergie arbeiten. „Wir sind nicht im unteren Einkommensbereich, wollen aber unbedingt, dass die Schere zwischen Gut- und Geringverdienern nicht weiter auseinandergeht, es geht um den sozialen Frieden“, sagen sie.
„Die Kassen beim Bund sind voll, die Wirtschaft brummt, das Geld muss auch weitergegeben werden. Zum Arbeitgeber gehen und nach einer Gehaltserhöhung fragen, das geht ja schon lange nicht mehr“, sagt Straßenreiniger Heinz-Günter Engels, der in der eher übersichtlichen Menge auf dem Hans-Böckler-Platz verharrt.
Die Streikenden stehen zusammen und warten. Das tun auch noch andere – diejenigen, die vom Warnstreik nichts wussten. Weil sie gerade in Mailand waren, wie Julia Emelin, die mit Koffer und Handgepäck vor der U-Bahn-Rolltreppe am Hauptbahnhof steht, und jetzt nach Hause, zum Barbarossaplatz, laufen will. Oder die, die von der Stadtverwaltung nicht informiert worden sind wie Henning Großmann, der vor vier Wochen im Internet einen Termin im Bezirksrathaus ausgemacht hat, um einen Personalausweis zu beantragen. Das Informationszentrum ist leider zu. „Eine Absage habe ich nicht bekommen. Das ist ziemlich ärgerlich,“, sagt Großmann, und schwingt sich auf sein Miet-Fahrrad. „Vielleicht mache ich Termine künftig wieder telefonisch aus.“
Reden, Dampf ablassen und Bewegung
Reden, ein bisschen Dampf ablassen, und: mehr Bewegung. All das schafft der Streik in Köln. Die Radstation meldet mehr vermietete Fahrräder, die Rikschafahrer haben gut zu tun, und manche Städter erinnern sich, dass sie Ausdauer haben.
So Sabine Freche, die in der Zoo-Verwaltung arbeitet und um 8.45 Uhr ein bisschen verloren auf dem Breslauer Platz steht. „Ich habe Urlaub gehabt und keine Zeitung gelesen. Ich laufe jetzt zum Zoo, das ist gar nicht so schlecht für mich“, sagt sie. „Noch besser könnte ich mit dem Streik leben, wenn die Bahnen ansonsten weniger Verspätung hätten und die KVB nicht so oft die Preise erhöhen würden.“
Worum wird gestritten?
Für die bundesweit rund 2,3 Millionen Beschäftigten in den Kommunen und beim Bund verlangt die Gewerkschaft Verdi sechs Prozent mehr Geld, mindestens 200 Euro im Monat; der Deutsche Beamtenbund steht hinter der Forderung.
Die Arbeitgeber von Kommunen und Bund haben bisher keinen Vorschlag gemacht, aber die Forderungen als zu hoch abgetan. Trotz gut fließender Steuern haben die Gemeinden Geldprobleme – und beklagen Personalmangel und Überalterung. Die freie Wirtschaft zahle besser, der öffentliche Dienst sei nicht mehr attraktiv.
Die zweite Verhandlungsrunde zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern in Potsdam ist gescheitert, nächster Termin ist der 15./16. April in Leipzig.
Was verdienen die Beschäftigten eigentlich?
Eine Erzieherin verdient brutto je nach Berufsjahren zwischen 2578 Euro und 3592 Euro. Das gilt für Vollzeitbeschäftigte – eher selten unter Kita-Kräften.
In der Sozialarbeit verdienen Beschäftigte zu Beginn 2846 Euro und können nach Tarif höchstens 4216 Euro erreichen.
Eine Krankenpflegekraft in den Kommunen steigt mit rund 2636 Euro ein und erreicht die Höchstgrenze von 3296 Euro.
Ein Müllwerker hat zu Beginn 2109 Euro brutto, nach 15 Jahren 2629 Euro.
Ein Brandmeister beim Bund erhält zwischen 2343 bis 2989 Euro, beim kommunalen Arbeitgeber gibt es etwas mehr.
Ein Busfahrer verdient laut Tarifvertrag Nahverkehr für NRW 2369 Euro, in Endstufe 2991 Euro. Die Unterschiede sind groß, weil (auch für die KVB) private Unternehmen Linien versorgen – und die haben eigene, nicht unbedingt bessere Gehaltsregelungen. (dpa, bce)