Der 1. FC Köln bleibt am Geißbockheim, obwohl unklar ist, wie der Ausbau dort realisiert werden soll. Die Gegner formieren sich schon.
Nach Entscheidung des 1. FC KölnBürgerinitiative plant Widerstand gegen Ausbau am Geißbockheim
Seit 1953 ist Kölns erster Fußball-Club am Geißbockheim im Äußeren Grüngürtel zuhause — und das soll so bleiben. Das machen die Klub-Verantwortlichen am Mittwochmorgen klar, sie senden die Botschaft raus: „Geißbockheim bleibt FC-Heimat.“ Kurz zuvor haben sie Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) informiert, per E-Mail, wie die Stadt betont.
Seit zehn Jahren plant der Verein ein zweigeschossiges Nachwuchs-Leistungszentrum auf dem Areal sowie drei Fußball-Plätze auf der benachbarten Gleueler Wiese, anfangs waren 25 bis 30 Millionen Euro vorgesehen, mittlerweile sind es 50 bis 60 Millionen Euro.
Ein Umzug auf einen städtischen Acker an der A1 im Kölner Stadtteil Marsdorf ist pasśe. Und Präsident Werner Wolf und Geschäftsführer Philipp Türoff machen deutlich, dass sie eigentlich nie auf das rund vier Kilometer vom Geißbockheim entfernte Gebiet umziehen wollten. Es war immer eine Notlösung, verbunden mit mindestens 120 Millionen Euro Kosten, wie der FC bestätigt.
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Die Mitteilung des Klubs ist voller Bitterkeit und Enttäuschung in Bezug auf Politik und Stadtverwaltung — und es ist eine Mitteilung, die eine große Frage aufwirft: Und jetzt? Wie soll der Ausbau am Geißbockheim realisiert werden? Eine schlüssige Antwort darauf liefern die Klub-Verantwortlichen auch nicht in einem Gespräch, aus dem nicht zitiert werden darf. Im vergangenen September hatte Türoff die Situation als „Sackgasse“ bezeichnet.
Denn die Gemengelage im Äußeren Grüngürtel ist komplex. Erstens: Ob der Bebauungsplan für das neue Leistungszentrum und die Fußball-Plätze gültig ist, ist zweifelhaft. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hatte den Plan im November 2022 für unwirksam erklärt, weil die Stadt die ebenfalls eingeplanten vier Kleinspielfelder für die Allgemeinheit formell falsch benannt hatte. Der FC wollte diese Plätze gar nicht.
Noch ist das Urteil nichts rechtskräftig, der FC hatte sich beim Bundesverwaltungsgericht erfolgreich gegen die nicht zugelassene Revision gewehrt, am 23. April verhandelt das Gericht den Fall. Es kann den Plan für wirksam oder unwirksam erklären oder an das OVG zurückverweisen.
Der FC sagt: „Unabhängig von dem Urteil ist der FC der Überzeugung, dass eine Weiterentwicklung am Geißbockheim im angestrebten Umfang möglich und innerhalb überschaubarer Zeit – mit dem notwendigen politischen Willen – umsetzbar wäre.“
Mehrheit für Pachtvertrag fehlt
Und zweitens: Selbst wenn der Bebauungsplan gültig wäre, hat der Klub momentan keinen Zugriff auf die Gleueler Wiese. Sie gehört der Stadt Köln, für den Pachtvertrag gibt es keine politisch umsetzbare Mehrheit im Stadtrat. Das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat ein Moratorium zur Gleueler Wiese vereinbart, es schließt Verträge für die Wiese bis zur Wahl 2025 aus. Die Grünen lehnen die Pläne ab.
In den vergangenen Jahren hatte der Klub sich deshalb mit der Notfalllösung Marsdorf angefreundet, zwischenzeitlich aber laut eigener Aussage rund zehn Millionen Euro am Geißbockheim in Plätze und eine Halle investiert. Für Marsdorf entwickelte er sogar einen Masterplan für Gebäude und Plätze. Nur: Dem chronisch klammen Klub fehlte das Geld, Türoff hatte den Verein 2022 als Sanierungsfall bezeichnet.
Stadt wollte nicht mehr zahlen
Deshalb war die Idee, dass die Stadt dem Klub die Aufbauten und Plätze am Geißbockheim abkauft und dort eine Bezirkssportanlage für die Öffentlichkeit baut: Die Grundstücke gehören der Stadt, sie verpachtet sie an den Verein. Mit dem Erlös hätte der Verein den Bau in Marsdorf bezahlt. Laut Verwaltung beinhaltete das Angebot, die Flächen teils per Erbbaurecht zu vergeben.
Nicht wenigen galt das als konstruierte Lösung, um das Thema zu lösen, seit 2014 plant der Verein die Erweiterung. Der FC hatte sich gewünscht, dass die Stadt 60 der 120 Millionen Euro zahlt: „Die Stadt war nach intensiven Verhandlungen jedoch nicht bereit, dieses Investitionsvolumen zu gleichen Teilen gemeinsam mit dem FC zu tragen, gleichwohl dies rechtlich auf Basis mehrerer unabhängiger Gutachten möglich gewesen wäre.“ Dem Vernehmen nach bot die Stadt 30 Millionen Euro an.
Reker weist vor allem darauf hin, dass die Stadt nicht jede Summe zahlen könne: „Die Verwaltung hat sich daher viele Gedanken gemacht, viele verschiedene Modelle geprüft und ist, vor dem Hintergrund des Einsatzes von Steuergeldern, bis an die Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten gegangen.“ Sie bedauere die Entscheidung des FC.
Türoff sieht das anders: „Bringen wir es auf den Punkt: Am Ende scheitert es oft am Finanziellen und am Willen, sich zu bewegen. Für die Variante FC-Campus in Marsdorf wären wir dennoch zu einem großen Kompromiss bereit gewesen, um eine wettbewerbsfähige Zukunft des FC sicherzustellen – und das entgegen unserer absoluten Überzeugung, dass das Geißbockheim Heimat des FC ist.“ Präsident Werner Wolf sagt: „Jetzt gilt es, für alle Protagonisten der Stadt Köln Farbe zu bekennen.“ Das OVG habe deutlich gemacht, dass der Bebauungsplan geheilt werden könne.
Öffentlichkeit wird wieder beteiligt
Tatsächlich hat das OVG in seinem Urteil festgestellt, dass die formalen Fehler „geheilt“ werden können durch ein ergänzendes Bebauungsplanverfahren. Allerdings hatte eine Sprecherin der Stadt Köln zuletzt mitgeteilt: „Zur Frage nach dem Zeitaufwand für eine gegebenenfalls erforderliche Planheilung kommt es auf den tatsächlich notwendigen Anpassungsbedarf der Planung an. Für ein ergänzendes Bebauungsplanverfahren gelten dieselben Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung wie in einem üblichen Bebauungsplanverfahren.“
Schnell geht das also auch nicht, damit rechnet beim Verein auch niemand, am Mittwoch ging es vielmehr um das Signal: Wir bleiben, wo wir sind. Schon Anfang März hatte sich Türoff wenig optimistisch gegenüber dieser Zeitung gezeigt, was den Umzug nach Marsdorf betrifft (wir berichteten).
Initiative kündigt Widerstand an
Gegen den Bebauungsplan hatten die Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“ und der NRW-Ableger des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) geklagt. Ob die Bürgerinitiative erneut gegen einen ergänzenden Plan klagen würde, kann ihr Mitglied Friedmund Skorzenski am Mittwoch nicht beantworten, aber: „Wir würden dagegen vorgehen.“ Eine Variante könnte sein, dass der Klub andere Fußball-Plätze in der Nähe nutzen könnte, um unabhängiger von der Gleueler Wiese zu sein.
Zudem braucht es eine Mehrheit für einen solchen Plan im Stadtrat, Wolf sieht die Politik in der Pflicht. Vor der Kommunalwahl 2020 gab es diese Mehrheit (CDU, SPD, FDP). Nach der Wahl und den Sieg der Grünen, ist eine Mehrheit momentan nicht absehbar. Im Vorjahr hatte Türoff gesagt: „Aktuell halte ich den Ausbau am Geißbockheim für unwahrscheinlich. Die Pläne sind eine theoretische Chance.“
Die Fans vor Ort sind am Mittwoch erfreut über die Botschaft, unter anderem sagt Karl-Heinz Lapp (54) aus Köln: „Der FC ist alteingesessen hier und das ist gut.“