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Merz in KölnDiskussion über Kanzlerkandidaten in der Union seien „völlig irre“

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Friedrich Merz (l.) und Jochen Ott bei der Buchvorstellung am Dienstag

Köln – Die Politiker Jochen Ott (SPD) und Friedrich Merz (CDU) sind in vielen Sachfragen unterschiedlicher Ansicht. In der Art und Weise, wie Politiker unterschiedlicher Parteien miteinander umgehen sollten, vertreten sie aber die gleiche Meinung. „Wir vermissen beide, dass das Ringen um die bessere Position im Mittelpunkt steht, und nicht die Personen“, sagte Merz am Dienstag, als er im Greven-Verlag am Barbarossaplatz Otts Buch „Mehr Politik wagen“ vorstellte. Der Titel lehnt sich an die Regierungserklärung des SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt 1969 an. In der hieß es: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“

Die beiden Männer haben sich vor anderthalb Jahren im Aufsichtsrat des Flughafens Köln/Bonn kennengelernt – Merz wurde damals auf Wunsch der schwarz-gelben Landesregierung Vorsitzender, der ehemalige Kölner SPD-Parteichef Ott sitzt als Vertreter der Stadt Köln in dem Gremium. Obwohl beide als Gegner aufeinandertrafen, lernten sie sich schätzen. „Wir haben uns zusammengerauft und ein Klima der guten Zusammenarbeit geschaffen“, sagte Merz.

„Hart miteinander streiten und gut miteinander umgehen“

Ott bekräftigte, ihm imponiere, dass Merz und er beide von einer Klarheit ihrer jeweiligen Rollen ausgingen. „Wir müssen als Demokraten hart miteinander streiten, aber auch gut miteinander umgehen“, sagte Ott. In seinem Buch vertritt er unter anderem die These, dass parteitaktische oder egoistische Motive sowie der Blick auf mögliche Medienreaktionen politische Akteure dazu verführe, Vorschläge einzubringen, die eher auf den kurzfristigen Erfolg in der Kommunikation und nicht auf den mittel- bis langfristigen Erfolg in der Sache abziele.

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„Demokratie wird spannend, wenn wieder Unterschiede klar werden“, sagte Merz. Deshalb sei eine Große Koalition zwischen CDU und SPD nicht als Regelfall vorgesehen. Das Aufkommen des starken Populismus von rechts und links sei ein Ergebnis der Diskursverweigerung in der politischen Mitte. „Uns besorgt beide der Niedergang der Volksparteien, und wir haben keine Freude, dass es dem jeweils anderen schlecht geht“, sagte Merz. Im Idealfall sei eine der beiden Parteien in der Regierung, die andere in der Opposition. Merz lobte, dass Ott sich in seinem Buch gegen Volksentscheide und eine Regierung der Experten stelle. Es komme viel mehr darauf an, dass Politiker Werte und Überzeugungen vertreten würden. Otts Meinungen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik teile er zumeist nicht.

Große Koalition halte nicht bis Jahresende

„Herr Merz möchte sich heute ausschließlich zu dem Buch äußern. Alle anderen Themen soll ich für ihn abräumen.“ Mit dieser Regieanweisung wandte sich Verleger Damian van Melis eingangs an die Journalisten. Im Klartext: keine Fragen zur aktuellen Bundespolitik. Auf Nachfrage wiederholte Merz dann allerdings doch seine Einschätzung, dass die Große Koalition in Berlin nicht bis zum Jahresende halten werde. „Wenn sie es doch schaffen sollten, dann wäre das à la bonne heure“, so Merz. Die Diskussion über mögliche Kanzlerkandidaten in der Union bezeichnete er als „völlig irre“, da derzeit gar keine Bundestagswahl anstehe.

Dass eine Gruppe innerhalb von CDU und CSU den nächsten Kanzlerkandidaten per Urwahl bestimmen wolle, halte er für den falschen Weg. „Die Partei wird gespalten, wenn man Mitgliederbefragungen macht und des halb bin ich kein Freund von Urwahl-Abstimmungen“, sagte Merz. Er frage sich, was passiere, falls drei Kandidaten zur Wahl stünden. „Dann würde möglicherweise jemand 40 Prozent der Stimmen bekommen und damit zum Kanzlerkandidat werden“, gab er zu Bedenken. Ein Blick auf die SPD – die den Einstieg in die Große Koalition per Mitgliederentscheid beschlossen hatte – zeige, welche Probleme das erzeugen könne.

Jochen Ott: Mehr Politik wagen! Wie wir die Demokratie vor dem Kapitalismus retten. Greven-Verlag, 96 Seiten, 15 Euro.