Der Straßenverkauf von ausgefallenen und hochwertigen Speisen boomt in Köln.
Der Streetfood-Markt „Meet & Eat“ wurde nach einjähriger Testphase von der Stadt verlängert.
Köln – Pilger-Wanderungen gab es schon immer. Seitdem im Frühjahr 2013 in einer alten Eisenbahnhalle in Berlin-Kreuzberg der „Streetfood Thursday“ eingeläutet wurde, breitete sich in Deutschland ein Phänomen aus: das der Asphalt-Genießer.
Diese neue Gruppe von Pilgern – durchaus mit Pumps und Highheels anstatt in Wanderschuhen – ist längst auch in Köln unterwegs. Nachdem im September 2014 erst im Kulturzentrum Odonien und wenig später auf dem Ehrenfelder Gelände des Vereins „Jack in the Box“ die Food-Trucks anrollten, erfreut sich die Gourmet-Imbisskultur am Rhein großer Beliebtheit.
2015 schließlich kündigte auch die Städtische Marktverwaltung ein Novum an. Gemeinsam mit der Agrarkonzept Köln GmbH, die die sechs Ökomärkte in dieser Stadt betreibt, hatte sie ein Konzept für einen neuen Wochenmarkt ausgearbeitet, der in den späten Nachmittag- und Abendstunden stattfinden sollte. Bei der Premiere vor genau einem Jahr kamen etwa 3000 Besucher zum „Meet & Eat“ (Treffen und Essen) auf den Rudolfplatz und testeten das Speise- und Getränkeangebot der insgesamt 24 Händler. Nach einem zwölfmonatigen Testlauf hat die Stadt den Markt nun für weitere drei Jahre genehmigt.
Etliche Kölner wie auch der an der Pfeilstraße ansässige Kunsthändler Knut Osper sind bereits vom „Meet & Eat“-Virus befallen. Dass sie keinerlei Abwehrmaßnahmen treffen, liegt daran, dass sie trotz des hohen Abhängigkeitsrisikos keine Gesundheitsgefährdung, sondern nur eine Glückssteigerung feststellen konnten.
Dirk Höveler gehört auch zu diesen Asphalt-Genießern. Wenn es irgendwie möglich sei, versuche er, donnerstags „in der Agentur etwas früher frei zu machen“, sagt der Kölner, der in der Nähe der Hahnentorburg wohnt und die Objekte der Begierde somit direkt vor der Nase hat. Manchmal ist dieses herzhaft duftend, manchmal eiskalt, manchmal heiß wie Feuer, weil es tatsächlich aus diesem kommt, manchmal von erfrischender, prickelnder Kühle.
Heute ist Höveler hin- und hergerissen zwischen dem zum mobilen Pizza-Ofen umfunktionierten braunen VW-Bulli und dem verführerischen blassgelben Sortiment von Axel Belitz. Der Käsestand des 56-Jährigen sei einfach fantastisch. „Da könnte man sich reinsetzen“, schwärmt der Kölner, was angesichts der dekorativ aufgeschichteten Weichkäserollen ein sträfliches Vorgehen wäre.
An diesem Spätnachmittag ist Höveler mit seinem aus Aserbaidschan stammendem Freund Tural Mehtiyen unterwegs und erklärt diesem die Besonderheiten jedes Standes: bei Dorian Görtz und seinen Kollegen vom „Pizza Prinzip“ ist es der tatsächlich mit Holz befeuerte Ofen. Bei Benedetto und Lina Pellerito sind es die Arancini, mit Ricotta oder Spinat gefüllte Reisbällchen, beim Team von „Eli’s Deli“ sind es die Rheinische Currywurst und Omas Kartoffelsalat, bei Heiko Mariak die leckeren Eissorten.
Am australischen Stand sind es die besonderen Pasteten mit Chutneys, im Café Eichhörnchen von Pierre Richard locken Austern und belgisches Bier, beim „Dinkelmann“ indische Köstlichkeiten und bei der Argentinischen „Empanaderia Locura“ sind es die kleinen gefüllten Teigtaschen, welche Matalena und Alina, die beiden gut gelaunten Frauen auf dem Food-Truck, besonders charmant anbieten, derweil zur Abwechslung Salsa statt Kasalla aus Lautsprechern dringt.
In der Tat ist dieser abendliche Gourmetmarkt so überraschend unkölsch, dass es dem lange in Paris beheimateten Zeichner Wilhelm Schlote ganz nostalgisch ums Herz wird und er sich mit einem Gläschen Rosé aus der Gascogne in die Menge der übrigen Weintrinker einreiht.
Ob französische Quiche, asiatisches Fingerfood, Burger in allen Variationen, Flammkuchen, griechische Spezialitäten, Falafel, türkische Dips oder die Kartoffelnester, die Jama Bromand mit seiner clever umgebauten Bohrmaschine in Endlos-Spiralen produziert, finden zufriedene Abnehmer.
Früher habe er auf dem Wochenmarkt Oliven verkauft, nun freut sich der Mann am „Schinkenkönig“-Stand, seinen prämierten und angeblich weltweit einzigartigen Grillschinken anbieten zu können. „Bei allem, was ich bis jetzt probiert habe, war die Qualität gut“, betont Besucherin Hildegard Bickel.
Das bestätigt das Rentnerpaar Peter und Anne Groth aus Dellbrück, das sich nach seiner Fahrradtour am Rudolfplatz stärkt. Das kulinarische Angebot sei so „wohltuend anders als auf Weihnachtsmärkten“, freut sich Oliver Busche (52), ebenfalls ein Donnerstags-Stammgast, der nicht allein der kulinarischen Vielfalt wegen regelmäßig aus Junkersdorf kommt, sondern auch, „weil man hier immer nette Leute trifft und entspannt ins Gespräch kommt“.
Die Idee der Städtischen Marktverwaltung, mit der neuen Veranstaltung in den Abendstunden ein jüngeres Publikum anzulocken, scheint ebenfalls aufgegangen, wie das Beispiel von Christian (28), Christoph (27) und Philipp (23) zeigt, drei Freunden, die Reisbällchen und italienischen Weißwein genießen.
Obwohl Köln mit seinen 38 Wochenmärkten und wöchentlich 66 Marktveranstaltungen längst der Marktführer in Deutschland ist, scheint ein Konzept wie das vom Rudolfplatz buchstäblich eine Marktlücke zu füllen. So jedenfalls lautet das Urteil von Christoph Dornbusch, der als Geschäftsführer von Agrarkonzept regelmäßig vor Ort ist. Nach seiner Einschätzung kommen bei gutem Wetter nach wie vor „rund 3000 Besucher, die im Schnitt anderthalb Stunden bleiben“.
Erstaunlich hoch sei die Zahl an englisch sprechenden Gästen, was wohl damit zu tun habe, dass die Stadt die Veranstaltung auf dem Rudolfplatz gut bewerbe.
Die Zahl der Händler, die sich im Übrigen bei der Marktverwaltung bewerben müssen und dort gelistet werden, hat sich von anfangs 24 auf 30 erhöht. In diesem Zusammenhang ist Dornbusch wichtig: „Wir verlangen von allen Händlern, dass sie jeden Donnerstag kommen.“ Hierin und in der Tatsache, dass kein Eintritt verlangt werde, unterschiede sich „Meat & Eat“ als Wochenmarkt-Angebot von den wiederkehrenden Streetfood-Festivals mit Eventcharakter.
Nachdem es im Vorfeld auch seitens Wirtschaftsdezernentin Ute Berg Bemühungen gegeben habe, „das Ding voranzutreiben“, sieht Dornbusch dem geplanten Umbau der Hahnentorburg mit Sorge entgegen und hofft, „dass das zarte Pflänzchen auf dem Rudolfplatz dadurch keinen Schaden nimmt“.
Auf diesen Kölner Wochenmärkten machen Foodtrucks halt
„Meet & Eat“ (Treffen & Essen) beginnt donnerstags um 16 Uhr und dauert bis 21 Uhr. Lediglich am 18. August findet der Genussmarkt auf dem Rudolfplatz wegen der Gamescom nicht statt. Mit ihrem Angebot an internationalen Spezialitäten sorgen 30, jeden Donnerstag wiederkehrende Händler, für ein großes kulinarisches Spektrum.
Ein völlig neues Konzept wird vom 19. August an auf dem Ehrenfelder Neptunplatz erprobt. Dort wird dann immer freitags der klassische Wochenmarkt um gastronomische Händler ergänzt; es bleibt jedoch ein Wochenmarkt. Die klassischen Markthändler werden mindestens bis 14 Uhr (bisher 13 Uhr) ihre Waren verkaufen. Ab 12 Uhr kommen gastronomische Händler hinzu, die bis 19 Uhr ihre Produkte anbieten. Den Wochenmarkthändlern steht es frei, ebenfalls bis 19 Uhr zu bleiben.
Für den Wilhelmplatz gibt es einen Auftrag aus der Bezirksvertretung Nippes, auch dort ein ähnlich gelagertes Konzept mit gastronomischer Nutzung zu entwickeln.
Die Anfänge der Streetfood in Köln
Pioniere der Streetfood-Bewegung in Köln waren drei Freunde aus der Südstadt: Till Riekenbrauk, Vincent Schmidt (beide 31) und Mathes Robel (32) organisierten am 6. September 2014 nach nur sechswöchiger Vorbereitungszeit ihren ersten Genuss-Event im Kulturzentrum Odonien in der Hornstraße mit knapp 25 Ständen.
Die Idee dazu sei bei einer Vietnam-Reise entstanden, berichtet Schmidt. Dort seien sie, alle drei leidenschaftliche Esser (und Köche), angesichts des tollen Angebots auf der Straße aus dem Schwärmen kaum herausgekommen. Später, beim Bummel über einen Kölner Flohmarkt mit den dort üblichen Ess-Ständen, sei der Entschluss gereift: „Wir wollen einen Markt nur mit gutem Essen.“
Seitdem habe sich wahnsinnig viel in dieser Szene getan, „und ich würde behaupten, dass wir maßgeblichen Anteil daran hatten, dass die Entwicklung – wie auch jetzt mit »Meet & Eat« auf dem Rudolfplatz – so vorangegangen ist“, betont Schmidt. Seit dem ersten Streetfood-Event haben er er und seine Partner bis heute bundesweit circa 50 solcher Gourmet-Märkte in 15 bis 20 deutschen Städten veranstaltet.
Auch der regelmäßig auf dem Vereinsgelände von „Jack in the Box“ in Ehrenfeld stattfindende Event mit jeweils „mehreren Tausend Besuchern“ werde von ihnen organisiert. Außerdem der im Mai 2015 erstmals und in diesem Frühjahr zum zweiten Mal ausgetragene „Burger Clash“ im Odonien.
Im vergangenen Oktober begründeten sie außerdem das Pop-up-Restaurant „Laden ein“ im Agnesviertel, wo alle 14 Tage „Leute, die wir auf den Festivals kennenlernen“, ihre Spezialitäten auftischen. Ab kommenden Montag wird das Alaska-Seafood sein.
Am 3. und 4. September halten sie wieder ihr Streetfood-Festival in Köln ab; diesmal auf dem Parkplatz vor dem Underground am Heliosgelände. Ob sich die Veranstaltungsreihe langfristig dort etablieren wird, ist noch unklar. Fest steht, dass das Areal von „Jack in the Box“ im kommenden Jahr nicht mehr zur Verfügung steht, weil auf der Fläche Wohnungen entstehen sollen.