Durch den Einsatz von Robotern und KI erhöht sich die Wartungskapazität des ICE-Werks in Nippes um ein Viertel.
Züge sollen schneller gewartet werdenKölner ICE-Werk setzt bei der Instandhaltung auf künstliche Intelligenz
Jeder Reisende in einem ICE der Deutschen Bahn, und stehe er dem Phänomen künstlicher Intelligenz noch so skeptisch gegenüber, wird ihr eines Tages dankbar sein, wenn sie nur dafür sorgt, dass die Toiletten nicht mehr verstopft sind und jederzeit frisches Wasser zur Verfügung steht. Oder Türen defekt und Klimaanlagen ausgefallen sind.
68 Millionen Menschen sind im ersten Halbjahr 2023 mit den Fernverkehrszügen der DB gefahren. Das ist Rekord. Wie viele davon im Kölner Hauptbahnhof auf ihren Zug warten mussten, weil der wegen schwer kalkulierbarer Instandhaltungsarbeiten mit Verspätung aus dem knapp drei Kilometer entfernten ICE-Werk in Nippes zum Einsatz rollte, kann bei der Bahn niemand sagen.
Köln: ICEs sollen schneller und besser gewartet werden
Aber eins kann Gregor Schmid den Reisenden im Hauptbahnhof, die wegen mangelhafter Wartung zu Wartenden wurden, in die Hand versprechen: Dieser Zustand wird bald der Vergangenheit angehören. Diese Zukunft darf Schmid voller Stolz an diesem Donnerstag im modernsten ICE-Werk, das die Bahn derzeit zu bieten hat, zwei prominenten Gästen und jeder Menge Fußvolk präsentieren.
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Dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der sich nach den Wahlschlappen von Hessen und Bayern bei der Verkehrsministerkonferenz im Maritim-Hotel mit den Niederungen der Finanzierung des Deutschlandtickets herumplagen musste, und dem für den Personenverkehr verantwortlichen Bahnvorstand Michael Peterson, der sich vor jedem öffentlichen Auftritt immer entschuldigen muss, warum dem Fernverkehr regelmäßig die Erstattungsformulare für Verspätungsentschädigungen ausgehen und immer warnt, dass die Zeiten noch härter werden, wenn im kommenden Jahr die Generalsanierung der Hochleistungskorridore beginnt.
32 Kameras scannen den Zug und liefern 7,3 Billionen Pixel an Bildern
Wissing, Peterson und das Fußvolk lauschen dem E-Checker Gregor Schmid, für den das, was hier passiert, längst kein technologisches Neuland mehr ist. In Nippes krabbeln keine Bahnmitarbeiter durch Wartungsgruben, um die Unterseite eines 374 Meter langen ICE 4 auf Schäden zu begutachten. Sie klettern auch nicht mehr auf Wagendächern herum, um bei abgeschalteter Hochspannung nach Fehlern zu suchen.
Nein. Das Rückgrat der DB-Fernverkehrsflotte, wie die Bahn ihren neuesten ICE liebevoll nennt, fährt, gesteuert von einem Geschwindigkeitssystem, vollkommen langsam und gleichmäßig durch das mit 32 Kameras ausgestattete Tor Süd. Nach fünf Minuten sind die 13 Wagen konstant gescannt. Als der Zug die Halle erreicht, sind seine Daten auch schon da. 7,3 Billionen Pixel – über Glasfaserkabel ins Werk übertragen und ausgelesen.
„Wir suchen nach Schäden, die im Zehntelmillimeterbereich liegen können“, sagt Schmid. Genauer gesagt: Es ist die künstliche Intelligenz, die das übernimmt. Mit jedem Datensatz, den sie verarbeitet, wird sie ein wenig schlauer. Und der Zug auch. Kein Mensch könnte die Differenzen zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand fehlerfreier dokumentieren.
Schön. Aber was machen dann noch die ganzen Arbeiter, wenn sie nicht mehr unter die Züge kriechen müssen, weil ihnen das ein vollautomatisches Kamerasystem abnimmt, das niemals ermüdet, dem nichts entgeht und so lernfähig ist, dass es sogar analysiert, wie ein Schaden entstanden sein könnte?
Arbeiten. Nur anders eben. Sie überprüfen, ob Fehler, die von der KI entdeckt wurden, auch solche sind und machen sich daran, sie zu beheben. Den Arbeitsplan erstellt wieder die KI. Weil nur sie genau nachvollziehen kann, ob es wirklich Sinn macht, ein fehlendes Piktogramm am Erste-Klasse-Wagen in Köln auszutauschen oder erst zwei Tage später in München. Weil dort die nächste Instandhaltung ansteht, die alle vier Wochen fällig ist. Die Bahn weiß von jedem einzelnen ICE-Zug, wo er gerade steckt und wie es ihm geht. Das gesamte Informationssystem ist in der Cloud jederzeit abrufbar.
Für seine Präsentation hat Schmid eigens einen ICE demolieren lassen. Ganz leicht nur. An einer winzigen Schraube auf den Wagendächern des 374 Meter langen Zugs hat er mit einer Drahtbürste die gelbe Markierung wegschrubbeln lassen. Sie zeigt an, ob sich die Schraube nicht gelockert hat. Für die KI ist das ein Kinderspiel. Genau wie das halb abgeknibbelte Piktogramm an einer Wagentüre.
„Wir werden in Zukunft nicht alle Fachkräfteprobleme lösen können, indem wir immer mehr Leute einstellen“, sagt der Bundesverkehrsminister zu den Arbeitern. Weil es sie schlicht nicht gibt. „Mit der Hilfe von KI und Digitalisierung können wir Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern. Und dann können Sie uns den Alltag erleichtern, indem Sie uns saubere, gewartete, pünktlich fahrende Züge liefern. Sie werden von Standardaufgaben entlastet. Das Wertvollste bei der Bahn sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Ist das ein Deal? Hier in Nippes würden das alle sofort unterschreiben. Das Werk ist mal wieder der Vorreiter, das erste von Fünf, die mit dem E-Check-System ausgerüstet werden. Erst Nippes, dann folgen bis 2025 Berlin, Hamburg, Dortmund und München.
55 Millionen Euro investiert die Bahn in die neue Technologie, die als Zugabe auch Roboter beinhaltet, die am Zug entlang schleichen, das Brauchwasser abpumpen und Frischwasser zuführen und dabei erkennen, um welchen Zug-Typ es sich handelt. Was wegen der unterschiedlichen Anschlüsse nicht ganz unwichtig ist.
Umrüstung von fünf ICE-Werken kostet 55 Millionen Euro
55 Millionen. Auf lange Sicht gesehen ist das ein Kleckerbetrag. 400 Millionen Euro hätte allein das geplante neue Werk in Nürnberg gekostet, dessen Bau nach Bürgerprotesten aufgegeben wurde.
Wenn das System in Nippes stabil läuft, wird die Wartungskapazität des Werks um ein Viertel steigen. „Durch E-Check werden weder Arbeitsplätze abgebaut noch Arbeitsvolumen erhöht. Vielmehr entstehen hier moderne Arbeitsplätze an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine“, verspricht Personenverkehrsvorstand Peterson. „Virtuell entsteht hier in Nippes die Kapazität eines zusätzlichen Werks mit fünf Gleisen. Bei schnellerer Verfügbarkeit, mehr Pünktlichkeit und mehr Qualität.“
Die Züge seien nur noch halb so lang im Werk wie vorher, betont auch Projektleiter Schmid. In den kommenden Jahren wird er noch viel herumkommen bei der Umstellung vier weiterer Werke. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Jeden Monat werden drei neue ICE-Züge an die Bahn ausgeliefert. Und alle brauchen gute Pflege.