Köln – „Das ist so, als würde Iron Maiden im Underground spielen.“ Mit diesem Satz wurde das zahlenmäßig kleine Publikum im Corona-konform ausverkauften Ehrenfelder EDP („Em Drügge Pitter“) begrüßt, als im Juni Rainald Grebe mit Fortuna Ehrenfeld dort einen Warm-Up-Gig spielte. Aber wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen? „Ich habe sein Album »Popmusik« produziert“, erzählt Frontmann Martin Bechler, „und die Fortunas da immer mehr reingezogen. Rainald Grebe hat sich in unser Spielprinzip verliebt, in die guten Vibes, die da unterwegs sind.“
Grebe von Schlaganfall gut erholt
Als die Platte fertig war, habe er gesagt, jetzt müsse man auch zusammen auf Tour gehen. „Ich will Euch aber nicht als Tanzkapelle im Hintergrund haben“, sagt Liedermacher und Kabarettist Grebe. „Das muss krachen.“ Und die ersten Kostproben im EDP klingen vielversprechend, der Fortuna-Sound geht gut mit der sonoren Stimme Grebes und setzt doch eigene Akzente. Grebe, der Anfang des Jahres einen leichten Schlaganfall hatte, geht es nach einer Reha wieder gut. „Jetzt steigt er wie Phönix aus der Asche“, sagt Bechler, „und ist lebendiger Teil dieser schrillen, bunten Pop-Revue.“
Trainingslager in Worpswede
„Wir sind jetzt eine Woche in Worpswede und schließen uns mit Mighty Grebe ein“, erzählt Bechler über die Tournee-Vorbereitung. „Rainald Grebe ist in Deutschland ein Großmeister – in allen Disziplinen“. 17 Studiomusikalben, mehr als 20 Theaterstücke nur an den besten Häusern, Soloprogramme, Dokumentarfilme. „Für uns Jungspunde ist es eine absolute Ehre, ihm den Rücken freizuhalten. Wir sind ja weit mehr als eine Begleit-Combo“, freut sich Bechler auf die Live-Performance. „Wir lassen Fortuna mit Grebe kollidieren, da musst du eigentlich nur noch ein Streichholz dranhalten.“
Für das Open-Air-Konzert am Tanzbrunnen (16. August, 19.30 Uhr) verspricht er, dass auch die reinen Fortuna-Fans auf ihre Kosten kommen: „Wir spielen nach der Pause einen ausführlichen Fortuna-Block. Da ist Grebe nicht auf der Bühne. Wir hatten noch nie ein Album unterm Arsch wie »Rückkehr zur Normalität«, was so danach schreit, live gespielt zu werden – eine wahre Freude.“
Martin Bechler, selbst Wortakrobat und hochgelobt für seine Texte, sagt über das, was Rainald Grebe macht: „Landläufig nennt man das Poesie. Und zwar allererster Güte. Ich kenne niemanden, der zwischen Gaga, Ernsthaftigkeit und Melancholie so eine Balance und gleichzeitig Reibung herstellen kann, dass man zwischenrein auch in lauthalses Lachen ausbrechen kann. Das geht weit über Onkel Lustig hinaus. Er schafft die richtige Höhe, um sich dann bodenlos in eine große Tiefe und Sinnhaftigkeit fallen zu lassen.“
„Großartiger Songschreiber“
Außerdem sei Grebe ein großartiger Songschreiber. „Wir wollen diesen Songs einen maximal würdevollen Rahmen geben.“ Grebe gebe die Möglichkeit, seine Texte politisch zu interpretieren, wenn man das wolle. „Das ist diese tolle Unschärfe, die er da reinbringt, seine große Kunst. Je nach dem eigenen Gefühlszustand erlebst und interpretierst du einen Text anders. Auch die Umgebung, wo du den Song hörst, kann eine Rolle spielen.“
Am Tanzbrunnen wird es ein zusätzliches Extra geben: Der Bergmannschor MGV Harmonie Lünen kommt zu einem einmaligen Auftritt nach Köln. Man kennt sich seit einer Kooperation zum Film „Liebe ist wie wildes Wasser“, der für den Deutschen Kamerapreis nominiert war und in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Die Herren, zwischen 78 und 95 Jahren alt, werden als Ehrengäste in voller Bergmannskluft auftreten und singen. „Da freuen wir uns wahnsinnig drauf“, sagt Bechler.
Bandbus wurde ausgeraubt
Das Open Air muss die Band übrigens mit neuen Instrumenten spielen. „Die haben uns in Herten nachts den kompletten Bus ausgeräumt, auf dem Parkplatz eines Golfhotels, wo du mit nichts Bösem rechnest.“ Bis auf die Bass Drum mit dem FE drauf war alles weg. Dank Crowd Funding und der Unterstützung der Fans habe man jetzt eine nagelneue Backline. „Neben dem persönlichen Verlust deiner Lieblingsgitarre etwa ist das eine Katastrophe, weil ja auch die ganzen Programme weg sind“, stöhnen Bechler und Keyboarderin Jenny Thiele im Chor.
„Das Gute ist, dass man alles noch mal überprüft und kontrolliert“, sagt Bechler. „Das ist, wie wenn man dich nackig in den Wald stellt und der Regen fängt an. Stunde Null. Aber Fortuna ist unzerstörbar, Mund abputzen, weitermachen.“ Am Abend des Diebstahls spielte man mit geliehenen Instrumenten.
„Ohne die elektronischen Sachen haben wir wie ein Blues-Trio geklungen. Das gibt ganz neue Erkenntnisse. Manchmal ist man ja auch festgefahren, weil man etwas schon immer so gespielt hat. Da kamen ganz frische Gedanken um die Ecke.“ Das Konzert wäre sehr spannend gewesen, „weil die Konzentration maximal war und ich behaupte, wir haben gespielt wie die jungen Götter. Der Frust musste raus (lacht). Im Prasselregen im Freibad Wuppertal – romantischer geht kaum.“
„Popmusik“ , Rainald Grebe und Fortuna Ehrenfeld feat. MGV Harmonie Lünen, Open Air im Kölner Tanzbrunnen am Montag, 16. August 2021, ab 19.30 Uhr. Es gibt noch Tickets zum Preis von 30 Euro zzgl. VVK. Das Konzert wird vom WDR aufgezeichnet.