KultVon vielen vergessen, aber nicht zu übersehen – das Autokino in Porz
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„Was, das gibt’s noch?“ – Ja, und das schon seit mehr als 50 Jahren.
An mehreren Tagen der in der Woche laufen Kinohits, egal ob es regnet oder die Sonne scheint.
Wer zu den Vorstellungen kommt und was das Autokino besonders macht, erzälht der Leiter Thorsten Schiers.
Köln-Porz – Eigentlich war es Eddies Idee. Er wollte mit seiner Mama einen Film sehen, der aber leider schon wieder aus den Kölner Kinos verschwunden war. Beim Studium der Kino-Programme fand er dann heraus, dass sich der Film vielleicht doch noch anschauen ließ – einmal in Bonn und einmal hier: im „Autokino in Porz“. Daraus ergaben sich für Eddie ein paar Fragen: „Was ist denn ein Autokino?“ Und: „Wollen wir da nicht mal hin?“ Ich hatte eine andere Frage: „Was, das gibt’s noch?“ Und natürlich müssen wir da hin.
„Ja, uns gibt’s noch“, sagt Thorsten Schiers. Er ist hier der Theaterleiter – ein großer Titel, „aber das heißt wirklich so“. Schiers lacht. Er ist jetzt 47 Jahre alt und kümmert sich seit dem Jahr 2000 auf dem riesigen Grundstück im Industriegebiet von Köln-Porz-Eil eigentlich um alles – dass es sauber ist, dass die cool gestylte Snackbar gut ausgestattet ist und dass die richtigen Filme laufen.
Dass die Leute vergessen, dass es das Autokino noch gibt, passiere immer wieder, sagt er. Dabei gab es das Freiluft-Filmtheater eigentlich schon immer. Vor eineinhalb Jahren wurde 50-jähriges Bestehen gefeiert. Am 18. August 1967 lief zur Premiere der seinerzeit umstrittene Film „Blow up“ – wegen Protesten und Sorgen um die allgemeinen Sitten war die Eröffnung verschoben worden.
Neben den moralischen gab es auch geschäftliche Einwände – die Kinobetreiber aus den Städten der Umgebung fürchteten die moderne Konkurrenz. Es waren schwierige Zeiten für Kinos. Das Fernsehen war auf dem Vormarsch, in Berlin wurde nur eine Woche später gar die Ära des Farb-TVs eingeläutet.
Solange die Tage kurz genug sind, laufen in Porz sonntags vor dem regulären Abendprogramm auch Kinderfilme. Denn für das Autokino muss es dunkel sein, das ist das Wichtigste. Die Tickets bekommt man an der Einfahrt, da steht ein Kassenhäuschen mit dem Schalter in Seitenfenster-Höhe. Zwei Karten, 16 Euro, vielen Dank – langsam vorfahren, nicht viel los heute, freie Platzwahl also.
Leichte Wellen im Asphalt durchziehen das Gelände; man parkt klugerweise so, dass die Vorderräder auf einer solchen Rampe zu stehen kommen: Aus dieser Schräglage heraus hat man einen guten Blick auf die größte Leinwand der Stadt: 15 Meter hoch, 36 Meter breit. Jetzt noch im Autoradio die richtige Frequenz suchen: 90,5 Megahertz – und der Kinoton kommt aus den Autolautsprechern.
1971 übernahm die Ufa alle Autokinos in Deutschland
Gerade laufen Werbung und Musik. Linkerhand sieht man im dichten Takt die beleuchteten Flugzeuge im Lande-Anflug auf den Flughafen Köln/Bonn. Dann kann’s ja gleich losgehen.
Autokino- Fakten
Fünf Autokinos werden derzeit in Deutschland noch ganzjährig betrieben:
München Aschheim, Stuttgart-Kornwestheim, Frankfurt Gravenbruch, Essen und Köln-Porz
In Porz finden jeweils mittwochs, freitags und samstags Trödelmärkte statt; jeweils samstags auch ein Gebrauchtwagen-Markt
In den USA feierten die Autokinos, die Drive-ins, fantastische Erfolge; in den 1930er Jahren gab es die ersten Freiluft-Filmtheater, in den 1960er Jahren waren es bereits mehr als 4000. Autokinos wurden zum festen Bestandteil der amerikanischen Jugendkultur – gefeiert wurden hier das erste eigene Auto, der Führerschein, die erste Liebe, der Rock’n’Roll und vielleicht der erste Sex in der sogenannten „Lovers Lane“ – der berühmten letzten Reihe im Autokino.
Es lag nahe, dieses kulturphänomenale Erfolgsmodell auf den europäischen Kontinent und nach Deutschland zu holen. In Frankfurt-Gravenbruch hatte bereits 1960 das erste Autokino eröffnet; 1967 gründete Familie Geldermann das Porzer Drive-in-Kino, erzählt Schiers – damals das dritte in Deutschland und das erste in Nordrhein-Westfalen. „Ab 1971 übernahm die Ufa das Kino in Köln und überhaupt alle Autokinos in Deutschland.“
Ohne die Märkte auf der Fläche ginge es nicht
Als die Besucherzahlen zurückgingen und die Kinos in wirtschaftliche Turbulenzen gerieten, sicherte sich der Starnberger Unternehmer Walter H. Jann die Betriebsrechte der Kinos. „Das passte perfekt, das war für ihn ein Mittel zum Zweck“, sagt Schiers. Denn Jann unterhielt auf den riesengroßen Parkflächen der Autokinos tagsüber seine Automärkte – die konnte er nun weiter betreiben. Nur mit Kinos alleine lassen sich die Grundstücke schon lange nicht mehr profitabel bewirtschaften, diese Zeiten sind vorbei. Aber Kino plus Automarkt plus Trödelmarkt – das geht. „Auf drei Beinen kann man ganz gut stehen“, sagt Schiers.
2018 war sogar ein recht gutes Jahr: Bundesweit mussten die Kinos wegen des Super-Sommers und der Fußball-WM Besucherrückgänge um die 20 Prozent verzeichnen. Die Autokinos verloren jedoch gegen den Trend „nur“ 10 Prozent – doch, sagt Schiers, das sei ein Erfolg.
Nur bei Nebel und Schneefall gibt es keine Vorstellungen
Eddie ist zufrieden. Keiner seiner Kumpel war bisher in einem Autokino; denen wird er erzählen, was alles gut war: Der Film, die Bildqualität, die Riesenleinwand, die Wurst in der Pause und dass es – abends wird es dann eben doch kalt – Heizlüfter gibt, die man gegen ein Pfand in der Snackbar ausleihen kann und die auch funktionieren. „Die Vorstellungen finden bei jedem Wetter statt“, sagt Schiers. Nur bei Nebel und Schneetreiben fällt Kino aus – der Lichtstrahl aus dem 7000 Watt starken Beamer schafft es dann nicht bis auf die Leinwand. Im Jahr 2010 musste der Betrieb wegen Schneemalheur mal für eine Woche eingestellt werden – einmalig in 51 Jahren Kinogeschichte.
Natürlich ist der Sommer besser. „An einem guten Tag haben wir 150 bis 200 Besucher da“, sagt Schiers. „Wenn das Wetter stimmt und der Film gut ist, kommen auch mal 300 bis 400 Autos.“ Auf dem Gelände haben 1000 Autos Platz. Im Durchschnitt seien alles in allem etwa 100 Autos pro Vorstellung da. Wenn es warm ist, kommen viele Cabrios; wenn Macho- und Spektakel-Filme laufen, zeigen viele Besucher ihre aufgemotzten Karren; manche Gäste kommen in Cliquen, packen die Campingstühle und Bierbänke aus und feiern ein Fest zum Film. „Kein Problem“, sagt Schiers. „Solange es nicht stört.“
Früher habe man vor Filmbeginn oder in der Pause Heiratsanträge auf die Leinwand projiziert. „Das machen wir allerdings nicht mehr. Es kam nämlich öfter vor, dass da zum Beispiel zu lesen stand: »Andrea – willst du mich heiraten?« 800 Zuschauer waren da, allgemeine Begeisterung, großes Hupkonzert! Und dann standen nachher bei mir im Büro fünf Frauen mit Namen Andrea – und waren nicht gemeint. Das haben wir dann eingestellt.“
Eine eigentliche Zielgruppe gebe es nicht, sagt Schiers. Es sei so: „Wer ins Autokino geht, kann das kurzentschlossen tun, ohne sich stylen zu müssen; Baby oder Hund können mitgebracht werden und auf der Rückbank schlafen, während vorne der Film läuft – wir hatten auch schon Leute, die ihre Karnickel mitgebracht haben.“ Manchmal, sagt Schiers, kämen junge Leute, die gerade den Führerschein gemacht hätten und das Auto der Eltern ausfahren dürften; und manchmal kämen Eltern, die selber vor vielen Jahren hier waren und nun ihren Kindern das Autokino zeigen wollten.