AboAbonnieren

ZündorfKölns Klimaanlage ist in Gefahr

Lesezeit 3 Minuten

Auf einer Fläche, die größer als der Kölner Rheinpark ist, soll Wohnbebauung entstehen. Das Kaltluftentstehungsgebiet ist dadurch in Gefahr.

Zündorf – Der nächste Sommer kommt bestimmt. Mit Hitzewellen, die dicht bebaute Kölner Viertel erglühen lassen. Mit Tagestemperaturen von um die 40 Grad und Nachtwerten, die der Wetterdienst als „tropisch“ einstuft. Wenn in den frühen Morgenstunden dann ein kühles Lüftchen weht, sind die Menschen in der Innenstadt froh.

Ihren Dank müssten sie eigentlich nach Zündorf schicken, denn dort wird die kalte Luft gebildet, die der Wind rheinabwärts bis in die Innenstadt fächelt.

Weil die von Sommer zu Sommer immer häufiger hitzegeplagten Kölner aber in ihrer Mehrzahl keine Ahnung haben, woher die willkommene Abkühlung kommt, haben sie auch noch nicht realisiert, dass diese natürliche Klimaanlage bedroht ist.

Alles zum Thema Henriette Reker

Der Protest gegen gewaltige Baupläne im großen rechtsrheinischen Kaltluftentstehungsgebiet ist deshalb bisher eng auf Zündorf begrenzt. Das will der örtliche Bürgerverein ändern und informiert über die Ergebnisse eines eigenen Arbeitskreises zu Umweltfragen, der sich mit den Folgen der Bebauungspläne „Zündorf Süd“ befasst.

Größer als der Rheinpark

Karin Michel und Joachim Tiedke haben unter anderem Untersuchungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LaNUV) ausgewertet, das schon vor Jahren die große Bedeutung des Zündorfer Südens fürs Kölner Klima dokumentiert und kartiert hat.

Das Planungsgebiet für das Wohnungsneubauprojekt Zündorf Süd ist 54 Hektar groß, deutlich größer als der gesamte Kölner Rheinpark, der 48 Hektar Fläche hat. Das riesige künftige Neubaugebiet liegt weitgehend über einem alten Rheinarm und ist derzeit noch landwirtschaftlich genutzt.

In der langgezogenen Senke entsteht nachts auf großer Fläche kalte Luft, der Rheintalwind vom Siebengebirge her nimmt sie mit bis in die Kölner Innenstadt. Wird in der Zün-dorfer Senke gebaut, ist Schluss mit der Kaltluftentstehung im alten Rheinarm. Zudem könnte der in Bodennähe wehende Wind keine kühle Luft mehr mitnehmen: Dichte Häuserreihen bremsen ihn aus.

Wohnungsbau vor Klimaschutz?

„Was der LaNUV-Fachbericht über das Kölner Klima aussagt und zum Klimaschutz vorschlägt – unter anderem den Verzicht auf Bebauung in Kaltluftentstehungsgebieten – ist der Verwaltung längst bekannt“, sagt Karin Michel. Die Stadt setze sich aber darüber hinweg und messe dem Wohnungsbau einfach den höchsten Wert zu, koste es, was es wolle.

Würden Zündorf, Porz und die Kölner Innenstadt durch den großflächigen Neubau „nur“ ihrer Klimaanlage beraubt, werde es die künftigen Bewohner von Zündorf Süd noch härter treffen.

In der alten Rhein-Senke steht nämlich schon jetzt nach Regenfällen manchmal tagelang das Wasser auf den Äckern. Ist die Versickerungsfläche erst versiegelt, kann das Wasser bei laut Wetterdaten immer häufiger auftretendem Starkregen nicht mehr abfließen. Dann stünden Keller und Erdgeschosse unter Wasser, die Kanalisation könnte die Wassermengen nicht mehr aufnehmen und ordnungsgemäß klären.

Diese Erfahrung machten die Städtischen Entwässerungsbetriebe (StEb) schon jetzt in tiefgelegenen Porzer Wohnvierteln, sagt Hans Baedorf, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft. In einem so gefährdeten Wohngebiet sei es wahrscheinlich, dass Versicherungen das Überflutungsrisiko nicht abzudecken bereit wären.

Überhaupt sei die Bodenbeschaffenheit im alten Rheinarm noch nicht hydrogeografisch untersucht worden – was eigentlich Voraussetzung gerade für umfängliche Baupläne sein sollte, argumentieren Tiedke und Baedorf. Der Bürgerverein fordere unabhängige wissenschaftliche Gutachten zu den Themen Klima, Böden, Wasser und Artenvielfalt – im Plangebiet sind unter anderem Rebhuhn und Feldhase zu Hause – ehe die Bebauungsabsichten für Zündorf Süd weiter vorangetrieben würden. Und sie erinnern Oberbürgermeisterin Henriette Reker an ihre Stellungnahme zu den Bedenken des Bürgervereins vom September vergangenen Jahres.

Reker hat damals die besondere ökologische und klimatische Bedeutung des alten Rheinarms gewürdigt und eine gutachterliche Stellungnahme versprochen. „Das Kaltluftentstehungsgebiet darf zwischen Zündorf und Wahn nicht zerstört werden“, machte sie deutlich. Es gelte, „innovative Planungskonzepte umzusetzen, die den Klimaschutz integrieren“.